Überwachung kommt schlecht an
Überwachung kommt schlecht an
© novy gilbert

Forschung

Überwachung: "Ohne Vertrauen der Bürger geht es nicht"

25 Jahre ist es her, dass die Berliner Mauer zerstört wurde. „Wir haben vor wenigen Tagen das Ende eines repressiven Regimes, das auf Überwachung aufgebaut war, gefeiert“, sagt Johann Cas vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA). „Nun sollen neue, virtuelle Mauern aufgebaut werden. Wir sollten vorsichtig sein, dass nicht die gleiche Art von Repression wieder aufgebaut wird“, so der Forscher, der am Donnerstag in Wien die Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts surPRISE (PDF) präsentiert hat.

In neun europäischen Städten wurden dazu sogenannte „Citizen Meetings“ einberufen, um über das Verhältnis von Überwachung und Sicherheit zu diskutieren. Unter Einsatz dieses Bürgerbeteiligungsverfahrens wurden im Rahmen des Projekts Empfehlungen für die EU entwickelt, wie sie mit dem Spannungsfeld Sicherheit vs. Überwachung umgehen soll.

"Sorgen der Bürger ernst nehmen"

„Um Überwachungstechnologien einzusetzen, bedarf es einen klaren rechtlichen Rahmen und Kontrollen. Die Technologien müssen außerdem effizient sein, andernfalls sollten alternative Maßnahmen geprüft werden“, erklärt Cas die wichtigsten Maßnahmen. „Außerdem sollten die EU sowie die Nationalstaaten die Sorgen der Bürger sollte sehr ernst nehmen“, sagt Cas. Deshalb sei es für die einzelnen EU-Staaten wichtig, die Bürger früh in technologiegetriebene Prozesse einzubeziehen, so der Forscher. „Betroffen von den Maßnahmen sind immer die Bürger. Deshalb sollte man sie auch als erste konsultieren und sich dann gemeinsam mit diesen adäquate Lösungen für bestimmte Probleme überlegen, und nicht umgekehrt.“

Derzeit würden derartige Prozesse, die der Sicherheit der Bevölkerung dienen sollen, jedoch die Privatsphäre des Einzelnen einschränken, oft umgekehrt passieren und dadurch in Folge auf breite Ablehnung bei der Bevölkerung stoßen. Das sei etwa bei den Körperscannern passiert, erklärt Michael Friedewald vom Fraunhofer ISI Institut aus Deutschland. Friedewald hat in Wien die Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts PRISM vorgestellt, das sich ebenfalls mit der Thematik Überwachung vs. Sicherheit beschäftigt hat.

Smart Meter-Einführung kontrovers

Eine Entwicklung, die bei den befragten Europäern in diesem Kontext äußerst kontrovers diskutiert wurde, ist die Einführung von intelligenten Stromzählern (Smart Metern) in der EU. „50 Prozent waren dafür, 50 Prozent dagegen. Die Befürchtungen waren, dass die neuen Zähler nicht effektiv sind und sie für eine Energiewende nicht benötigt werden“, so Friedewald. „Mein Eindruck ist: Die Einführung von Smart Metern ist etwas zu früh und zu vehement geführt worden. Die Energieersparnis liegt zwischen drei und sieben Prozent und ist geringer als die notwendigen Investitionskosten“, sagt Friedewald.

Eine große Ablehnung gab es zudem bei Deep Packet Inspection (DPI), der NSA-Überwachung oder verdachtsunabhängiger Massenüberwachung aller Bürger, befürwortet wurden Maßnahmen etwa in einem spezifischen Kontext, wie etwa die Überwachung bei Sportveranstaltungen oder den Einsatz von Biometrie zur Identifikation.

Ohne Vertrauen geht es nicht

Das Fazit beider Studien lautet: Bürger sind durchaus bereit, unter bestimmten Umständen Eingriffe in die Privatsphäre für mehr Sicherheit zu akzeptieren, aber die Maßnahmen müssen unter strenger Kontrolle eingesetzt werden und effektiv sein. „Wenn etwas Sinn macht, sind Bürger durchaus bereit darüber zu diskutieren. Allerdings ist hier das Vertrauen ein zentrales Element“, erklärt Friedewald.

Und genau dieses Vertrauen sei bei den Bürgern massiv verloren gegangen, weil sie nicht von Anfang an in die Entscheidungsprozesse eingebunden waren. „Das muss man beim Entwurf gesellschaftlich akzeptabler Lösungen berücksichtigen“, so Friedewald. Vor allem Deutschland, Österreich, Luxemburg, Spanien und Griechenland seien „besonders kritisch“, wenn es um den Einsatz von Überwachungstechnologien geht.

Wenig Aktivismus

Allerdings ist nur ein kleiner Teil der Bevölkerung bereit, für ihre Grundrechte aktiv einzutreten. „Der Großteil der Bevölkerung sieht das nicht als seine Aufgabe an“, erklärt Cas. „Es muss Aufgabe des Staates sein, für Schutz gegen Datenmissbrauch zu sorgen. Doch bestehende Bestimmungen werden derzeit oft nicht effizient durchgesetzt“, kritisiert Cas.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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