Überwachung

Vorratsdaten: Mehr als 80.000 Bürger protestieren

Am Sonntag tritt in Österreich die Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Dadurch können Behörden sechs Monate im Nachhinein auf Kommunikationsdaten zugreifen. Von jedem Telefonat wird gespeichert wer, wann und wo, wen anruft oder von wem angerufen wird. Das gleiche gilt für SMS und E-Mail. Inhalte werden dabei zwar keine aufgezeichnet, doch schon die Standortdaten eines Handys reichen aus, um Nutzer nachverfolgen zu können.

Für Kritiker der Vorratsdatenspeicherung stellt diese einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre dar. Von jedem Menschen in Europa werden sensible persönliche Daten ohne jeden Verdacht gespeichert. "Damit wird das Handy zur Wanze und kann mit einer elektronischen Fußfessel für alle Bürger gleichgesetzt werden, gleich, ob unbescholten oder nicht”, kritisiert Josef Irnberger von der Initiative für Netzfreiheit. Irnberger will deswegen künftig auf sein Handy verzichten und es nur noch "in Notfällen" verwenden. "Ich bin derzeit auch am Überlegen, ob ich künftig ein offenes WLAN für jeden anbiete", so der Netzaktivist.

Bürgerinitiative mit 81.700 Unterschriften
Doch nicht nur Netzaktivisten lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab. Bereits rund 81.700 Österreicher haben sich bis zum Freitag gegen die verdachtsunabhängige Speicherung ausgesprochen. Im Rahmen der vom AK Vorrat ins Leben gerufene Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" wurde seit dem Herbst diese hohe Zahl an Unterschriften gesammelt - und täglich kommen neue Unterstützungserklärungen hinzu.

Die Initiatoren vom österreichischen AK Vorrat sehen darin ein klares Signal an die Politik. Man will damit erreichen, dass der Nationalrat die österreichische Regierung dazu auffordert, sich für die Aufhebung der EU-Richtlinie auszusprechen und dass die bestehenden Terrorgesetze evaluiert werden. "Wir sind überzeugt davon, dass unsere Argumente die Politiker überzeugen können", sagt Andreas Krisch vom AK Vorrat. "Eigentlich sollte es ein vollkommen normaler Vorgang sein, dass man Terrorgesetze auf ihre Verhältnismäßigkeit prüft."

"Wollen 100.000-Marke erreichen"
Im März wurde die Initiative zum ersten Mal vom Petitionsausschuss behandelt. "Wir hoffen, dass wir unser Anliegen persönlich im Petitionsausschuss vorstellen können und dass auch das Institut für Technikfolgen-Abschätzung eingeladen wird", sagt Krisch. Als nächste Schritte werden Stellungnahmen vom Verkehrs-, Innen- und Justizministerium sowie vom Bundeskanzleramt eingeholt. "Unser Ziel ist es, bis zur nächsten Sitzung am 31. Mai die 100.000-Marke zu erreichen", erzählt Krisch. Bis sich der Innenausschuss im Nationalrat mit der Petition befasst, was frühestens im Sommer geschieht, werden auf zeichnemit.at weiter Unterschriften gesammelt.

Verfassungsklagen
Der AK Vorrat hat zusammen mit dem Grünen Nationalratsabgeordneten Albert Steinhauser auch eine Verfassungsklage gegen die umstrittene Datenspeicherung vorbereitet. Diese ist zwar rein juristisch betrachtet eine Verfassungsbeschwerde, aber auch hier können sich Menschen via verfassungsklage.at beteiligen und mitklagen. Das Ziel der Initiatoren ist es, dass es die größte Verfassungsklage der zweiten Republik wird.

Auch die FPK-geführte Kärntner Landesregierung wird die Vorratsdatenspeicherung vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen. Ein ursprünglich geplante "Drittelbeschwerde" der Oppositionsparteien ist hingegen gescheitert.

Neben den Grünen und der FPK setzt sich auf politischer Ebene auch die Piratenpartei Österreichs gegen die Vorratsdatenspeicherung ein. "Wir werden dazu in Kürze eine Online-Kampagne starten, in der wir Praxis-Tipps bereitstellen werden, wie man sich schützen kann", erklärte Toni Straka, Bundesmediensprecher der Piraten. Zudem werde man sich an der für Samstag geplanten Demonstration beteiligen.

Trauermärsche am Samstag
Am Samstag sind für Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz und Wien angemeldete Demonstrationen angekündigt, in denen die Privatsphäre "zu Grabe getragen" werden soll. Ein gesammelter Überblick über die geplanten "Trauermärsche" gibt es auf der Website gegenvds.at. Der Verein für Internet-Benutzer Österreichs, ruft ebenso wie die Initiative für Netzfreiheit zur Teilnahme auf. Man solle sich "pietätsvoll dunkel kleiden und ein Zeichen setzen", so VIBE!AT. "Die Demos gegen ACTA haben gezeigt, dass Protest nicht vergebens ist. Darum lasst uns jetzt nicht locker lassen und weiter für unsere Freiheit kämpfen", lautet dazu auch der Aufruf des Internet-Kollektivs "Anonymous Austria", das die Demos dieses Mal (mit)organisiert hat.

Das Kollektiv hat zudem die "Operation Pitdog" und die Veröffentlichung brisanter Dokumente angekündigt. Man habe dutzende E-Mail-Accounts von Politikern überwacht, um aufzuzeigen, was verdachtsunabhängige Überwachung von Bürgern bedeuten kann. Das Kollektiv nahm sich zudem die IT-Systeme von österreichischen Internet Service Providern (ISPs) vor. "Immerhin sind diese dafür verantwortlich, dass unsere Vorratsdaten sicher verwahrt werden. Auch auf diese Ergebnisse darf man gespannt sein."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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