Anki Overdrive
Anki Overdrive
© Gregor Gruber

Anki Overdrive: Carrera-Bahn des 21. Jahrhunderts

Anki Overdrive: Carrera-Bahn des 21. Jahrhunderts

Nachdem mich der Test des Carrera Digital-Systems ernüchternd zurückgelassen hat, hatte ich nur bedingt Hoffnung, dass das schienenlose, per App zu steuernde Anki Overdrive mehr zu bieten hat. Umso schöner war die positive Überraschung: Anki Overdrive macht fast alles richtig und noch dazu viel Spaß.

Schienenlos

Bei Anki Overdrive steckt die komplette Technik in den Autos: Motor, Sensoren, Steuerung, Bluetooth-Verbindung und Akku. Im Gegensatz zu Carrera kommt die Strecke ohne Schienen aus. Gut gelöst ist das Magnet-Clip-System, das die Streckenteile zusammenhält. Das Abbauen und Neubauen der Strecken ist mühelos und schnell.

Mit dem Starter Kit, das derzeit um 150 Euro verkauft wird, sind acht Strecken-Layouts möglich. Im Lieferumfang sind sechs Kurven, vier Geraden und zwei Hebeteile enthalten, um eine Brücke mit Unterführung zu bauen. Am besten kauft man sich gleich Streckenerweiterungen dazu, damit man mehr Freiheiten hat und spektakuläre Kurse bauen kann.

Ein kleines Problem teilen sich das Carrera- und Anki-System: Die Streckenbauteile schließen nicht immer bündig an. Bei Anki können dadurch Spannungen entstehen, die die weichen Matten etwas anheben und so eine Bodenwelle schaffen. Im Test ist das bei Strecken mit Brückenelementen aufgetreten. Die Autos konnten die Bodenunebenheit aber problemlos überwinden.

Die Flexibilität der Teile kann deshalb auch in die Streckenplanung miteinbezogen werden. So kann man etwa Bücher oder Polster unter Teile des Kurses legen, um Erhöhungen oder Steilkurven zu bauen.

Strecke scannen

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Die Rennvorbereitungen sind denkbar einfach. Bis zu vier Autos können gleichzeitig, von Menschen, der KI oder gemischt, am Rennen teilnehmen. Man wählt die Autos aus und setzt sie auf die Strecke. Die Autos fahren jetzt selbstständig die Strecke ab, um sie zu scannen. Nach zwei Runden fahren sie automatisch zur Startlinie und warten darauf, dass per App das Startsignal gegeben wird.

Sollte während des Rennens ein Auto von der Strecke fliegen, versucht es selbstständig wieder auf die Fahrbahn zu kommen. Das gelingt, wenn es nicht allzu weit davon entfernt ist und die Strecke in Fahrtrichtung ist. Klappt das nicht, setzt man einfach das Auto auf die Strecke und gibt ihm einen kleinen Schubs.

Beim Carrera-Digital-System war es schon mit zwei Spielern ein Glücksspiel, dass die Autos nach dem Einsetzen in die Schiene wieder mit dem korrekten Wireless-Controller verbunden waren und sich steuern ließen. Bei Anki Overdrive funktioniert es einfach, ohne Mucken oder Umstände. Manchmal fährt die KI nach Fahrfehlern in die falsche Richtung oder das eigene Auto wurde durch einen Crash umgedreht. Das Auto bemerkt aber nach ein paar Sekunden den Fehler und wendet selbstständig.

Selbstfahrend

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Die Autos können komplett von alleine fahren. Der Spieler bestimmt in der App über einen Schieberegler die Geschwindigkeit. Kippt man das Smartphone oder Tablet nach links oder rechts, wechselt das Auto die Spur. Insgesamt gibt es vier Spuren.

Bei simplen Strecken bleiben die Autos auch bei Höchstgeschwindigkeit auf der Bahn, solange kein Turbo verwendet wird. Ein präzises Dosieren der Geschwindigkeit, wie bei Carrera-Bahnen ist nicht nötig. Das macht Anki Overdrive aber nicht langweiliger, sondern Einsteiger-freundlicher. Außerdem muss man sich während den Rennen auf andere Sachen konzentrieren.

Streitwagen

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Bei Anki Overdrive geht es nämlich ordentlich zur Sache. Jedes der sechs Autos (zwei sind im Starter Kit mitgeliefert) verfügt über verschiedene Eigenschaften wie Geschwindigkeit, Energie und Panzerung und kann mit mehreren Waffensystemen ausgestattet werden.

Für die Teilnahme an Rennen gibt es Punkte und Gegenstände. Mit den Gegenständen können die Autos aufgerüstet werden, damit etwa Waffen effektiver sind oder die Beschleunigung größer ist. Auch neue Waffensysteme können so gefunden werden.

Die Waffensysteme unterscheiden sich in Reichweite und Schussbreite. Einige Systeme beschädigen feindliche Autos nur in der direkten Umgebung, dafür aber im 360-Grad-Umkreis. Andere Systeme können mehrere Spuren vor dem Fahrzeug gleichzeitig beschießen und Systeme mit der höchsten Reichweite schießen nur gerade aus.

Neben der Hauptwaffe gibt es Sekundärsysteme. Dazu gehören ein Schild oder ein Tool, das dem Auto vor einem die Energie abzieht und langsamer macht. Im Idealfall kombiniert man die beiden Systeme. So gibt es etwa die Fähigkeit für kurze Zeit komplett stehenzubleiben. Rast der Gegner heran, um einen von hinten ins Visier zu nehmen, bleibt man unerwartet stehen und löst eine aufgeladene Rundum-Attacke aus, um ihn auszuschalten.

