Source Code von legendärem Apple-Rechner "Lisa" veröffentlicht

Source Code von legendärem Apple-Rechner "Lisa" veröffentlicht

© Gerhard Walter/Apple

Runder Geburtstag

Apple Lisa: Die Urgroßmutter des iMac wird 30

In der Flop-Liste der Apple-Produkte reiht sich der Lisa neben Pippin, Macintosh Portable, Newton oder dem Power Mac G4 Cube. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Geschichte des Rechners mit dem Mädchennamen, denn ohne Lisa gäbe es auch keine Macs.

Lange Geschichte
Die Idee für den Nachfolger des Apple II reicht bis ins Jahr 1978 zurück und sollte die nächste Generation bei Apple einläuten. Die Namensgebung geht auf die Tochter  von Steve Jobs zurück, auch wenn Apple damals das Acronym „Local Integrated System Architecture“ kommunizierte. Das ursprüngliche Konzept des Rechners wurde jedoch während der Entwicklung radikal geändert. Das, was schließlich mit zwei Jahren Verspätung und enormen Aufwand auf den Markt kam, hatte mit der ursprünglichen Idee kaum noch etwas zu tun.

Die Xerox-Inspiration
Der Grund dafür waren zwei Besuche von Steve Jobs in den PARC-Labors von Xerox im Winter 1979. Jobs war nachhaltig beeindruckt von dem, was die Xerox-Entwickler ihm dort an ihrem Computer „Alto“ vorführten. Was er dort sah, war die Zukunft der Computerbedienung und bewog ihn die Entwicklung des Lisa in genau diese Richtung zu treiben: Verschiebbare, überlappende Fenster, Pop-up-Menüs, Symbole zum Klicken statt Befehlseingabe, Maussteuerung. Ziel war es, einen Computer zu bauen, der so einfach zu bedienen war, dass selbst Laien ihn benutzen konnten.

Weit verbreitet ist die Ansicht, Apple hätte sich der Ideen im Xerox PARC bedient und diese praktisch gestohlen. Fakt ist: Apple bot Xerox eine Beteiligung an – im Gegenzug wollte man hinter den Vorhang blicken. Xerox sah die Chance, am bevorstehenden Börsengang von Apple zu partizipieren und kaufte 100.000 Aktien. Nach dem Börsengang von Apple 1980 besaß Xerox dadurch 17,6 Mio. Dollar. Fakt ist auch, dass Xerox erst sieben Jahre danach eine Klage einreichte, die die Verletzung der Urheberrechte für die grafischen Benutzeroberflächen von Mac und Lisa zum Thema hatte. 1993 wurden alle Anklagepunkte bis auf einen abgewiesen.

Die Lisa-Entwicklung ging insgesamt schleppend voran, vor allem weil sich Jobs zu sehr in das Projekt einmischte. Schon damals war abzusehen, dass weder der Auslieferungstermin noch der anvisierte Verkaufspreis von 2.000 Dollar einzuhalten waren. 1980 wechselten mehr als 15 Mitarbeiter von Xerox zu Apple. Im selben Jahr wurde im Zuge einer Reorganisation Steve Jobs vom Projekt Lisa abgezogen und sollte sich als Unternehmenssprecher für den Börsengang vorbereiten.

Source Code von legendärem Apple-Rechner "Lisa" veröffentlicht

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Vor 30 Jahren
Am 19. Jänner 1983 war es dann endlich soweit: Auf der Aktionärsversammlung in Cupertino wurde der Lisa erstmals präsentiert. Statt geplanten 2.000 US-Dollar kostete der Rechner fast 10.000 Dollar. Dafür wurde er gleich mit mehreren Programmen ausgeliefert: LisaCalc, LisaGraph, LisaDraw, LisaWrite, LisaProject und LisaList. Terminal Software und Programmiersprachen gab es extra zu erwerben. Das war zwar für die Anwender praktisch, erstickte jedoch Bemühungen von Software-Entwicklern im Keim, eigene Programme zu entwickeln. Um den enormen Preis zu senken wurde noch im selben Jahr die Software aus dem Bundle genommen.

Lisa 2 vs. Macintosh
1984 erschien das Modell Lisa 2, das schliesslich in Macintosh XL umbenannt und schon nach wenigen Monaten endgültig eingestellt wurde. Der Preis, mangelnde Geschwindigkeit, fehlerhafte Diskettenlaufwerke und Gerüchte über ein Nachfolgemodell „Baby-Lisa“, das im Herbst erscheinen würde, hatten der Lisa das Leben gekostet. Außerdem arbeitete zeitgleich ein anderes Team bei Apple an der Entwicklung des Macintosh.

Nach der Vorstellung des Macintosh im Jänner 1984 gab es Bausätze, mit denen Anwender Lisa zum Mac umrüsten konnten, wie ToolsAtWork-Cheftechniker Richard Hornung (damals Techniker bei Firma Dietmüller) erzählt. „Für die damals mitgelieferte Software war die Geschwindigkeit ausreichend, im Vergleich mit Visicalc oder Multiplan auf einem Apple II oder III ist Lisa nahezu geflogen“, erinnert sich Hornung und versteht die immer wieder geäußerte Kritik an der Geschwindigkeit an der Lisa nicht.

Der Vergleich

Lisa in Österreich
Natürlich war der Lisa auch in Österreich kein kommerzieller Erfolg beschieden. Mit einem Preis von ca. ATS 200.000 war die Maschine für private Anwender unerschwinglich. 1983 war Apple Österreich eine Zweipersonenfirma mit Adresse in Wien Neuwaldegg. In einem roten Container als Messestand zeigte Apple auf der Ifabo (4.-7. Mai) erstmals Lisa her.

Der Handel bestand aus ein paar wenigen Vorreitern, darunter „Köhle Computer“ in Innsbruck, „Weinblatt & Tillinger’s Computer City“, oder „Dietmüller“ in Wien.“ Hornung erinnert sich: „Wir haben damals etwa 30 Lisas verkauft, darunter an einen Architekt im Waldviertel und ein Planungsbüro in Wien.“ Vermutlich wurden insgesamt nicht mehr als 50 Geräte in Österreich verkauft.

Von der Lisa zum Mac
Der erste Macintosh und Lisa benutzten nicht zufällig denselben Motorola 68000 Prozessor. So konnte das Entwicklerteam des Macintosh nach der Einstellung von Lisa leichter auf dessen Technologien und Softwarelösungen zurückgreifen und sie für das Mac-Betriebssystem adaptieren. Der Lisa gilt in der Computergeschichte als erster kommerzielle Rechner mit grafischer Benutzeroberfläche und Maus. Aus heutiger Sicht steht Lisa am Anfang der All-In-One-Computer von Apple und kann daher als Vorläufer des iMac gesehen werden.

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1960 in Wien geboren, Absolvent der GLV (die Graphische). Erster Mac-Kontakt 1986 in einer Wiener Werbeagentur, danach als Trainer bzw. im Marketing bei den beiden damals größten Apple-Händlern tätig. Seit 1993 selbstständiger Kreativer und Apple-Sammler. 2006 Kurator der Ausstellung zum 30. Geburtstag von Apple im Wirtschaftsmuseum Wien.

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