Digitale Stromzähler messen viel zu hohen Verbrauch
Digitale Stromzähler messen viel zu hohen Verbrauch
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Österreich

Smart-Meter-Rebellen kämpfen gegen Stromnetzbetreiber

Maria F. (Name von der Redaktion geändert) will keinen neuen, intelligenten Stromzähler. Sie will nicht, dass das Messgerät aus der Ferne ein- und ausgeschaltet werden kann und Daten im 15-Minuten-Intervall gespeichert werden. Die Managerin eines oberösterreichischen Unternehmens bekam vor kurzem von ihrem Netzbetreiber einen Brief. Darin wurde ihr der Austausch ihres mechanischen Ferraris-Zähler in einen neuen, digitalen Zähler angekündigt. Die Managerin hatte jedoch etwas von dem „Opt-Out“-Recht, also der rechtlichen Möglichkeit, den neuen, intelligenten Zähler abzulehnen, gehört. Sie verweigerte daraufhin den Austausch schriftlich.

"Alte Zähler werden abmontiert"

Nach mehreren Briefwechseln folgten Telefonate mit Service-Mitarbeitern. Auf die Frage, was passiere, wenn sie den Austausch des Zählers verweigere, weil Sie keine Fernabschaltfunktion möchte, sagte ein Mitarbeiter zu ihr: „Dann wird der alte Zähler abmontiert.“ Sie fragte nach: „Heißt das, ich habe keinen Anspruch mehr auf Stromversorgung?“ Der Service-Mitarbeiter: „Das ist korrekt.“

Die futurezone fragte bei der Linz AG nach bekam folgende Antwort zu dem Vorfall: „Den Kunden wird der Strom nicht abgedreht. Wenn der Kunde einer Terminvereinbarung zum Zählerwechsel nicht nachkommt, wird ein Streitschlichtungsverfahren bei der E-Control angekündigt.“ Bei Maria F. ist dies der Fall. Die Kosten für die außergerichtliche Regulierung von Beschwerden durch die Behörde muss sie selbst tragen.

Seitens der Linz AG heißt es weiter: „Die Aussagen können nicht nachvollzogen werden. Die Mitarbeiter sind im Kundenumgang geschult. Die Mitarbeiter sind angehalten, Fragen welche über die Standardabwicklung hinausgehen (was für diese Fragestellung zutrifft), an den Roll out-Verantwortlichen weiterzuleiten. Dieser führt dann die Abstimmung mit dem Kunden durch. Im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses werden wir dies aber als Anlass für eine nochmalige Schulung nehmen.“

Zwangsverpflichtung statt Nutzen

Maria F. ist nicht die einzige, die keinen sogenannten intelligenten Stromzähler installiert bekommen möchte. Peter M., ebenfalls Geschäftsmann aus Oberösterreich und Kunde der Linz AG, hält die Umstellung für „Geschäftemacherei“. „Unter Intelligenz versteht man die Summe aller kognitiver Fähigkeiten. Die intelligenten Stromzähler können damit nicht gemeint sein.“ Für beide ist alleine die Umstellung auf ein digitales Gerät eine „Zwangsverpflichtung“, die es aber aufgrund des Opt-Out-Rechts nicht geben dürfte.

„Grundsätzlich besteht die Möglichkeit ab Verständigung vom bevorstehenden Tausch einen Widerspruch zu erklären. Allerdings führt dies nicht dazu, dass der Gerätetausch als solches verhindert werden kann, sondern eben eine Deaktivierung von Funktionen erfolgt. Bei den Geräten der Linz Strom Netz GmbH würde ein neuer Zähler erst dann zum Smart Meter, wenn danach auch die zweiseitige Datenanbindung erfolgt. Beim neuen Zähler der Netz Oberösterreich GmbH wird einfach die Aufzeichnung der 15-Minuten-Messwerte deaktiviert“, erklärt Robert Wurzinger, von der Abteilung Konsumentenschutz bei der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK).

Aus der Ferne abgeschaltet

Das bedeutet übersetzt: Das digitale Gerät, das den Kunden installiert werden soll, ist im Prinzip schon ein Smart Meter. Nur werden die diversen „smarten Funktionen“ per Software abgestellt. Eine dieser Funktionen ist etwa die Möglichkeit, den Strom aus der Ferne abzudrehen. „Das gilt allerdings nicht für Kunden mit Zahlungsverzug“, erklärt die Linz AG der futurezone. "So die E-Control." Maria F. könnte dann, wenn sie nicht rechtzeitig ihre Rechnungen zahlt, mit einem Mausklick ohne Strom sein – auch wenn sie den intelligenten Zähler verweigert hat.

Leo Kammerdiener, Ingenieur von der E-Control, betonte vor kurzem bei den Energietagen in Wien, dass die Bezeichnung des digitalen Standardzähler (DSZ), die im Juli neu in die Marktregeln aufgenommen wurde, „in Wirklichkeit Opt-Out-Zähler sind“ - also vor allem dazu da sind, um besorgte Kunden zu beruhigen. Der Grüne Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser sieht darin „den Versuch zu schummeln, um das von den Netzbetreibern ungeliebte Opt-Out zu umgehen. So lange eine zeitnahe Übermittlung der Zählerwerte erfolgt, handelt es sich um einen intelligenten Stromzähler und wird das gesetzlich vorgesehene Opt-out umgangen.“

"Bin vom Dienstleister abhängig"