Spannende Rennen

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Besonders wenn man gegen Menschen spielt, kann es hier zu nervenaufreibenden Kämpfen kommen. Im Modus Battle versucht man sich gegenseitig ins Visier zu nehmen, um die vorher eingestellte Punkteanzahl zu erreichen. Schade ist, dass man keine Punkte bekommt, wenn man einen Gegner von der Strecke schubst.

Im Modus Rennen muss man überlegen, ob man eher versucht voranzupreschen oder den Gegner absichtlich überholen lässt, um ihn abzuschießen. Bis sich der Gegner davon erholt, kann man schon mal eine Runde Vorsprung herausfahren.

Im Modus King of the Hill leuchtet die LED des führenden Fahrzeuges blau. Wird es abgeschossen, übernimmt ein anderer die Krone. Umso länger man die Krone hält, umso mehr Punkte bekommt man.

Time Trial ist der friedlichste Modus. Hier treten die Fahrer hintereinander an. Der, der am Ende die beste Gesamtzeit hat, gewinnt.

Alle Modi können mit zwei bis vier Autos gespielt werden, die entweder von Menschen oder der KI gesteuert werden. Auch Team-Kämpfe sind möglich. Was fehlt sind Modifikatoren, wie etwa ein Waffenverbot im Rundenrennen oder, dass Verbesserungen ignoriert werden, um faire Verhältnisse zu schaffen.

Einzelspieler-Modus

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Der Schwierigkeitsgrad der KI richtet sich nach den Piloten, die man für das Rennen auswählt. Diese haben verschiedene Fahrzeug-Präferenzen und Taktiken, die sie bevorzugt einsetzen.

Die Piloten lernt man im Einzelspieler-Modus von Anki Overdrive kennen. Der Schwierigkeitsgrad steigt relativ schnell an. Wenn man nicht gerade schummeln will, indem man bei Rennen das gegnerische Auto per Hand vom Kurs entfernt, muss man mitunter etwas Grinden, um zu gewinnen. Grinden heißt in diesem Fall ein paar Rennen fahren, um das Auto auf einen höheren Level zu bringen und bessere Gegenstände zu erhalten.

Der Einzelspieler-Modus ist in der App gut gemacht. Es gibt sogar eine deutsche Sprachausgabe, vor, nach und während dem Rennen. Die gegnerischen Piloten versuchen, einigermaßen kinderfreundlich, mit "Smack Talk" den Spieler einzuschüchtern. Nettes Detail: Fährt man gegen einen bereits besiegten Piloten oder fährt eine Revanche, weil man das Rennen verloren hat, geht der Moderator in der App darauf ein.

Akkulaufzeit

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Je nach Länge der Rennen kann man drei bis fünf Rennen absolvieren, bevor die Autos wieder auf die Ladestation müssen. Die Ladezeit beträgt etwa acht Minuten. Diese Zeit kann man sinnvoll nutzen, um "Smack Talk" mit den menschlichen Gegenspieler zu betreiben oder die Strecke umzubauen.

Bevor man Anki Overdrive kauft, sollte man überprüfen, ob das eigene Smartphone bzw. Tablet mit der App kompatibel ist. Einige Android-Smartphones werden nicht unterstützt, da es Probleme mit dem Bluetooth-Low-Energy-Support gibt.

Auf der Anki-Website ist eine Liste mit kompatiblen Geräten zu finden. Diese ist aber nicht aktuell. So fehlen etwa das OnePlus X und das Samsung Galaxy S7, mit denen Anki Overdrive im Test funktioniert hat. Generell sind mehr Android-Devices mit Anki Overdrive kompatibel, als gelistet sind.

Ebenfalls erforderlich ist ein WLAN-Hotspot bzw. Router, wenn man gegen menschliche Spieler antreten will.

Fazit

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Um einen Kollegen beim Testspielen zu zitieren: „Na ist das geil!“. Anki Overdrive ist die Evolution der Carrera-Bahn, ist der Schritt in die Zukunft, den das klassische Slotcar-Racing nicht geschafft hat. Es macht einfach Spaß, egal ob man Rennen fährt, King of The Hill oder Battle. Auch der Einzelspieler-Modus ist überraschend gut gelungen.

Das simple Aufbauen und Neubauen der Strecke sowie das Verbinden mit den Autos ist in Anki Overdrive sehr komfortabel. Deshalb kann man auch spontan die Rennbahn auspacken wenn Gäste zu Besuch sind – inklusive Auto-Ladezeit und dem Installieren der App kann das Rennen in zehn Minuten beginnen.

Statt nur dem Basis-Set (150 Euro) sollte man gleich ein Bundle mit mehr Streckenteilen und vier Autos nehmen, wie etwa das Familien-Bundle um 320 Euro. Das ist zwar kein Schnäppchen, aber immer noch günstiger als ein Carrera Digital 132 Set mit zwei Autos und zwei Wireless-Controllern, das einen UVP von 394,90 Euro hat – und nicht mal ansatzweise so cool wie Anki Overdrive ist.

Anki Overdrive wird aber keine eingefleischten Carrera-Fans bekehren oder überzeugen können. Es richtet sich nicht an Nostalgiker, sondern die Generation, die mit Video- und Computerspielen groß geworden ist. Und es richtet sich an Junggebliebene, die sich für Technologie mehr begeistern können als für akkurate Nachbildungen realer Rennwagen und das ständige Zurechtbiegen von Metallkontakten.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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