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Mobilfunker: "Netzneutralität heißt Flat-Fees abschaffen"

Die Fronten sind verhärtet: Während die Mobilfunkanbieter auf ein Ende der Netzneutralität hoffen, um für Zusatzleistungen Geld verlangen zu können, sehen Experten und Juristen bei einer Aufgabe der Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Netz das Recht auf Informationsfreiheit und die Wettbewerbsfähigkeit von Start-ups gefährdet. Laut dem Schweizer Juristen Simon Schlauri gibt es in Europa bereits in mehr als einem Viertel aller Länder Verletzungen der Netzneutralität.

Drei-Deal mit Spotify

In Österreich sei das etwa die Exklusivpartnerschaft von Drei und Spotify, die das Streamen von Musiktiteln vorsieht, ohne dass der anfallende Datenverbrauch vom mobilen Datenvolumen abgebucht wird. „Solche Dinge passieren auch in der Schweiz, alle drei Mobilfunkanbieter gehen dort so vor. Orange hat sich z.B. mit TV-Anbietern zusammengetan“, so Schlauri. Das führe dazu, dass größere Anbieter bevorzugt werden und kleinere Anbieter Schwierigkeiten haben, in den Markt reinzukommen, sagt Schlauri.

Die Juristin Barbara van Schewick von der Stanford Law School bekräftigt diese These. „Firmen wie Facebook sind alle von Menschen gegründet worden, die am Anfang praktisch kein Kapital hatten. Auch Kickstarter oder Dropbox sind von Leuten ohne Geld gestartet worden. Sie sagen ganz klar: Hätten wir für die Bevorzugung unserer Inhalte zahlen müssen, gäbe es uns jetzt nicht“, erzählt van Schewick.

Drei-Geschäftsführer Jan Trionow rechtfertigt die Entscheidung von Drei folgendermaßen: „Wir haben das Angebot mit Spotify nicht gestartet, um die Freiheit des Internets zu gefährden, sondern um im Wettbewerb besser abzuschneiden. Es ist für uns eine Möglichkeit, uns von den Mitbewerbern zu differenzieren. Gibt es eine übertriebene Regulierung des Marktes, wird es zu einem weiteren Abfall von Wettbewerb kommen“, so Trionow.

Kommt das Ende der Flat-Fees?

„Der österreichische Markt verzeichnet seit 2006 fallende Umsätze bei einem steigenden Datenvolumen. Das ist nicht nachhaltig, da braucht es neue Geschäftsmodelle“, so Trionow. Bei einer starken Regulierung der Netzneutralität sieht Trionow zudem die sogenannten „Flat-Fees“ gefährdet. Er nimmt sogar die Worte „Flat-Fees abschaffen“ in den Mund, praktisch als Drohung, oder besser gesagt Warnung. Trionow betont zudem, dass die Freiheit des Internets bei einer guten Infrastruktur anfange. In dieselbe Kerbe schnitt auch der T-Mobile CTO Rüdiger Köster: „Wir brauchen neue Einnahmequellen, andernfalls können wir den Breitbandausbau nicht finanzieren.“

Die Juristin van Schewick entgegnet: „Wenn die Angebote der Betreiber zu sehr differenziert sind, schwächt das den Wettbewerb, weil die Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar sind.“ Es sei außerdem dumm, die Netzneutralität aufzugeben, um ein besseres Netz zu bekommen. „Das ist so wie ein Bild zu verkaufen, um sich einen besseren Rahmen leisten zu können.“ Van Schewick empfiehlt den Providern stattdessen, sich neue Modelle für unterschiedliche Zielgruppen – wie Senioren oder Studierende – auszudenken.

EU-Gesetz könnte scheitern

Laut dem österreichischen Juristen Hans Peter Lehofer braucht es aus diesen Gründen klare Regelungen – bevorzugt auf europäischer Ebene. Doch genau diese sind in absehbarer Zeit seiner Ansicht nach nicht zu erwarten. Im EU-Rat gebe es einen massiven Widerstand gegen die Position des EU-Parlaments, auch das italienische Präsidentschaftspapier sei keine taugliche Konsensgrundlage. „Österreich steht dem Parlamentsstandpunkt bei den Verhandlungen im EU-Rat kritisch und ablehnend gegenüber“, so Lehofer. Insgesamt 16 EU-Staaten wollen an dem Verordnungsvorschlag nicht mehr weiterarbeiten.

„Es kann daher auch zum Scheitern eines Netzneutralitätsgesetzes auf EU-Ebene kommen“, sagt Lehofer. „Ich halte es daher am wahrscheinlichsten, dass die EU-Kommission einen Vorschlag zur Weiterentwicklung des bestehenden Rechtsrahmens machen wird“, so der Jurist. Dieser Rechtsrahmen sei aber weitgehend „zahnlos“. Deshalb sei ein Alleingang Österreichs, wie es etwa Slowenien oder Niederlande bereits mit einem eigenen Gesetz für Netzneutralität getan haben, denkbar. „Wenn wir ein Problem sehen, soll man es regulieren.“

Auch van Schewick spricht sich für eine nationale Regelung aus, wenn die Verhandlungen auf EU-Ebene scheitern sollten. „Wenn ich Österreich wäre, würde ich Netzneutralitätsregeln erlassen. In Europa hat es sich nicht bewährt, dass der Wettbewerb es von allein regelt. Es gibt jede Menge Blocking und Verletzungen.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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