Kunden wie Maria F. oder Peter M. lassen sich nicht so leicht täuschen. Auch der technikaffine Markus W., der aus dem Burgenland kommt und dessen Netzbetreiber ihm angekündigt hat, dass er einen digitalen Zähler bekommt, bei dem softwareseitig eingestellt wird, dass keine 15-Minuten-Werte ausgelesen werden können, ist erzürnt: „Ein Betrieb, der in Zeiten von Hackerangriffen bis hin zur Fernkontrolle von Fahrzeugen so argumentiert, genießt mit Sicherheit nicht mein Vertrauen. Leider bin ich von diesem Dienstleister aber abhängig.“

Ihm ist auch voll und ganz klar, dass eine Funktion, die nur softwareseitig deaktiviert wird, ein Problem darstellt. "Wenn man aus einem Fernseher die Programme löscht, dann bleibt er ja auch ein Fernseher, oder wenn ich alle Programme von einem Computer lösche, dann bleibt das Gerät trotzdem ein Computer!"

Konfiguration mitprotokollieren

„Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, wenn die Fernabschaltfunktion zwar hardwaremäßig im Gerät vorhanden ist. Dann muss aber die Zählerkonfiguration mitprotokolliert werden, damit genau nachvollzogen werden kann, in welchem Zeitraum von Datum X bis Y es eine andere Konfiguration gegeben hat. Damit lässt sich der Zählerpark möglichst homogen halten und im Gesamtsystem kommt es zur Kostenersparnis“, sagte Leo Kammerdiener von der E-Control vor den Netzbetreibern zur Fernabschaltfunktion.

Bei der Linz AG will man spätestens Ende 2015 die bidirektionale Kommunikation mit einer Sonderparametrierung deaktivieren. Die Linz AG hat derzeit laut eigenen Angaben bisher 57 Opt-Out-Wünsche der Kunden umgesetzt. Neue Wünsche werden derzeit allerdings keine mehr aufgenommen, denn der Netzbetreiber hat seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) angepasst. „Der Wunsch eines Netzkunden, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, kann erst nach der Ankündigung des Netzbetreibers über den geplanten Einbau eines intelligenten Messgerätes berücksichtigt und bearbeitet werden. Erklärungen des Netzkunden vor diesem Zeitpunkt sind wirkungslos und werden vom Netzbetreiber nicht berücksichtigt“, heißt es darin.

Mieterwechsel verhindern Opt-Out

Die Begründung: „Die Vorgangsweise wurde deshalb gewählt, da insbesondere in Linz sehr häufig Mieterwechsel stattfinden. Da zwischen der Bekanntgabe eines Opt-Out Wunsches und dem tatsächlichen Zählerwechsel theoretisch einige Jahre vergehen können, ist ein Mieterwechsel nicht auszuschließen und der Opt-Out-Wunsch wäre dann an einem anderen Wohnungsort zu berücksichtigen.“

Die futurezone wird weiterhin über dieses Thema berichten.

Die Einführung der intelligenten Stromzähler, die bis 2019 95 Prozent der alten mechanischen Stromzähler ersetzen sollen, schreitet voran. Derzeit wurden rund 300.000 Ferraris-Zähler durch neue, digitale Zähler ersetzt. In Oberösterreich wurden bisher die meisten neuen Zähler (rund 100.000) installiert. Zuständig ist hierfür immer der Netzbetreiber, der Eigentümer des Zählers ist. Diese sind Eigentümer der Stromzähler und können im Prinzip selbst entscheiden, was sie den Kunden für einen neuen Zähler hinhängen.

Widerspruch

Kunden, die keinen neuen intelligenten Zähler (Smart Meter) möchten, haben per Gesetz die Möglichkeit eines „Opt-out“-Rechts. Sie können also Widerspruch gegen intelligente Messgeräte einreichen. Netzbetreiber gehen mit diesem Recht der Kunden allerdings unterschiedlich um. Manche verweigern den Kunden derzeit die Möglichkeit des Opt-Outs und vertrösten diese auf einen späteren Zeitpunkt.

Marktregeln

Laut den jüngsten Marktregeln gelten digitale Standardzähler (DEZ) außerdem nicht als "intelligente Messgeräte", ergo, Kunden können digitale Standardzähler nur schwer - nämlich gar nicht - verweigern. Ob dies tatsächlich gesetzeskonform ist, wird sich nun in Streitschlichtungsverfahren und eventuell auch Gerichtsverfahren zeigen. In den Marktregeln sind auf jeden Fall die Unterschiede zwischen digitalen Standardzählern und intelligenten Stromzählern festgelegt. Diese basieren auf Software-Änderungen, Hardware-mäßig sind beide nämlich gleich.

"Prüfen Verfassungsklage"

Albert Steinhauser ist Austria-Mitglied und Justizsprecher der Grünen.
Was kann man den Kunden, die von ihrem Opt-Out-Recht Gebrauch machen wollen, nun raten? „Wenn der Netzbetreiber das Opt-out ignoriert ist ein Tipp, wie man damit umgeht sehr schwierig. Eine Klage am Zivilrechtsweg ist teuer und langwierig und die Verweigerung eines digitalen Zählers riskant. Jedenfalls sollte dokumentiert werden, dass man keinen Smart Meter – egal in welcher Form –- wollte. Wir prüfen derzeit gemeinsam mit Datenschutz-NGOs, ob es die Möglichkeit gibt die derzeitige Vorgangsweise und das Ignorieren des Opt-Out vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen. Sollte das gelingen, kann man sich dann auf sein Opt-Out berufen“, sagt der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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