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Kunst hat Recht

"Idol-Marketing funktioniert nur bei Lady Gaga"

Ist das Urheberrecht Ihrer Meinung nach noch zeitgemäß?
Das ist eine sehr komplexe Frage, da bin ich zu wenig Expertin, um es in wenigen Sätzen beantworten zu können. Dazu müsste man sich ein Leben lang damit beschäftigen. Was ich allerdings schon sagen kann: Bis zu den 1999er-Jahren hatten wir ein wunderbares Beispiel: die Musiktauschbörse Napster. Von diesem Beispiel hätte die Welt lernen können. Das haben wir aber nicht.

Was hätte die Welt lernen können?
In der Präsentation und Wahrnehmung von Kunst und Kultur ist eine Revolution passiert, die wir nicht absehen konnten, bis die ersten Versuche mit Peer-to-Peer gestartet sind. Das war ein Schritt, mit dem der traditionelle Handel gar nicht umgehen konnte. Wir haben allerdings nichts gelernt daraus. In den letzten 15 Jahren hat der Markt Dinge versucht zu etablieren, die sich dann nicht durchgesetzt haben. Teilweise haben sie sich nicht durchgesetzt, weil große Teile des traditionellen Handels sich so massiv dagegen aufgelehnt hat. Andererseits haben vor allem Geräte- und Technikanbieter Maßstäbe gesetzt, die vom Markt ansatzlos akzeptiert wurden und jetzt kann man nur noch hinten nach regulieren. Das ist schade.

Aufgrund des Status Quo glaube ich, das die wichtigsten, der Zeit angemessenen Adaptionen im bestehenden Urheberrecht dringend gemacht müssen, damit es eine gewisse Regulierung und mehr legale Zugänge gibt. Aber wir müssen die Zeit auch gleichzeitig dazu nutzen, um uns ernsthaft Gedanken darüber zu machen, ob das auch für die Zukunft so machbar sein wird oder ob wir etwas ganz anderes brauchen. Jetzt nur zu sagen, wir brauchen etwas völlig anderes, würde ich allerdings für fatal halten.

Welche Adaptionen wären das?
Zum Beispiel die Festplattenabgabe. Unser Einkommen fußt auf mehreren Säulen. Neben dem Honorar für die erbrachte Leistung oder Verkaufserlösen, zählt die Vergütung für Privatkopien zu den wichtigsten Finanzquellen der Künstler. Jede Privatperson darf urheberrechtlich geschützte Inhalte wie Musik, Literatur, Film oder Bilder zum eigenen Gebrauch kopieren, dafür steht als Gegenleistung den Urheber eine angemessene Vergütung zu. Und diese so genannte Leermedienabgabe ist quasi weggebrochen. Wer nimmt sich heute noch eine Radiosendung auf Kassette auf, oder einen TV Film auf Video? Auch das Kopieren von CDs ist fast schon ein Auslaufmodell.

Die Festplattenabgabe wäre eine längst fällige Adaption der bestehenden Rechtsgrundlage. Damit sind wir zwar eigentlich schon wieder hinter der Zeit, weil wir sollten über das Clouding reden, aber wir wären schon sehr froh, wenn wir die Politik von der Notwendigkeit der Festplattenabgabe überzeugen könnten.

Die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP stehen der Festplattenabgabe ja gar nicht abgeneigt gegenüber. Viel eher sind es Jugendliche und Menschen, die nicht einsehen, für etwas, für das sie bereits in Form eines Musik- oder Filmdownloads bezahlt haben, noch einmal zu zahlen - oder die ihre Festplatte nur dazu nutzen, eigene Werke zu speichern und zu sichern.
Die Festplattenabgabe als kollektive Abgabe lässt sich mit der Erhaltung der Autobahn vergleichen. Aus unseren Steuergeldern werden die Autobahnen gebaut und jeder Steuerzahler zahlt mit, unabhängig davon, ob er ein Auto hat oder nicht.

Geben wir der Festplattenabgabe probeweise einen anderen Namen: Kultur-Cent. Der Kultur-Cent als Bezeichnung für einen kleinen Beitrag jedes Einzelnen – somit könnte man auch die kollektive Verantwortung einer Gesellschaft für Kunst und Kultur beschreiben. Apropros Jugend: Wir haben die junge Generation zu einer "Gratis-Kultur" erzogen und das soll jetzt kein Vorwurf an die Jungen sein. Wenn es heißt "Geiz ist geil", "Zahl zwei für drei", "Kauf das Gerät, der Inhalt ist gratis", wie soll man da plötzlich für etwas zahlen wollen? Wir müssen diese junge Generation aufklären.

Im Forderungskatalog von "Kunst hat Recht." findet sich der Begriff "angepasste Vergütungsregelung" und Sie haben ja selbst auch die Cloud angesprochen. Sind Sie für Abgaben auf Cloud-Dienste oder Smartphones, diese dienen ja auch als Medienspeicher?
Da möchte ich mich nicht festlegen. Wir investieren vorerst unsere ganze Kraft auf die Festplattenabgabe. Eigentlich wäre mein persönlicher Wunsch, unsere Ministerien dazu zu motivieren, hier im europäischen Kontext gemeinsame Schritte zu finden.

