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Kamera

HTC Desire Eye im Test: Das erste wahre Selfie-Smartphone

2013 wurde nicht ohne Grund in den Schlagzeilen oft als das “Jahr des Selfies” bezeichnet. Das Oxford English Dictionary kürte es zum Wort des Jahres, neben Prominenten ließen sich auch hochrangige Politiker dazu hinreißen und es entwickelte sich ein lukratives Geschäft mit “Selfie-Stangen”. Der Trend hält auch dieses Jahr an und langsam scheinen auch die Smartphone-Hersteller auf den Zug aufzuspringen.

Statt durchschnittlicher zwei Megapixel-Frontkameras sind immer häufiger hochauflösende Sensoren über dem Display zu finden. HTC wagt sich nun mit dem Desire Eye als erster Hersteller an ein High-End-Modell, das dank einer 13 Megapixel-Frontkamera auch hochauflösende Selfies produzieren kann. Die restliche Ausstattung des Outdoor-Smartphones dürfte Käufern des HTC One M8 zudem bekannt vorkommen. Die futurezone hat den Selfie-Spezialisten getestet.

HTC behält sich den markanten Aluminium-Unibody für die One-Serie vor, die Modelle der Desire-Reihe sind weiterhin mit einem Kunststoff-Gehäuse ausgestattet. Dennoch kommt beim Desire Eye ein Unibody-Design zum Einsatz, durch das sogenannte “Doubleshot”-Verfahren konnte das mehrfarbige Gehäuse aus einem Guss hergestellt werden. Tatsächlich gibt es keinen Spalt an den Übergängen, lediglich die Frontelemente wurden verklebt. Das Design ist sehr funktional, aus der Distanz betrachtet würde man es wohl nicht als 500 Euro-Smartphone einschätzen. Hält man es jedoch in der Hand, lernt man die robuste Bauweise rasch zu schätzen. Das Gehäuse ist sehr starr konstruiert, auch unter Druck gibt nichts nach. Der gewählte Kunststoff ist zudem sehr griffig und gibt dem Benutzer zusätzliche Stabilität beim Halten mit einer Hand.

Ein Novum für HTC: Das Desire Eye ist wasserdicht, es kann bis zu 30 Minuten lang einen Meter untergetaucht werden. Daher ist der Akku auch nicht tauschbar, die Slots für microSD- und nanoSIM-Karte sind mit einem cleveren Dichtungssystem gesichert. Die Halterungen lassen sich mit dem Finger herausziehen, ein eigenes Tool wird dafür nicht benötigt. microUSB- und 3,5 mm Klinken-Anschluss bleiben “offen” und sind gegen eindringendes Wasser und Staub geschützt. HTC preist das Eye auch für “Selfies unter Wasser” an, doch der Touchscreen erkennt Eingaben bei Wasserkontakt nicht zuverlässig. Man kann jedoch die Kamera-App per dezidierter Auslöse-Taste an der rechten Seite öffnen und Bilder aufnehmen.

Schwacher BoomSound

Auffällig ist vor allem die Länge des Smartphones. HTC verschenkt durch eine unbenötigten 18 Millimeter hohen Bereich unterhalb des Displays viel Platz. Wie das “große Vorbild” One M8 setzt das Desire Eye auf die BoomSound-Technologie mit zwei Frontlautsprechern. Doch statt den Lautsprechern viel Platz zu geben, wurden sie auf kleine, unscheinbare Schlitze über und unter dem Display reduziert. Das Ergebnis ist dadurch bei weitem nicht so eindrucksvoll wie beim One M8, dank der nach vorne gerichteten Lautsprecher dennoch besser als bei den meisten anderen Smartphones.

Das Format des Eye ist dennoch kompakt genug, um es mit einer Hand bedienen zu können. Mit 154 Gramm ist es zwar kein Leichtgewicht, die Masse ist jedoch gut verteilt. Vor allem die Motion Launch-Gesten erleichtern die Bedienung. Diese werden durch Hochheben aktiviert, der Benutzer kann durch “Streichen” über dem Bildschirm gewisse Aktivitäten ausführen. So wird durch einen Wisch nach vor der Bildschirm aufgeweckt und die Bildschirmsperre (sofern kein PIN oder Muster definiert wurde) deaktiviert. Doppeltes Antippen weckt wiederum, wie bei LGs “Knock On” den Bildschirm auf. So vermeidet man umständliches Umgreifen zur Power-Taste, die rechts mittig platziert wurde. Diese war beim Testgerät etwas stärker versenkt als die Lautstärkewippe darüber und ließ sich so schwerer ertasten.

