Die futurezone hat verschiedene Apple Watch Modelle in San Franciso anprobiert
Die futurezone hat verschiedene Apple Watch Modelle in San Franciso anprobiert
© Martin Stepanek

Ausprobiert

Apple Watch im Hands-on: Die Katze im Sack kaufen

Wenn Apple am heutigen Freitag seine Smartwatch in ausgewählten Ländern wie den USA, Deutschland und Großbritannien an die ersten Kunden aushändigt, werden die obligatorischen Verkaufsschlangen vor den Apple-Stores wohl ausbleiben. Die erste Tranche war innerhalb weniger Stunden ausverkauft, die überwiegende Mehrheit wird die Apple Watch zudem nach Hause zugesendet bekommen. In den Stores kann die Uhr zwar ausprobiert werden, bestellt wird aber online - inklusive derzeitiger Lieferzeiten von mehreren Monaten. Um die Uhr benutzen zu können, ist ein iPhone ab Version 5 notwendig.

Da Österreich nicht unter den Ländern ist, in denen die Uhr vom Start weg angeboten wird, ist es praktisch unmöglich, über den offiziellen Weg an ein Testexemplar zu gelangen. Die futurezone hat daher die Gelegenheit genutzt und sich einige Modelle von der günstigen Apple Watch Sport bis zur superteuren Apple Watch Edition in San Francisco zeigen lassen. Im Hands-on kann die Uhr bei der Verarbeitung zwar großteils punkten, viele Fragen in punkto Bedienung, Apps und dem generellen Smartwatch-Konzept bleiben aber offen.

Verarbeitung

Auf den ersten Blick wirkt die Apple Watch weniger hochwertig, als man es sich von Apple erwarten würde. Vor allem die Sport-Variante mit hellem Aluminium wirkt in Kombination mit dem Plastikband wenig edel. Ein genauerer Blick offenbart dann allerdings die Apple-typische genaue Verarbeitung. Der nahtlose Übergang zwischen Armband und Display, die abgeschliffenen Kanten des Glases und auch die Rückseite der Uhr mit den sauber verarbeiteten Sensoren überzeugen. Das Retina-Display weist schöne Farben und eine gute Leuchtkraft auf, Inhalte sind auch von extremen Blickwinkeln aus gut lesbar.

Dass selbst die leichte Sport-Variante mit Plastikband sich mit ihren 30 Gramm (42 mm Band) ein bisschen schwerer anfühlt, als es das Aussehen vermuten lässt, trägt zum hochwertigen Gefühl bei. Die verschiedenen Armbänder mit unterschiedlichen Materialien - von Plastik über Leder bis zu gewebtem Stahl (Milanaise) - und verschiedene magnetischen Schließmechanismen zeigen, dass Apple das Thema Smartwatch nicht nur vom rein technologischen Standpunkt her ernst nimmt und verschiedene Konzepte bis ins Detail ausgearbeitet hat.

Die Armbänder lassen sich mit einem Klick entfernen
Das Armband kann überdies einfach ausgeklinkt und so ausgetauscht werden. Da der Mechanismus nicht nach Hexerei aussieht, ist zu erwarten, dass in Zukunft viele Dritt-Hersteller alternative Armbänder für die Apple Watch anbieten werden. Zuletzt wurde unter anderem ein diesbezüglichesKickstarter-Projektgestartet. Vereinzelt können Armbänder von anderen Herstellern auch bereits bestellt werden.

Große Auswahl

Für Apple völlig untypisch hat man bei der Apple Watch tatsächlich die Qual der Wahl. Die zehn verschiedenen Sport-Einsteigermodelle ab 399 Euro (38 mm Variante) bzw. 449 Euro (42 mm Variante) verfügen alle über ein Plastikarmband und unterscheiden sich praktisch nur in der Farbe und Größe der Watch. Wer das schwarze Modell wählt, profitiert allerdings von einem dunkleren Aluminium-Überzug des Gehäuses, der die Uhr hochwertiger erscheinen lässt, als in der hellgrauen Variante. Das dunkle Sport-Modell ist in der Tat der beste Kompromiss, um ein schönes Design zu verhältnismäßig geringem Preis zu bekommen. Laut Apple-Store-Mitarbeitern ist das Modell auch das mit Abstand gefragteste.

Wer es klassisch mit Lederarmband liebt, muss auch mindestens 749 Euro berappen
Wer es hochwertiger will, aber mit Plastikarmbändern nichts anfangen kann, muss um einiges tiefer in die Tasche greifen. Eine Apple Watch mit Lederarmband gibt es erst ab 749 Euro, dafür bekommt man allerdings auch ein Edelstahlgehäuse sowie Saphirglas, das noch kratzfester als das Glas der Sport-Edition ist. Auf die Helligkeit und die Farbbrillanz des Displays hat das keine Auswirkung, vor allem die Unterseite der Uhr wirkt bei der Edelstahl-Variante allerdings doch um einiges hochwertiger. Bei manchen Kombinationen - etwa Plastik-Armband und Edelstahl - geht das Konzept designtechnisch nicht immer ganz auf.

