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Gesperrt

Russland will Netzsperren weiter verschärfen

Etwa 10.000 Internetseiten sind für Internetbenutzer in Russland gesperrt. Trotzdem plant der Kreml weitere Einschränkungen. Die Rede ist von höheren Geldstrafen, auch sollen Suchmaschinen zu stärkerem Filtern genötigt werden. Bereits jetzt bestehen beachtliche rechtliche Möglichkeiten zu Sperrung von Webseiten. Diese sollen etwa dem Schutz von Kindern und der Bekämpfung von Kinderpornografie dienen, sowie dem Vorgehen gegen Extremismus und Urheberrechtsverletzungen. „Der Zugriff auf die von ihnen gewünschte Seite ist aufgrund von gesetzlichen Anforderungen und/oder einer Gerichtsentscheidung eingeschränkt“ heißt es etwa seit mehr als einem Jahr, wenn Internetnutzer in Russland auf ej.ru, grani.ru oder kasparov.ru zugreifen wollen.

Oppositions-Medien

Diese drei wichtigen Onlinemedien der russischen Opposition waren im März 2014 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gesperrt worden - angeblich, weil sie extremistische Informationen veröffentlicht haben. Da die Behörden gleichzeitig jedoch nicht mitteilen, welche Inhalte konkret inkriminiert werden, konnten diese auch nicht gelöscht werden. Alle Versuche von ej.ru, grani.ru und kasparov.ru wieder von der Sperrliste zu kommen, sind bisher gescheitert.

Erst am 28. April diesen Jahres wies das Moskauer Stadtgericht eine diesbezügliche Beschwerde von ej.ru zurück. Nunmehr wollen die Medieninhaber als letzte rechtliche Chance den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einschalten.

Mehr als 665.000 Seiten gesperrt

Möglich wurden diese Internetblockaden durch jene Gesetze, die seit 2012 offiziell von der russischen Staatsduma beschlossen wurden. Der Vizechef der Medienbehörde Roskomnadsor, Maksim Ksensow, sprach bei einer Tagung diese Woche in Moskau von 9.200 blockierten Seiten im Internet. Die von Internetaktivisten betriebene Webseite rublacklist.net zählt 665.055 Internetseiten auf, die auf Basis gesetzlicher Bestimmungen in Russland seit 2012 zumindest vorübergehend nicht zugänglich waren, und führt derzeit 10.040 gültige Sperrungen an.

40 Prozent der betroffenen Seiten sind laut rublacklist.net dabei auf Initiative der russischen Antidrogenbehörde blockiert, 25 Prozent im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Kinderpornografie durch Roskomnadsor, der Rest durch Gerichte und die Generalstaatsanwaltschaft. Letztere ist für politische Delikte zuständig, die in Russland äußerst breit definiert werden: Bereits der Aufruf, an einer Demonstration teilzunehmen, die nicht oder noch nicht von den staatlichen Behörden bewilligt wurde, gilt als Extremismus und führte wiederholt etwa zur Sperre einschlägiger Facebook-Gruppen.

Suchmaschinen im Visier

Trotz dieser schon bisher vorhandenen Möglichkeiten feilen Parlamentarier mit Unterstützung der „Liga für ein sicheres Internet“ an weiteren Verschärfungen. Diese zunehmend einflussreiche „Liga“, in deren Beirat einflussreiche Politiker, sowie Vertreter von Strafverfolgungsbehörden, russisch-orthodoxer Kirche und Kommunikationsbranche vertreten sind, war 2011 vom Rechtsaußen-Oligarchen Konstantin Malofejew gegründet und maßgeblich in die Verschärfung von Internet-Gesetzen involviert.

Zwar scheint laut einem Bericht der Tageszeitung „Kommersant“ der Vorschlag der „Liga“, alle russischen Internetprovider zu einer teuren Vorwegfilterung aller übertragenen Inhalte zu zwingen, einstweilen nicht durchsetzbar zu sein. Andere vom Malofejew-Verein forcierte Initiativen, insbesondere in Bezug auf Suchmaschinen, haben hingegen große Chancen auf eine baldige Umsetzung.

Vorbild Großbritannien

So forderte am Dienstag die prominente Duma-Abgeordnete Jelena Misulina von der Partei Gerechtes Russland, dass Suchmaschinen künftig alle illegale Informationen vorweg aus den Suchergebnissen filtern müssten. Sie kritisierte die Medienaufsichtsbehörde Roskamnadsor unerwartet scharf für ihre diesbezügliche Untätigkeit. Auch der britische Premierministers David Cameron habe schließlich im Zusammenhang mit Kinderpornografie Druck auf Google ausgeübt, erzählte sie.

„Zudem werden wir in der allernächsten Zeit einen Gesetzesvorschlag einbringen, der Geldstrafen für Verstöße gegen das Gesetz zum Schutz von Kinder vor gesundheits- und entwicklungsschädlichen Informationen um das mehrere Dutzend Male erhöhen wird“, sagte Misulina. Die aktuellen Strafen von 2.000-3.000 Rubel (35-53 Euro), so sagte sie, seien etwa angesichts von 1.000.000 Rubel-Strafen (17.000 Euro) bei Verstößen gegen das Demonstrationsrecht viel zu gering.

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