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Anonymisierungsdienst

Strafe für Tor-Betreiber: Grazer Urteil wirft Fragen auf

Am Montag wurde der 22-jährige IT-Administrator William W. nach eigenen Angaben vom Landesgericht für Strafsachen in Graz zu drei Jahren Bewährung (anstatt drei Monate Haft) wegen Beitragstäterschaft zur Verbreitung von Kinderpornografie verurteilt. W. betrieb unter anderem in seiner Grazer Wohnung Exit Nodes, also Server, für das Anonymisierungsnetzwerk Tor, das es Nutzern erlaubt, anonym im Internet zu surfen.

Über diese Server dürfte offenbar auch kinderpornografisches Material von Dritten gegangen sein, die W.s Exit Nodes für strafrechtlich relevante Handlungen missbrauchten. Jedenfalls geriet W. 2012 im Zuge von Ermittlungen gegen einen Kinderpornoring ins Visier der Staatsanwaltschaft. Damals kam es auch zu einer Hausdurchsuchung, bei der zahlreiche Computer beschlagnahmt wurden. Der Fall sorgte für Aufsehen und wurde von W. auch in einem Blog dokumentiert.

"Beitragstäter"

Nach eigenen Angaben wurde W. verurteilt, weil das Gericht in ihm einen Beitragstäter sah. Laut Paragraf 12 Strafgesetzbuch ermöglicht oder erleichtert ein Beitragstäter dem Täter die Tat vorsätzlich. Leitet sich ein solcher Vorsatz lediglich aus dem Betreiben von Tor Exit Nodes ab, könnte dies weitreichende Folgen - nicht nur für den Betrieb von Tor-Servern - haben. Das Blog Blackout Austria empfiehlt etwa bis zum Vorliegen des schriftlichen Urteils, Serverdienste (Jabber, IRC, VPN, Tor Exit Nodes, Tor Relays), bei denen Daten Dritter übermittelt werden, vom Netz zu nehmen.

Das Landesgericht für Strafsachen in Graz wollte gegenüber der futurezone zu dem Urteil keine Stellungnahme abgeben. Eine Sprecherin des Gerichts bestätigte lediglich, dass es bei der Verhandlung am Montag zu dem Urteilsspruch (Teilfreispruch) kam. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wurde auch noch nicht ausgefertigt. Die zuständige Richterin war am Donnerstag für die futurezone nicht erreichbar.

"I don't give a fuck"

Begründet wurde die Beitragstäterschaft, laut einem Bekannten W.s unter anderem damit, dass er im Rahmen eines Interviews bei einer Konferenz auf die Frage, ob ihm bewusst sei, dass Tor auch zur Verbreitung von Kinderpornografie genutzt werden könne, geantwortet habe: "I don't give a fuck." (sinngemäß: "Es ist mir egal.")

W. selbst verweist auf seinem Blog auch darauf, dass die Staatsanwaltschaft aus Chatlogs zitierte, in denen er Tor zum anonymen Hosting von allem, auch Kinderpornografie, empfahl. Das Zitat sei jedoch aus dem Zusammehang gerissen, schreibt W.. Er wollte im Zuge des Chats Informationen zu Botnets erlangen, die er später unter anderem an den ZeuS Tracker weitergegeben habe.

Das Tor-Netzwerk wird dazu genutzt, um anonym im Netz zu surfen und kommt auch zur Vermeidung von Zensurmaßnahmen in autoritären Regimen, wie dem Iran oder China zum Einsatz. Nach den Enthüllungen über die Internet-Überwachung der US- und anderer Geheimdienste greifen wohl auch verstärkt Personen darauf zu, die auf ihre Privatsphäre Wert legen.

Auch in Graz werden nach Angaben einer W. nahestehenden Person rund zehn bis 15 Relays betrieben, die es etwa syrischen Staatsbürgern ermöglichen sollen, Kontakt zu ihren Familien herzustellen. Die Betreiber befürchten nun, dass ihnen ähnliches passieren könnte. Denn auch W. sagte 2012, nach einer Hausdurchsuchung, dass er die Tor-Server hauptsächlich deshalb betreibe, um es Menschen zu ermöglichen, unzensierten Zugang zum Internet zu haben.

Betrieb von Tor-Servern zulässig

Lässt sich aus dem Urteil also der Schluss ableiten, dass der Betrieb von Tor-Servern in Österreich strafbar ist? "Nein", sagt der Salzburger Richter und Betreiber der Website Internet4Jurists, Franz Schmidbauer, zur futurezone. Der Betrieb von Tor-Servern sei grundsätzlich zulässig, denn laut Paragraf 13 des E-Commerce-Gesetzes, das auch auf den Betrieb von Tor-Servern angewendet werden könne, ist ein Diensteanbieter für die übermittelte Information nicht verantwortlich, sofern er bestimmte Bedingungen erfüllt.

Eine, nach Angaben W.s und seinem Umfeld von der zuständigen Richterin am Landesgericht behauptete Beitragstäterschaft, könne nur dann gegeben sein, wenn der Betreiber Straftaten bewusst gefördert oder bewusst zugelassen habe. Das Wissen um die allgemeine Möglichkeit des Missbrauchs von Anonymisierungsnetzwerken für strafbare Handlungen reiche nicht aus, um einen Vorsatz zu begründen. "Ein Vorsatz wird es dann, wenn bewusst in Kauf genommen wird, dass strafbare Handlungen über den eigenen Server getätigt werden", sagt Schmidbauer.

W. will nicht gegen das Urteil berufen. In seinem Blog begründet er das damit, dass er sich weitere Anwaltskosten nicht leisten könne und den Fall nach zwei schwierigen Jahren, in denen sein privates und berufliches Umfeld überwacht wurde, hinter sich lassen wolle. Wenn es zu keiner Berufung kommt, wird es nur eine "Kurzzusammenfassung" des Urteils geben. Die Hintergründe werden für die Außenwelt "unkonstruierbar" bleiben. Der Verband der österreichischen Internetwirtschaft (ISPA) hat am Donnerstag deshalb eine Akteneinsicht beantragt.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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Patrick Dax

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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Barbara Wimmer

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