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Smartphone

iPhone 5S im Test: Apple in der Sackgasse

Zumindest dem Verkaufsstart am Wochenende nach zu urteilen dürften das iPhone 5S und 5C ein Erfolg werden. Mehr als neun Millionen Mal sollen die beiden Geräte verkauft worden sein, vielerorts waren die neuen Modelle folglich in kürzester Zeit ausverkauft. Selbst in Deutschland ist das iPhone 5S derzeit kaum erhältlich. Der futurezone gelang es aber dennoch, mithilfe des Apple-Händlers McShark ein Gerät zum Testen zu ergattern, T-Mobile lieferte die benötigte Nano-SIM.

Mit dem iPhone 5S bleibt Apple seinem Zweijahres-Rhythmus treu. Von außen hat sich zum Vorgänger iPhone 5 kaum etwas verändert, die Maße sind mit einer Displaydiagonale von vier Zoll gleich geblieben, ebenso wie die Dicke von 7.6 Millimeter und das Gewicht von 112 Gramm. Verändert hat Apple die Aluminium-Farben, das mehr oder minder schwarze Gerät ist Geschichte und wurde durch ein Gerät mit einer helleren Grau-Rückseite ersetzt, zudem gibt es das iPhone nun erstmals in zwei Weiß-Varianten, davon eine mit goldener Rückseite.

Die Verarbeitung und das Design zählen weiterhin zum Besten, was auf dem Smartphone-Markt derzeit verfügbar ist. Alles ist aus einem Guss, nichts knarzt oder wackelt, jedes Element, ob Lautstärken-Knöpfe oder Lautsprecher-Öffnungen an der Unterseite, ist bis ins kleinste Detail ins Gesamtkonzept integriert. Durch das verwendete Aluminiumgehäuse liegt das iPhone 5S wie schon der Vorgänger überraschend leicht in der Hand. Zu hoffen bleibt, dass die nun verwendeten Farbausprägungen weniger kratzeranfällig sind, als es beim dunklen iPhone 5 der Fall war.

Die einzige optische Veränderung des Gehäuses ist der neue Start-Button, der gleichzeitig eine der wesentlichsten Neuerungen beinhaltet – den bereits vieldiskutierten Fingerprint-Sensor. Ungeachtet der Diskussion, ob Fingerabdruck-Technologien der Wahrheit letzter Schluss in der Sicherheitsdebatte sind, beweist Apple einmal mehr, dass es sein Handwerk beherrscht, wenn es um die massentaugliche Umsetzung neuer Lösungen geht. Der Sensor wurde direkt in den Startknopf integriert, wobei der Druckpunkt im Vergleich zum iPhone-5-Button praktisch unverändert bleibt. Auch die Bedienung funktioniert einfach und zuverlässig.

iPhone 5S Fingerprint
Das Speichern eines Fingerabdrucks dauerte im Test 20 bis 30 Sekunden. Über das mehrmalige Auflegen des Fingers soll gewährleistet werden, dass das Handy den Fingerprint später auch erkennt, wenn man den Sensor nicht genau mittig trifft. Gerade beim Daumen, der sich zum Entsperren des Geräts anbietet, aber auch mehr potenzielle Auflagefläche bietet, klappte das im Test nur in etwa vier von fünf Fällen. Im Großen und Ganzen funktionierte die Erkennung aber sehr zuverlässig und vor allem schnell.

Alternative zur PIN-Eingabe

Wer bisher gewohnt war Hundert Mal am Tag einen vierstelligen Code einzugeben, bekommt hier eine einfache Alternative, die schlichtweg mehr Spaß macht, da das kurze Auflegen des Fingers als natürliche Bewegung in der Handynutzung empfunden wird. Dass Fingerprints theoretisch auch manipuliert werden können, wie der Chaos Computer Club bereits bewiesen hat, und man Apple vertrauen muss, dass die abgegebenen Fingerprints nicht auf Apple-Servern und nur verschlüsselt auf dem Gerät gespeichert werden, liegt auf der Hand.

Tatsache ist aber auch, dass viele iPhone-User bisher auf einen PIN-Code und somit auf jeglichen Schutz für das Gerät verzichteten. Fingerprint-Technologien könnten hier eine wesentliche Verbesserung bedeuten. Die Nutzung ist optional, auch können mehrere Finger erfasst werden, um die Bedienung zu erleichtern. Naturgemäß kann die Technologie auch von Freunden und Partnern verwendet werden, wenn man diesen den Zugang auf das Gerät ermöglichen will.

Die zweite größere Neuerung des iPhone 5S ist die verbesserte Kameratechnologie. Die maximale Auflösung der Hauptkamera hat sich mit 8 Megapixel zwar nicht verändert, ein größerer Sensor und eine erhöhte Pixelgröße sollen auch bei schlechten Lichtverhältnissen für weniger Rauschen und bessere Bilder sorgen. Verbessert wurde zudem der Bildstabilisator und der Blitz, der nun mit zwei LEDs ausgestattet ist und für natürlichere Beleuchtungseffekte sorgen soll.