HTC hat es tatsächlich geschafft, zwei Kameras in einem 8,5 Millimeter dünnen Smartphone zu verbauen. Selbst das Oppo N1, bei dem die Hauptkamera zum Benutzer gedreht werden konnte, ist neun Millimeter dick. Bei beiden Kameras kommt der gleiche Sony-Sensor zum Einsatz, der mit 13 Megapixeln auflöst. Der einzige Unterschied liegt in den verbauten Linsen. Während die Rückkamera etwas lichtstärker ist (f/2.0 statt f/2.2), deckt die Frontkamera den Weitwinkelbereich (22 mm gegenüber 28 mm) besser ab. Der Unterschied macht sich durchaus bemerkbar, so lässt sich mit der Frontkamera eine weitere Person auf dem Bild unterbringen.

Apropos Selfie: HTC legt mit seiner kürzlich aktualisierten Kamera-App großen Wert auf die Selbstporträts. Der Benutzer bekommt im Selfie-Modus keine “vereinfachte Version”, sondern kann alle wichtigen Optionen wie Belichtungskorrektur, Weißabgleich, Szene oder Blitz modifizieren. Lediglich der ISO-Wert konnte nicht manuell festgelegt werden. Dafür kommt der “Haut verschönern”-Regler dazu, der ein erkanntes Gesicht mit einem Weichzeichner versieht und so Hautunreinheiten wegretuschiert. Mit dem mitgelieferten Foto-Editor kann das Bild auch nach der Aufnahme korrigiert werden, beispielsweise kann Glanz entfernt, das Gesicht schmaler oder die Augen größer gemacht werden.

Nachwuchs überprüfen

Die absurdeste, aber auch lustigste Funktion ist jedoch das “Morphen von Gesichtern”. Dabei können zwei Bilder von Gesichtern miteinander verschmolzen werden, sodass ein vollkommen neues Gesicht entsteht. Das funktionierte besser als erwartet, solange das Gesicht gleichmäßig ausgeleuchtet ist und keine Haare oder Brillen das Gesicht verdecken. Gleichzeitige Aufnahmen mit Front- und Rückkamera sind sowohl als Video als auch als Foto möglich. Zudem können im Passfotoautomat-Modus mehrere Selfies hintereinander aufgenommen werden, die dann, wie bei einem Fotoautomaten, auf einem “Streifen” angezeigt werden.

Die Qualität der Bilder ist gut, zumindest bei Tageslicht. Bei Nacht und schlecht beleuchteten Motiven versucht die App die Sichtbarkeit des Motives mithilfe einer längeren Belichtungszeit zu verbessern. Leider fehlt jedoch eines der besten Features des One M7 (im M8 wurde es auch entfernt): der optische Bildstabilisator. So muss man schon eine sehr ruhige Hand besitzen, um bei schlechten Lichtbedingungen keine verwackelte Aufnahme zu erhalten. Bei Tageslicht sind die Ergebnisse sehr gut gelungen und fallen vor allem durch geringes Rauschen auf. Das dürfte wohl auch auch den Bild-Algorithmus zurückzuführen sein, der das Rauschen herausrechnet. Dadurch gehen jedoch auch Details verloren, einzelne Barthaare werden beispielsweise durch das Weichzeichnen zu Büscheln verdichtet. Für schnelle Schnappschüsse ist die Kamera ideal, eine qualitativ hochwertigere Frontkamera gibt es derzeit nicht. Freude bereitet zudem der zweistufige Auslöser, der an der rechten Seite unter der Power-Taste zu finden ist.

Das HTC One Max bleibt mit einem 5,9 Zoll-Bildschirm weiterhin das bislang größte Smartphone des taiwanischen Herstellers. Das Desire Eye ist vergleichsweise dezent ausgestattet, selbst das Desire 820 (5,5 Zoll) hat einen größeren Bildschirm. Der 5,2 Zoll große LC-Bildschirm löst mit 1920 mal 1080 Bildpunkten auf und kann eine sehr gute Pixeldichte von 424 ppi vorweisen. Wie bei jedem anderen Bildschirm mit einer Pixeldichte jenseits von 300 ppi sind einzelne Pixel mit dem freien Auge nicht zu erkennen. Dadurch ist vor allem kleine Schrift gut lesbar, Details in kleinen Icons bleiben stets scharf.

Farben werden kräftig, aber im Vergleich zu AMOLED-Bildschirmen unaufgeregt dargestellt. Ein Farbstich ließ sich nicht erkennen. Auffällig ist vor allem die hohe Helligkeit, der Bildschirm war so stets gut ablesbar. Die Helligkeit ging jedoch bei steileren Blickwinkeln recht rasch verloren, der Bildschirminhalt war jedoch bei Tageslicht weiterhin gut ablesbar. Leider spiegelte der Bildschirm bei Gegenlicht deutlich, sodass er nur in der höchsten Helligkeitsstufe ablesbar war.

