© Fabrizio Bensch, reuters

New York Times

NSA spionierte deutsche Politik umfassend aus

„Sie saugen in Deutschland jede Telefonnummer auf, die sie können“, zitierte die „New York Times“ am Donnerstag einen früheren Geheimdienstmitarbeiter. Auch ranghohe Beamte und die Chefs von Oppositionsparteien seien Spionageziele, sowie die Anführer anderer befreundeter Staaten. Ob auch Österreich dazu zählt, berichtet die „Times“ nicht. Eine wichtige Quelle für Festnetz- und Handynummern sind dem Bericht zufolge US-Diplomaten.

Die „New York Times“ beschrieb das Vorgehen der NSA beim Bespitzeln ausländischer Politiker auf Grundlage von Interviews mit Kennern des Systems. Dem Geheimdienst geht es demnach nicht um Metadaten wie Informationen über die Dauer der Telefonate und die angerufenen Nummern, sondern eindeutig um die Inhalte. „Metadaten sind nur wertvoll, wenn man versucht, die Aktivitäten eines Terroristen oder Spions nachzuverfolgen“, sagte ein früherer Geheimdienstmitarbeiter der Zeitung.

Gesprächsinhalte monatelang gespeichert

Bei überwachten Politikern werden den Angaben zufolge die Gesprächsinhalte in riesigen Datenbanken gespeichert und stehen dort wochen- oder sogar monatelang zur Verfügung. Im NSA-Hauptquartier würden sich Heerscharen von Analysten über die Mitschriften der Telefonate beugen und streng vertrauliche Berichte verfassen, die anschließend an bestimmte Regierungsstellen weitergeleitet würden. Das größte Interesse an den Berichten bestehe im Außenministerium, im Finanzministerium, bei anderen US-Geheimdiensten sowie im Nationalen Sicherheitsrat von Präsident Barack Obama.

Einige Berichte enthalten den Angaben zufolge auch die abgehörten Telefonate in Rohfassung, wenn sie interessante Informationen liefern. Obamas Sicherheitsberater hätten das Ausspähen von internationalen Spitzenpolitikern wie Merkel daher kaum übersehen können, zitierte die „New York Times“ eine ihrer Quellen.

Regierungsviertel systematisch überwacht

Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ überwacht eine Spezialeinheit der US-Geheimdienste von der US-Botschaft in Berlin aus systematisch das Regierungsviertel. Merkels Mobiltelefon soll bereits seit 2002 im Visier des Spähtrupps sein. Am Mittwoch führten der außenpolitische Berater des Bundeskanzleramts, Christoph Heusgen, und Geheimdienstkoordinator Günter Heiß im Weißen Haus Gespräche über die NSA-Affäre. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Die deutsche Bundesregierung strebt aber ein Abkommen zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder an, das ein gegenseitiges Ausspionieren verbietet.

Obama hat eine Überprüfung der Arbeit der Geheimdienste angeordnet, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. Dabei könnte der Präsident US-Medien zufolge ein Ende des Ausspähens von Staats- und Regierungschefs befreundeter Staaten anordnen. Vergangene Woche hatte das Weiße Haus versichert, dass die US-Geheimdienste Merkels Handy „nicht überwachen und nicht überwachen werden“.

US-Geheimdienstdirektor James Clapper und NSA-Chef Keith Alexander hatten bei einer Anhörung im Kongress am Dienstag das Ausspähen von internationalen Spitzenpolitikern dagegen verteidigt. Clapper machte deutlich, dass auch die Europäer Ziele in den USA auskundschaften würden. Die US-Tageszeitung „Washington Post“ berichtete unter Berufung auf nicht genannte US-Beamte, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2008 versehentlich eine Liste an die US-Geheimdienste übergeben habe, auf der die Telefonnummern von 300 Menschen mit US-Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz in den USA gestanden seien.

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