Glauben Sie wirklich, dass österreichische Kunstschaffende dann plötzlich wieder davon leben können, wenn ihre Werke nicht mehr unlizensiert heruntergeladen werden?
Das ist schwer feststellbar, man kann das nur vermuten. Ich interpretiere Ihre Frage so, dass da meiner Meinung nach auch berechtigte Kritik drin steckt, dass der Handel und die Wirtschaft es versäumt haben, sich in der Preispolitik nach den neuen Möglichkeiten zu orientieren. Das wurde in der Musikbranche viel früher klar und deutlich - und ebenso schwierig. Man darf nicht vergessen, dass ein Produzent investieren muss, damit die Werke überhaupt erhältlich, beziehungsweise zugänglich sind. Trotzdem hätte man da vor 15 Jahren zum Nachdenken anfangen müssen.

Die deutsche Piratenpartei hat

vor kurzem
ihre Ideen präsentiert, wie man als Kreativer im Internet-Zeitalter seinen Lohn bekommen könnte. Da fiel auch das Stichwort "Idol-Marketing" - also der Künstler stellt sein Werke im Netz kostenlos zur Verfügung und wird dadurch bekannt. Die gewonnene Popularität schlägt sich dann in Form von Eintrittspreisen bei Auftritten, Konzerten oder Lesungen nieder. Kann das funktionieren?
Nein. Diese Debatte hatten wir in Brüssel schon im Jahr 2000 (Anm.: Mercedes-Echerer saß für die Grünen zwischen 1999 und 2004 im EU-Parlament). Damals waren einige Kollegen sehr begeistert davon. Meiner Meinung nach können das Madonna oder Lady Gaga, also die ganz Großen, und vielleicht ein paar ganz Junge, die gerade am Beginn ihrer Laufbahn stehen, weil sie ihren Freundeskreis motivieren können, zu ihren Konzerten zu kommen. Aber einfach zu behaupten, man kann die fehlenden Verkaufserlöse durch Auftritte kompensieren, stimmt nicht. Da hat sich die Piratenpartei nicht ausführlich genug mit der Thematik beschäftigt.

Hat sich das im Laufe der Jahre verändert?
Das Investment, um überhaupt auftreten zu können, ist viel höher als vor 10 oder 15 Jahren. Heutzutage kann man nicht mehr einfach sagen: Ich würde gerne dort auftreten auf Basis fairer Einnahmenteilung. In vielen Locations musst du als Künstler dem Veranstalter Mindesteinahmen garantieren, erst wenn diese gegeben sind, wird man an den Mehreinnahmen beteiligt. Als Künstler trägst du die Kosten für die Bewerbung, die offline und online notwendig ist und damit das ganze Risiko. Das finanzielle Risiko wird immer mehr zur künstlerischen Quelle hinverlagert und das halte ich für gefährlich. Dann können wir nämlich eigentlich nur noch zu Projekten ja sagen, die einen wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Das bedeutet weniger Vielfalt, weniger Nischen, weniger Mut für Neues. Außerdem: Wie ist das beim Film, oder bei einer Photographie? Ein Film oder ein Bild kann ja nicht auftreten.

Wie kann beispielsweise die Festplattenabgabe einem Nischen-Künstler weiterhelfen?
Die Hälfte der Einnahmen aus der Leermedienabgabe fließt in den Fonds für soziale und kulturelle Förderungen ("SKE"). Aus diesem werden Kreative unterstützt, die in Nischen tätig sind oder kulturelle Innovationen ausprobieren. Wenn das wegbricht, und das bricht von Jahr zu Jahr immer mehr ein, dann haben junge und innovative Künstler noch weniger Möglichkeiten als bisher. Dann bricht auch die Vielfalt ein. Es geht so gesehen nicht nur darum zu sagen, dass wir die Adaption eines bestehenden Gesetzes auf die Jetzt-Zeit wollen, sondern nach Möglichkeiten suchen, die künstlerische Vielfalt auch für die kommende Generation zu gewährleisten.

Die Festplattenabgabe ist ja nicht die einzige Forderung von "Kunst hat Recht." Die Initiative spricht sich unter anderem gegen die Kriminalisierung von Usern und gegen die rechtliche Verfolgung privater Downloads von urheberrechtlich geschützten Werken aus, fordert aber gleichzeitig ein Warnmodell, das darauf abzielt, Uploader bei Urheberrechtsverstößen zu verwarnen. Wie stellen Sie sich das vor?
Das Starten einer Website mit urheberrechtlich geschütztem Material ist wie das Eröffnen eines Ladens. Wenn Sie in dem Laden 20.000 urheberrechtlich geschützten Werke gratis anbieten, dann widerspricht das dem bestehenden Urheberrechtsgesetz und das muss man ahnden können dürfen. Das ist unser Begehren. Das Warnmodell soll allerdings nur den Anbieter und nicht den Downloader betreffen. Das ist ein großer Unterschied. Wenn ich als Mitarbeiter der AKM auf so ein Portal stoße, muss ich den Anbieter verwarnen und ahnden dürfen.

