Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
Zickzack-Kurs bei Vorratsdatenspeicherung
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Überwachung

Vorratsdaten: Deutschland droht EU-Klage

„Die Europäische Kommission könnte den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringen“, sagte ein Sprecher der Kommission am Dienstag in Brüssel auf Anfrage. An dem Tag lief eine von Brüssel gesetzte Frist für eine Neuregelung aus. Fast 22 Monate nach dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts, mit dem die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gekippt wurde, zeichnet sich in der deutschen Bundesregierung weiterhin keine Einigung bei dem Thema ab.

Für eine Neuregelung zuständig ist in unserem Nachbarland die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die aber auch am Dienstag gelassen blieb. Sie will die Daten weiterhin nur nach konkreten Anhaltspunkten für Straftaten speichern lassen („Quick Freeze“), wie sie im Deutschlandfunk bekräftigte. Das geht der Union nicht weit genug - und der Streit geht schon über Monate.

Bis zum Karlsruher Urteil wurden die Telefon- und Internetverbindungsdaten in Deutschland pauschal sechs Monate lang gespeichert. Eine entsprechende EU-Richtlinie sieht eine Speicherdauer von sechs Monaten bis zwei Jahren vor.

Zwangsgelder stehen im Raum
Der EU-Sprecher sagte, da bislang keine Antwort aus Berlin eingetroffen sei, werde man den Fall weiter vorantreiben. „Die EU-Kommission wird sicherstellen, dass der Bruch des EU-Rechts ein Ende hat.“ In letzter Konsequenz kann das Gericht millionenschwere Zwangsgelder verhängen. Nach mehreren Mahnungen ist die Kommission nicht mehr bereit, Deutschland noch mehr Zeit für die Umsetzung der EU-Richtlinie zu geben.

„Weitere zwei Monate waren bereits eine angemessene Zeitspanne, um einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten und einen detaillierten Zeitplan für dessen Umsetzung aufzustellen“, sagte der Sprecher. Zuletzt hatte Brüssel im Oktober schriftlich die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung angemahnt.

Ministerin: "Richtlinie ist gescheitert"
Leutheusser-Schnarrenberger erinnerte daran, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung derzeit überarbeitet wird. Mehr als fünf EU-Länder hätten die Richtlinie bislang nicht umgesetzt. „Diese Richtlinie ist gescheitert, und deshalb nehmen wir an dem Evaluierungsprozess teil“, sagte die FDP-Politikerin.

Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte der Nachrichtenagentur dpa, viele Unternehmen speicherten die Telefondaten bereits ohne zusätzliche gesetzliche Regelung über mehrere Wochen, größtenteils sogar über Monate. Anders sei dies bei Internet-Verbindungsdaten. Hier habe er sich bereits seit längerem für eine „Quick-Freeze-Plus“-Lösung ausgesprochen, sagte Schaar, also dafür, dass diese Daten ein oder zwei Wochen gepuffert werden. Die Strafverfolgungsbehörden hätten bei einem solchen Verfahren eine echte Möglichkeit, die Daten bei Bedarf einzufrieren, um sie - wenn nötig - zur Verfolgung schwerer Straftaten zu verwenden.

Österreich: Erfolgreiche Bürgerinitiative
In Österreich soll die Vorratsdatenspeicherung am 1. April 2012 in Kraft treten. Doch eine Bürgerinitiative namens "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" will die österreichische Bundesregierung dazu bewegen, sich EU-weit für die Abschaffung der EU-Richtlinie einzusetzen, da diese eine verdachtsunabhängige Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten via Telefon, Handy, E-Mail und Internet für mindestens sechs Monate vorsieht.

Die Bürgerinitiative hatte innerhalb von zwei Tagen mehr als 10.000 Online-Unterstützungserklärungen auf der Website des österreichischen Parlaments erhalten, insgesamt konnten bis zum Dienstag (zusammen mit den Papier-Unterschriften) bereits mehr als 20.000 Unterstützungserklärungen gesammelt werden. Die Initiatoren vom österreichischen AK Vorrat sehen darin ein klares Signal an die Politik.

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