© Franz Gruber, kurier

Handelsabkommen

Österreich: Regierung will ACTA prüfen

Der Widerstand gegen das Handelsabkommen ACTA (kurz für Anti-Counterfeiting Trade Agreement) nimmt zu. Nachdem Polen, Tschechien und Lettland die Ratifizierung des Abkommens ausgesetzt haben, haben auch Deutschland und Slowenien Bedenken angemeldet. Außenminister Michael Spindelegger versprach vor dem Hintergrund der Bedenken in mehreren Ländern eine genaue Prüfung des Abkommens durch die Bundesregierung.

"Noch genauer ansehen"
Spindelegger erklärte, dass die gegen ACTA in anderen Ländern vorgebrachten Bedenken „geprüft werden müssen“. „Wir werden uns das Abkommen in der Bundesregierung noch genau ansehen“, so Spindelegger vor Journalisten im Außenministerium in Wien. „Wir haben verfolgt, was sich in den anderen Ländern getan hat,“ so Spindelegger. Die Bedenken anderer Länder sowie jene der Betroffenen müssten bei der Entscheidung der Bundesregierung „mitbedacht werden“, erklärte er.

Eiertanz in der Regierung
Österreich hatte das Abkommen, ebenso wie 21 weitere EU-Mitgliedsstaaten Ende Jänner nach einem einstimmigen Beschluss des Ministerrats unterzeichnet. In der Bundesregierung hat es zuletzt einen regelrechten Eiertanz um das Abkommen gegeben. Federführend bei ACTA ist das Wirtschaftsministerium, das nach Angaben einer Sprecherin jedoch nur die Stellungnahmen und Weisungen der österreichischen Ministerien während der Verhandlungen koordiniert hat.

Neben dem Außenministerium, das für die Unterzeichnung und die Einbringung in den Ministerrat verantwortlich zeichnete, sind außerdem das Justizministerium, das Finanzministerium, das Innenministerium, sowie das im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie angesiedelte Patentamt mit dem Abkommen befasst.

Ball liegt beim Außenministerium
Derzeit liegt der Ball wieder beim Außenministerium, dass den Ministerratsvortrag zur Zuleitung von ACTA an das Parlament einbringen muss. Geschieht dies nicht, wäre der Ratifizierungsprozess gestoppt. Beschließt der Ministerrat die Zuleitung an das Parlament, wird über das Abkommen - nach der Behandlung in einem Ausschuss -  im Plenum abgestimmt. Ein Zeitplan für das Prozedere ist noch nicht bekannt.

In Österreich stehen mittlerweile vier der fünf Parlamentsparteien dem Abkommen kritisch bis ablehnend gegenüber. FPÖ-Europaabgeordneter Andreas Mölzer kritisierte ACTA am Montag in einer Aussendung als „Rückschritt in den Vormärz“. Der vorliegende Entwurf bedeute „weniger einen verbesserten Schutz des Urheberrechts, sondern vielmehr eine Kontrolle und Überwachung der Internetnutzer“, so Mölzer. Zuvor hatten sich bereits Grüne, BZÖ, SPÖ-Europaabgeordnete sowie der fraktionslose österreichische EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser kritisch zu ACTA geäußert.

Koalitionsstreit in Deutschland
In Deutschland entbrannte wegen des Abkommens bereits ein Koalitionsstreit. FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzte die Unterzeichnung durch Deutschland aus und brachte eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ins Spiel. Ministeriumssprecher Anders Mertzlufft wies darauf hin, dass dies eine Verzögerung von ein bis zwei Jahren nach sich zöge.

Der große Regierungspartner Union reagierte verschnupft. Unions-Vizefraktionschef Günter Krings warf der Ministerin einen Alleingang vor. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, ACTA sei „notwendig und richtig“ im Kampf gegen Produkt- und Markenfälschungen. Wenn jetzt neue Fragen aufgetaucht seien, sei die Regierung offen, diese klären zu lassen.

Slowenien: Zweitgrößte Regierungspartei auf Distanz
In Slowenien ging die zweitgrößte Regierungspartei DLV (Bürgerliste Gregor Virant) auf Distanz zu ACTA. Ohne vertiefte öffentliche Diskussion über ACTA und seine Auswirkungen werde man das Abkommen nicht ratifizieren, teilte die liberale Partei laut Medienberichten vom Montag mit. Das „Anonymous“-Kollektiv hatte zuvor ihren Druck auf die slowenischen Behörden verstärkt und mehrere Websites, darunter jene der Demokratischen Partei (SDS) von Premier Janez Jansa, lahmgelegt. Ebenfalls angriffen wurde die Homepage des Konsumentenverbandes ZPS, des rechtsgerichteten Magazins „Reporter“ sowie der Autorenvereinigung SAZAS.

EU-Parlament kann Abkommen kippen
Kritiker befürchten, dass mit dem von USA, EU und Japan federführend ausgehandelte Abkommen zur Bekämpfung von Produkfälschungen zu Internet-Überwachung und Einschränkungen der Meinungsfreiheit führt.

In Österreich und anderen europäischen Ländern gab es am Wochenende Demonstrationen gegen ACTA. Das EU-Parlament muss dem Abkommen noch zustimmen. Eine Mehrheit für den umstrittenen Pakt gilt mittlerweile alles andere als sicher. Scheitert das Vertragswerk in der EU-Volksvertretung, ist es Makulatur.

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