Wie stehen Sie der Möglichkeit des Kopierschutzes gegenüber? Dieser soll ja weiterhin in internationalen Abkommen (

wie z.B. CETA
) einzementiert werden und steht im Widerspruch zur Privatkopie.
Wie wir wissen, ist alles hackbar, ich halte diese Maßnahme daher für wenig sinnvoll. Stattdessen müssten Experten Lösungen finden, wie man eine Privatkopie im Internet-Zeitalter rechtmäßig mit seinen Verwandten und engen Freunden teilen kann, was ja in Österreich in Verknüpfung mit der Urheberrechtsabgabe erlaubt ist. Ich halte das für machbar.

Sie selbst sind Schauspielerin und Moderatorin. Was bedeutet Urheberrecht für Sie persönlich?
Es ist ein wahnsinnig komplexes Thema und gar nicht sexy. Da spricht es sich sehr schwer darüber. Natürlich ist die Frage, warum eine Nicht-Urheberin aber Leistungsschutzberechtigte sich für Urheber engagiert, berechtigt. Es ist letztendlich dasselbe Boot, in dem wir sitzen. Der ausschlaggebende große Markpfeiler, um mich mit dem Thema näher zu beschäftigen, waren meine Jahre als EU-Abgeordnete in Brüssel von 1999 bis 2004.

Gab es damals bereits eine Diskussion zur Reform des Urheberrechts?
Ja, damals gab es bereits eine zwei bis drei Jahre andauernde Debatte im Parlament zu Urheberrechten im digitalen Zeitalter. Es war sehr spannend, dass ich als einzige Nicht-Juristin, Frau und Vertreterin eines kleines Landes im Rechtsausschuss mit einer Fülle von unglaublich erfahrenen Rechtsexperten gesessen bin. Anfangs habe ich nur aufmerksam zugehört, doch dann fiel mir auf, dass unsere Kollegen aus Großbritannien vom Copyright gesprochen haben und unsere Kollegen aus Frankreich vom Urheberrecht - und das sind zwei paar Schuhe. Man hat alleine schon durch die unterschiedlichen, kulturell bedingten Formulierungen Probleme und es kam immer wieder zu Verwirrungen die Begrifflichkeiten betreffend.

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel hat ja vor kurzem auch gegen das Anti-Piraterieabkommen ACTA gestimmt, was relativ überraschend war, da sich unter den Rechtsexperten auch viele Hardliner befinden.
Das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man mit einer strukturierten, effizienten, sachkompetenten Lobbyarbeit die Abgeordneten überzeugen kann. Ich gratuliere allen Beteiligten zu diesem Erfolg. Ein kleines Schäuflein durfte ich auch dazu beitragen, obwohl ich nur noch einen Bruchteil der jetzigen EU Abgeordneten kenne, aber ich habe diese als Privatperson kontaktiert und sie auf die heiklen Punkte aus der Sicht der Künstler hingewiesen. Zusätzlich habe ich sie mit Künstlern und Software-Entwicklern vernetzt. Das hat auch wirklich gut funktioniert. Ich war sehr stolz, wie ich gehört habe, dass meine Kollegen im Parlament das Abkommen abgelehnt haben. Jetzt muss man verhandeln.

Die Initiative "Kunst hat Recht." hat seine Forderungen erst später präzisiert. Am Anfang waren sie so unklar formuliert, dass man Ihnen sogar unterstellt hat, Sie seien für ACTA.
Ich persönlich war sehr enttäuscht von einer bestimmten Gruppe von Journalisten, die einfach eine Behauptung in den Raum gestellt haben, ohne mit mir vorher darüber zu sprechen. Die haben doch alle meine Kontaktdaten. Mir einen Gesinnungswandel dieser Art zu unterstellen, fand ich eine Frechheit. An sich muss man aber zugeben, dass unsere ersten Formulierungen wirklich nicht klar und deutlich genug waren. Dafür muss man auch dankbar sein, dass wir darauf hingewiesen wurden. Es hat nun immerhin dazu geführt, dass wir unsere Forderungen konkretisiert haben und jetzt hoffentlich klar gestellt ist, dass wir für eine freie Meinungsäußerung, gegen Zensur, Netzsperren und gegen einen Überwachungsstaat sind.

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Zur Person:
Raina Mercedes Echerer wurde 1963 in Linz geboren und ist eine österreichische Bühnen- und Filmschauspielerin sowie Moderatorin von Radio- und Fernsehsendungen. Von 1999 bis 2004 war sie Mitglied des Europäischen Parlaments für die Grünen und beschäftigte sich bereits damals unter anderem im Rechtsausschuss über mit Urheberrechtsfragen. Sie ist Mitglied der Initiative "Kunst hat Recht.", einer Aktion von Kunstschaffenden in Österreich, die Bewusstsein für den Wert des geistigen Eigentums schaffen möchte.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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