Johannes Gungl, RTR-Geschäftsführer, ist über den EU-Parlamentsentscheid zur Netzneutralität nicht erfreut.
Johannes Gungl, RTR-Geschäftsführer, ist über den EU-Parlamentsentscheid zur Netzneutralität nicht erfreut.
© APA/Georg Hochmuth

EU-Telekompaket

Netzneutralität: "Gefahr eines schmutzigen Kompromisses"

Die Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller Daten und Dienste im Netz, steht in Europa auf der Kippe. In der EU müssen sich die die Mitgliedstaaten, die Kommission und das Parlament auf eine gemeinsame Position einigen. Die EU-Länder haben in ihrem jüngsten Positionspapier allerdings den Begriff „Netzneutralität“ gänzlich gestrichen. Den Providern wird stattdessen sogar explizit die Möglichkeit eingeräumt, Spezialdienste anzubieten und Filter zu installieren, wie der "Spiegel" berichtete.

Die EU-Parlamentarier, die sich für die Erhaltung des offenen Internets einsetzen, sind erzürnt. „Im Moment wäre eine Verschiebung die beste Lösung“, erklärte der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon am Freitag zu der Causa. Die Parlamentarier hoffen, dass die nächste Ratspräsidentschaft nach Lettland eher zu einem Kompromiss bereit sein wird.

Österreichische Lösung?

Johannes Gungl , Geschäftsführer von der österreichischen Telekom-Regulierungsbehörde RTR , rechnet indes noch mit einer baldigen Einigung. Sollte es aber auf europäischer Ebene keine Einigung zur Netzneutralität geben, müsse man „für Österreich eine suchen“. Damit wiederholte Gungl seine Forderung vom Oktober 2014, für klare Regeln zur Netzneutralität.

„Es poppen immer mehr und mehr Themen, die die Netzneutralität betreffen, seitens der Netzbetreiber auf“, so Gungl, der bestätigte, dass es mit Betreibern Gespräche über „künftige Produkte“ gebe. Nähere Auskünfte könne er dazu keine erteilen, aber es betreffe Zero Pricing-Angebote der Mobilfunkanbieter, also die Nicht-Anrechnung von bestimmten Anwendungen auf das Datenvolumen.

"Roaming muss verschwinden"

Zum Thema Roaming-Gebühren sagte Gungl: „Roaming muss und wird verschwinden.“ Er sei allerdings für eine sanfte Reduzierung der Gebühren, eine zu schnelle Absenkung könnte zu „Reaktionen im Inland“ führen, also weiteren Preissteigerungen. „Wir sind in einem digitalen EU-Binnenmarkt. Das muss auch für die Kosten der Handynutzung gelten“, so Gungl. Auch bei der Abschaffung der Roaming-Gebühren sind die EU-Mitgliedsstaaten in den Verhandlungen allerdings auf die Bremse gestiegen. Die Forderung des EU-Parlaments, Roaming-Gebühren noch bis Ende 2015, sind schon lange vom Tisch. Stattdessen diskutieren die EU-Mitgliedsstaaten über Freigrenzen.

Politisch sind Roaming und die Netzneutralität durch das Telekom-Paket miteinander verknüpft. „Wie das abgetauscht und verknüpft wird - das werden wir sehen. Natürlich besteht die Gefahr, dass das am Ende des Tages ein sehr schmutziger Kompromiss wird, wo sowohl Netzneutralität unter die Räder kommt als auch die Roamingabschaffung später kommt", sagt Gungl.

Ob und auf was sich die EU-Mitgliedsstaaten, Kommission und Parlament einigen, wird sich diese Woche entscheiden – oder auch nicht. Wenn es zu keiner Einigung kommt, wird die Causa vertagt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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