© Karl-Josef Hildenbrand, apa

Netzpolitik

Verschärfte Internet-Regeln in der Türkei

Die türkischen Behörden erweiterten Befugnisse beim Vorgehen gegen Demonstranten und bei der Sperrung unliebsamer Internetseiten. Das Parlament in Ankara verabschiedete am Freitag zwei entsprechende Gesetzespakete, wie die offizielle Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Beide Neuregelungen müssen noch von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnet werden, was jedoch als Formsache gilt.

Zunächst beschloss das Parlament mit den Stimmen der regierenden AKP ein Gesetzespaket zur Inneren Sicherheit, mit dem die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen, Durchsuchungen und beim Schusswaffengebrauch erweitert werden. Demnach dürfen Polizisten künftig in bestimmten Situationen auf gewalttätige Demonstranten schießen, ohne selber angegriffen worden zu sein.

Prügeleien

Die Mitte Februar begonnenen Parlamentsberatungen waren zeitweise in wüste Schlägereien im Plenum ausgeartet. Mitte März hatte die AKP Teile des Pakets überraschend in die Ausschüsse zurückverwiesen und die Beratungen gestoppt. Dies erfolgte offenbar aus Rücksicht auf die Verhandlungen über eine Beilegung des Kurdenkonflikts; die Kurdenpartei HDP hat das neue Sicherheitsgesetz scharf kritisiert. Doch nun wurden die umstrittensten Teile des Pakets verabschiedet.

Ebenfalls beschlossen wurde ein neues Internetgesetz, das der Regierung die Macht gibt, Websites innerhalb von vier Stunden ohne Gerichtsbeschluss zu sperren. Erst anschließend muss die Justiz eingeschaltet werden, die laut dem Gesetz innerhalb von drei Tagen über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme befindet.

Freiheiten weg

Die Opposition hatte vor der Abstimmung vor einem "Polizeistaat" gewarnt. Europarat und EU hatten Kritik an dem Gesetzentwurf geäußert. Der ehemalige Fußball-Nationalspieler und AKP-Dissident Hakan Sükür erklärte, die Regierung habe den Bürgern persönliche Freiheitsrechte genommen. "Willkommen im Zeitalter des Putsches", sagte Sükür laut der Nachrichtenagentur Cihan.

Beobachter in Ankara erwarten, dass die AKP vor der anstehenden Parlamentswahl am 7. Juni einen nationalistischeren Kurs steuern wird, um rechtsgerichtete Wähler anzusprechen.

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