© Boris Roessler, apa

Apps for Education

Schülerdaten: "Vertraue, dass sich Google an Vertrag hält"

18.000 Studierende der Universität Salzburg haben keine Wahl: Wer dort studiert, wird automatisch dazu gezwungen, seine Kommunikation mit der Universität via Google abzuwickeln. Betroffen davon ist unter anderem der gesamte E-Mail-Verkehr. Auch drei Allgemein Bildende Höhere Schulen in Wien sind bereits auf das Google-Angebot für Bildungseinrichtungen „Apps for Education“ umgestiegen.

Das weltweite Programm, mit dem der US-Konzern Schülern und Studierenden kostenlose Tools wie Kalender, E-Mails und andere Werkzeuge zum kollektiven Arbeiten zur Verfügung stellt, wird von rund 30 Millionen Personen weltweit genutzt. Die Unis ersparen sich dadurch viel Geld. Bei der Uni in Salzburg etwa kommt man jährlich auf eine „niedrige sechsstellige Summe“, wie vom IT-Verantwortlichen in Erfahrung zu bringen war.

Profiling

Doch welchen Preis müssen die Schüler und Studierenden dafür zahlen? Laut jüngsten Informationen werden ihre Daten nämlich systematisch gesammelt und ausgewertet. Sämtliche E-Mails der Schüler und Studierenden werden laut Aussagen einer Google-Sprecherin gescannt und indiziert. Doch werden die Daten auch dafür herangezogen, Profile zu bilden?

Im US-Bundesstaat Kalifornien beschäftigt sich, wie bereits gestern berichtet, gerade ein Gericht damit. Dort haben zwei Studierende Google geklagt. Auch sie wurden, ähnlich wie auf der Uni Salzburg, von der Bildungseinrichtung dazu verpflichtet, den Mail-Service von Google zu nutzen.

Uni Salzburg wartet ab

„Wir verfolgen die Entwicklung in Amerika sehr genau und warten ab, ob sich der Verdacht bestätigt. Wir werden dementsprechend weitere Schritte planen“, erklärt Thomas Wenninger, einer der IT-Verantwortlichen der Uni Salzburg, auf futurezone–Anfrage. Die Uni Salzburg hat die Umstellung auf den kostenlosten Google-Service im Dezember 2010 vollzogen. Damals sei der Vertrag von einem Rechtsexperten auf Konformität mit nationalen Datenschutzgesetzten geprüft und freigegeben worden, so Wenninger.

Nicht nur an der Salzburger Universität, sondern auch am BRG1 (Schottenbastei) und zwei weiteren Schulen in Wien wird das Google-Bildungsangebot von Schülern und Lehrern genutzt. Der interne Lehrerverteiler läuft über Google Groups, die Webseite der Schule wurde mit Google-Diensten erstellt und alle Schüler und Lehrer haben Google-Mail-Adressen, wie der Netzwerk-Betreuer Christian Haschek der futurezone erzählt.

"Ich vertraue Google"

Dem EDV-Betreuer war von Anfang an klar, dass Google die E-Mails scannt und indiziert. „Das müssen sie schon alleine zur Spam-Überprüfung machen. Außerdem gehört es zum Google-System dazu. Andernfalls würde die Suche in den E-Mails nicht so schnell funktionieren“, erklärt Haschek, der sich auch den Vertrag mit Google genau durchgelesen hat. Da steht nämlich drinnen, dass keine persönlichen Daten analysiert werden dürfen.

Google erklärt Scan

Google Österreich verwies am Donnerstagabend auf ihre Privacy Policy für "Google Apps for Education". Demnach ist das Programm für Schüler und Studierende werbefrei - und zwar hinweg über alle Google-Plattformen (d.h. auch die Google-Suche, alle YouTube-Channels, etc.). Die E-Mails werden aber tatsächlich gescannt und indiziert - und zwar aus verschiedenen Gründen wie etwa zum Zwecke der Rechtschreibprüfung, als Spam-Filter sowie als Anti-Viren-Schutz. In Google Drive werden zudem keine Dokumente zu Werbezwecken gescannt, heißt es in dem Dokument.

Doch hier könnte es natürlich Schlupflöcher geben. Daran glaubt Haschek allerdings nicht. „Ich vertraue Google, dass sie sich an den Vertrag halten und die Daten der Schüler nicht in der Datengrube des Konzerns landen.“ Für den EDV-Betreuer ist es zudem wichtig, dass den Schülern keine Werbung angezeigt wird, solange sie eingeloggt sind und Google-Apps nutzen. Haschek sieht keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Beim BRG1 in Wien kommen daher auch Chromebooks von Google zum Einsatz.

Datenschützer alarmiert

Datenschützer sehen das freilich anders: „Der Blick auf die Daten lässt eine tiefergehende Analyse zu und das Schlimme daran ist, dass die Schüler und Studierenden keine Entscheidungsfreiheit haben, ob sie Google nutzen möchten oder nicht“, sagt Georg Markus Kainz vom Datenschutzverein quintessenz.

„Es ist nun einmal das Kerngeschäft von Google, dass sie Daten analysieren, aufbereiten und verkaufen. Natürlich wird Google die Inhalte scannen und sie in Folge richtig einsortieren. Somit werden unsere Schüler- und Studenten-Daten einfach verkauft“, sagt Kainz. „Headhunter könnten mit den Daten viel anfangen und sich die besten Studierenden frühzeitig raussuchen“, so Kainz. „Personenbezogene sensible Daten wie zum Beispiel Noten werden seitens unserer Universität nicht an die Studierenden direkt gesendet“, entgegnet Wenninger von der Uni Salzburg.

Für den Datenschützer ist es dennoch ein „Etikettenschwindel“, wenn jemand eine E-Mail-Adresse von der Uni bekommt, diese aber auf Google-Servern außerhalb des Landes in verschiedensten Rechenzentren der Welt gehostet wird. Aus Googles Privacy Policy für "Apps for Eduction" geht klar hervor, dass die Mails der Studierenden auf denselben Servern gehostet werden wie die Mails von "normalen" Gmail-Nutzern. Im Zeitalter der NSA-Enthüllungen ist dies wohl tatsächlich kein erstrebenswertes Szenario. „Wenn es beispielsweise um exklusive Forschungsarbeiten geht darf man auch das Szenario Betriebsspionage nicht außer Acht lassen“, warnt Kainz.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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