Im Desire Eye ist die gleiche Hardware wie im One M8 verbaut. Auch hier ist ein Qualcomm Snapdragon 801 SoC zu finden, dessen vier Kerne mit je 2,3 GHz getaktet wurden und insgesamt zwei Gigabyte RAM zur Seite stehen. Daher dürfte es auch wenig überraschen, dass die Performance der beiden Geräte in den Benchmarks nahezu ident ist. Überraschend war jedoch, dass die Oberfläche hin und wieder ins Stocken geriet. Die Ursache dafür konnte bis zum Schluss nicht ausgeforscht werden, der Effekt trat in verschiedenen Apps auf.

3DMark (Ice Storm Unlimited): 16328 Punkte
AnTuTu: 39249 Punkte
Quadrant: 24181 Punkte
Vellamo (Multicore): 1838 Punkte

HTC setzt auf seine hauseigene Oberfläche Sense, die mittlerweile bei Version 6.0 angekommen ist. Sense hat im Gegensatz zu einigen anderen Android-Oberflächen von Drittherstellern auch Fans, viele Custom ROMs setzen sogar darauf. Neben dem Stock Android-Launcher sowie Sonys UI ist Sense wohl eine der schnellsten Android-Oberflächen, hier gibt es keine Verzögerungen. Auch der umstrittene Blinkfeed (der mittlerweile sehr gut als Newsreader für Social Media und Nachrichten funktioniert) lässt sich jederzeit deaktivieren. HTC gibt hier dem Benutzer viele Freiheiten, die Zahl der vorinstallierten Apps hält sich in Grenzen. Neben HTCs Foto-Plattform Zoe findet sich so auch die Verteiltes-Rechnen-App “Power to Give” auf dem Smartphone. Alle Apps können aber deinstalliert werden

Ein Update auf Android 5.0 alias Lollipop soll bis spätestens Anfang Februar erfolgen. HTC gibt eine “90 Tage-Garantie” ab, wonach alle aktuellen Geräte binnen 90 Tagen ab Erscheinen einer neuen Android-Version mit einem Update versorgt werden sollen. Die Akkulaufzeit kann als durchschnittlich bezeichnet werden, meist war nach eineinhalb Tagen eine komplette Akkuladung verbraucht. Der 2.400 mAh-Akku ist somit für den sicheren Tageseinsatz gerüstet, für mehr aber auch nicht. Daran kann auch der gute Energiesparmodus nichts ändern, der jedoch im Extrem-Modus (alles auf Telefonie und SMS beschränkt) im Notfall die Laufzeit deutlich verlängern kann.

Das Desire Eye ist eine kuriose Kreuzung aus dem One M8 und Sonys Xperia Z3. HTC will hier mit Freizeit-Funktionen punkten, das One M8 soll hingegen weiterhin das “stylische Business-Modell” bleiben. Das Ergebnis ist solide, obwohl die beiden Kameras qualitativ nicht wirklich begeistern können. Die umfangreiche Software macht hier vieles gut.

Gut gelungen ist auch die schlanke und robuste Bauweise, die zunächst kein Outdoor-sicheres Smartphone vermuten lässt. Leider ist es nur gegen Staub und Wasser geschützt, ein Fall auf den Asphalt kann weiterhin das Ende für das Display bedeuten (zumindest zerkratzt die Kunststoff-Rückseite nicht so schnell). Wer tatsächlich Wert auf hochauflösende Selfies legen sollte, kommt um das Desire Eye kaum herum. Auch für Sport, sei es Laufen im Regen oder Skifahren, ist das Smartphone durchaus gut geeignet und bietet eine gute Kamera für Schnappschüsse. Dafür muss man aber 529 Euro (UVP) auf den Tisch legen - für genauso viel Geld bekommt man ein One M8 oder ein anderes Android-Smartphone im High-End-Segment.

Modell:
HTC Desire Eye
Display:
5,2 Zoll LC-Bildschirm - 1920 x 1080 Pixel (16:9, 424 ppi, geschützt von Gorilla Glass 3)
Prozessor:
2,3 GHz Quadcore (Qualcomm Snapdragon 801)
RAM:
2 Gigabyte
Speicher:
16 GB intern, microSD-Kartenslot
Betriebssystem:
Android 4.4.4
Anschlüsse/Extras:
microUSB, Bluetooth 4.0, WLAN (b/g/n), IPx7-zertifiziert (wasser- und staubdicht)
Akku:
2.400 mAh
Kamera:
13 Megapixel (Rückkamera, Dual-LED-Blitz, f/2.0, 28 mm), 13 Megapixel (Frontkamera, Dual-LED-Blitz, f/2.2, 22 mm)
Videos:
Aufnahme in 1080p bei 30 fps möglich
Maße:
151,7 x 73,8 x 8,5 mm, 154 Gramm
Preis:
529 Euro (UVP)

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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