© Jakob Steinschaden

Ägypten

„Social Media hat Revolution den Weg geebnet“

„Social Media hat die Menschen mobilisiert.“ Die ägyptische Bloggerin Noha Atef ist davon überzeugt, dass Facebook, YouTube, Twitter und Blogs die #Jan25-Revolution in die Wege geleitet haben – und das, nachdem mehrere Experten auf der Konferenz re:publica in Berlin sich vom Gegenteil überzeugt

. Atef betreibt den Blogwww.tortureinegypt.net, wo sie gewalttätige Vergehen der Polizei gegen Bürger gemeinsam mit anderen dokumentiert. Ihr zufolge hat Social Media der Revolution den Weg geebnet.

„Die Ägypter haben die neuen Medien schnell angenommen“, so Atef. Schon vor den Protesten hätte es (bei insgesamt 21 Millionen Internetnutzern) 4,5 Millionen Facebook-Mitglieder im Land gegeben. Damit sei Ägypten das größte arabische Land in Sachen Facebook-Nutzung gewesen. Twitter-Accounts hätte es damals 26.800 gegeben. Ihre Landsleute, so Atef, seien gegenüber der Veröffentlichung von Fotos und Berichten im Internet immer schon sehr aufgeschlossen gewesen. „Sie glauben daran, dass das Internet ihre Meinung verbreitet.“

Drastische YouTube-Videos
Neben Facebook und der zentralen Seite „We all are Khaled Said“, die vom Google-Manager Wael Gonim gegründet wurde, hätte vor allem YouTube dazu beigetragen, die Bevölkerung anzustacheln. YouTube-Videos hätten einer breiten Öffentlichkeit die Polizeigewalt gegen Bürger vor Augen geführt. „Das ist ein machtvolles Werkzeug, wenn man weiß, wie man es benutzt“, sagt Atef. „Lesen ist nicht dasselbe wie Augenzeuge sein.“

Was allerdings oft vergessen werde, seien die vielen Mini-Revolutionen, die #Jan25 vorausgegangen waren. Zwischen April 2009 bis Mai 2010 hätte es in Ägypten 169 Sit-Ins, 112 Streiks, 87 Demos und 63 Protestmärsche gegeben. „Revolutionen passieren nicht über Nacht“, so Atef. Ein weiterer Auslöser sei dann das Abschalten der Netze durch die Regierung gewesen. „Viele dachten, wenn das Internet und der Mobilfunk abgedreht wird, muss etwas Ernstes passiert sein“, sagt die Bloggerin.

Dokumentation der Geschichte
Auch während und nach den Straßenprotesten war Social Media in Ägypten ein wichtiges Werkzeug. So wurden Handys und Computer genutzt, um in Wort, Bild und Ton die „Geschichte des Landes“ zu dokumentieren. Auf Iwasintahrir.com etwa würden sich Menschen stolz als Teilnehmer des Umsturzes markieren, so Atef. Die Twitter-Nutzer hätten sich seither verdoppelt.

Auch der deutsche Journalist und Blogger Richard Gutjahr berichtete auf der re:publica vom Social-Media-Einsatz in Ägypten zu der Zeit der Straßenkämpfe. Er selbst hätte seinen Blog direkt vom Tahrir-Platz via Smartphone und Notebook befüllen können. Trotz Abschaltung des Handynetzes hätte er problemlos online gehen können. „Es gab keinen Jugendlichen am Tahrir-Platz, der nicht bei Facebook angemeldet war“, sagte Gutjahr. Insofern sei Social Media doch ein wichtiger Faktor gewesen. Im Nachsatz: „Ich fand es beruhigend, dass Revolutionen auf der Straße stattfinden und nicht nur virtuell.“

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