18.000 Euro für Gold-Variante

Teurer geht allerdings immer. Wer etwa die Watch-Variante mit Gliederarmband will, muss für die Farbe grau gar 1149 für die größere Version und 1249 Euro für die dunkle Variante hinblättern. Keine Frage - das Armband ist top verarbeitet. Das Entfernen einzelner Glieder, um die Uhr ans Handgelenk anzupassen, funktioniert problemlos. Dass einige der interessanteren Armbänder - die Milanaise-Version aus gewobenem Stahl fühlt sich etwa wie Stoff an - derart stark auf den Preis draufschlagen, ist ein großes Manko - zumal es sich bei der jetzigen Apple Watch um die erste Generation handelt und folglich auch nicht klar ist, ob die nun erworbenen hochwertigeren Armbänder mit künftigen Modellen weiterverwendet werden können.

Ab 16.000 Euro: Apple Watch Edition in 18 Karat Gold mit Lederarmband
Über die Apple Watch Edition, die mit 18 Karat Gold ab 11.000 Euro (38 mm) bzw. 15.000 Euro (42 mm) mit Plastik(!!!)-Armband und 16.000 bis 18.000 Euro mit Lederarmband kostet, seien an dieser Stelle nur wenige Worte verloren. Die Uhr ist schön verarbeitet, das verwendete Gold wirkt gerade in der Rosé-Gold-Variante weniger protzig, als man annehmen könnte. Ob Apple mit der Uhr tatsächlich die angstrebte Käuferschaft anspricht, wird sich zeigen. Dass die Uhr sich technisch, aber auch vom verwendeten Saphir-Glas nicht von den günstigen Modellen unterscheidet, ist zumindest ein kleiner klassenkämpferischer Trost.

Verwirrende Bedienung

So schlicht das Design der Uhr mit dem gut verarbeiteten Drehrädchen an der Seite sowie einem flachen Knopf ebenda daherkommt, so wenig erschließt sich anfangs die Steuerung. Das Rädchen lässt sich trotz seiner kleinen Größe gut bedienen und kann zum Zoomen und Scrollen verwendet werden. Allerdings kann es ebenso wie der Knopf darunter einmal oder zweimal gedrückt werden - mit jeweils unterschiedlich belegten Funktionen.

Dazu kommt die Touchscreen-Fähigkeit, die ebenfalls mit verschiedenen Funktionen belegt ist. Erhöht man den Tastendruck auf dem Screen kommt man meist in Untermenüs, nach oben, unten, links und rechts kann natürlich auch gewischt werden. Intuitiv - ein Prädikat, das Apple vor allem bei der Einführung des iPhones für sich beanspruchte und mit iOS auch besetzte - ist jedenfalls anders. Summa summarum drückt und klickt und dreht man und weiß eigentlich nie so genau, wo man sich befindet bzw. welche Aktion was auslöst. Es ist gut möglich, dass man den Dreh nach einigen Tagen heraus hat, der erste Eindruck bleibt, was die Bedienung betrifft, etwas verwirrend.

Viel Potenzial, oder?

Wer hofft, im Apple-Store einen guten Eindruck von den Apps und Funktionen zu bekommen, wird vermutlich enttäuscht. Die für Anproben bereitgestellten Uhren sind mit einer Demo-Software ausgestattet, die keine realistische Bedienung ermöglicht. Auf den ausgestellten Uhren kann man aber zumindest einen ersten Überblick und Einblick in die bereits vorhandenen Apps und deren Funktionen bekommen.

Das stählerne Milanaise-Armband fühlt sich wie Stoff an - das Band hält per Magnet
Das Potenzial und die Fülle an verschiedenen Funktionen allein durch die bestehenden Apps ist vielversprechend. Aufgrund des fortgeschrittenen App-Ökosystems auf dem iPhone, an das die Apple Watch mit ihrem Betriebssystem anknüpft, erschließt sich zunächst gar nicht, was die Apple Watch nun eigentlich sein soll: Ein Fitness-Device, ein Kommunikations-Tool, ein geschrumpfter iPod oder einfach nur eine Uhr zum Zeitablesen? Das ist nicht notwendigerweise schlecht, in vielerlei Hinsicht macht die Apple Watch auch Lust auf mehr: Mehr Zeit damit zu verbringen, Dinge auszuprobieren oder für sich zu personalisieren.

Ob das Konzept wirklich aufgeht und Smartwatches, wie die Apple Watch, eine große Rolle in unserer technologischen Zukunft spielen, wird sich erst zeigen. Angesichts dessen, dass derzeit erst wenige Apps von Drittherstellern verfügbar sind und es noch keine User gibt, welche die Uhr über einen längeren Zeitraum verwendet haben, kauft man letztlich - wie bei vielen Geräten der ersten Generation - die Katze im Sack. Auch die Möglichkeit, die Uhr in einem Shop auszuprobieren, hilft bei der Entscheidungsfindung nur bedingt weiter.

Tipps für die Modell-Auswahl

Wer die Uhr - etwa über Freunde in Deutschland - bestellen will, sollte ein paar Dinge beachten. Für Männer empfiehlt sich grundsätzlich die 42-mm-Variante, die kleineren Modelle wirken am Handgelenk ein wenig verloren. Vorsicht ist bei manchen Armbändern angesagt. Die Version mit geriffelten Leder etwa gibt es in verschiedenen Größen. Wird das Band zu groß bestellt, lappt das Ende über das Display hinaus und wird unbrauchbar. Wer also die Möglichkeit hat, Apple Watch Modelle in einem Apple Store ausprobieren zu können, sollte davon Gebrauch machen - am besten, bevor online bestellt wird. Im Normalfall muss online ein Termin vereinbart werden, das Prozedere ist aber denkbar einfach und wird auch kurzfristig abgewickelt.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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Martin Jan Stepanek

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