Im Test waren die Verbesserungen im Vergleich zum iPhone 5 unterschiedlich spürbar. Beim direkten Vergleich von fotografierten Schriftzügen wird klar deutlich, dass das iPhone 5S schärfere Bilder macht. Bilder mit Blitz weisen nun wärmere und teilweise natürlichere Farben auf. Interpretiert das iPhone den Hintergrund aber falsch, verursacht es bei Personenportraits aber so auch recht schnell einen unerwünschten Gelbsucht-Effekt.

Bei den mit Autofokus gemachten Bildern ist das Ergebnis etwas widersprüchlich. So wirken die mit dem iPhone 5S gemachten Bilder im Vergleich zum iPhone 5 oftmals blasser und weniger kontrastreich. Im Wesentlichen macht die iPhone-5S-Kamera natürlichere Fotos und vermeidet das Ausreizen von Kontrastobergrenzen. Bei einem schnellem Blick auf die Vergleichsbilder ist man aber fast versucht, die intensiveren Bilder des iPhone 5 zu bevorzugen. Mit manuellem Fokus lässt sich das gewünschte Ergebnis aber wie bisher optimieren.

Slow-Motion-Funktion

Eine nette Spielerei, mit der iPhone-5S-Besitzer bei Freunden und Bekannten gut angeben können, ist die neue Zeitlupen-Videofunktion. Möglich wird dies durch die Aufnahme von Videos mit 120 statt 30 Bildern pro Sekunde. Um Rechenpower und Speicherplatz zu sparen, sind solche Aufnahmen nur in 720p statt den sonst verfügbaren 1080p möglich. Der damit erzielbare Effekt inklusive verzögerter Tonspur kommt auf dem iPhone gut, problematischer wird es aber, wenn man das Zeitlupen-Video auf dem PC reproduzieren will. Ohne nachträgliche Bearbeitung wird das Video nämlich ohne Zeitlupe in normaler Geschwindigkeit abgespielt – lädt man das Video vom iPhone direkt auf YouTube hoch, bleibt der Effekt allerdings erhalten.

Eine weitere Neuerung ist ein Schnellschuss-Modus, mit dem in Hundertstel-Sekunden eine Vielzahl von Bildern gemacht werden können, indem man auf dem Auslöserknopf bleibt. Das iPhone wählt automatisch das seiner Meinung nach beste Bild aus, wenn man damit aber nicht zufrieden ist, kann man manuell auch einen anderen Schnappschuss verwenden. Die Funktion soll vor allem beim Einfangen eines besonderen Moments behilflich sein. Unverändert gut funktioniert die Panoramafunktion, sie ist beim iPhone 5S nun auch im HDR-Modus (High Dynamic Range) nutzbar.

Mit der Einführung einer 64bit-Chiparchitektur versucht sich Apple einmal mehr als Vorreiter auf dem Smartphone-Markt. Auch sonst sind die Benchmarktests beeindruckend. Unter Geekbench 3 schafft es der neue A7-Dual-Core-Prozessor (ARM v8-basiert, Dual-core 1,3 GHz, Cyclone) auf einen Gesamtwert von 2487, im Single-Core sind es 1385. Das kommt fast einer Verdopplung zum iPhone 5 (1298, 722) und seinem A6-Prozessor (ARM v7-basiert, Dual-core 1,3 GHz, Swift) gleich. Zum Vergleich: ein iPhone 4 mit seinem A4-Prozessor (800 Mhz) schaffte im Benchmarkt-Test der futurezone gerade einmal 209 Punkte.

Von den großen Veränderungen unter der Haube bekommt man im täglichen Gebrauch allerdings kaum etwas mit. Einige Software-Verbesserungen bei der Kamerasoftware dürften auf die neue Rechenpower und den neuen Grafikchip zurückgehen. Beim Gebrauch von Programmen bzw. der generellen Bedienung des neuen Betriebssystems iOS 7 (zum futurezone-Test) sind aber keine wesentlichen Unterschiede spürbar. Denn auch das iPhone 5 hat immer noch genügend Rechenpower, damit nichts in der Bedienung ruckelt oder verzögert wird.

Die Vorzüge der verbesserten Rechenleistung wird man vermutlich erst in einigen Wochen und Monaten erleben können, wenn App-Entwickler und vor allem Spielestudios beginnen, die neuen Möglichkeiten ausreizen. Auf die Batterieleistung soll die erhöhte Performance im Normalbetrieb zumindest Apple zufolge keinen negativen Effekt haben.

Stärkerer Akku

Durch den leicht vergrößerten Akku (1560mAh, 5,92 Wh) verspricht Apple beim iPhone 5S nun bis zu zehn Stunden 3G-Telefonie und 250 Stunden Standby. Beim iPhone 5 lag dieser Wert bei 8 bzw. 225 Stunden. Im futurezone-Test verhielt sich der Akku unauffällig und mit dem iPhone 5 vergleichbar. Ein wirklich aussagekräftiges Urteil kann hierbei aber nur ein Langzeittest zu Tage fördern.

Auch wenn LTE-Verträge in Österreich derzeit noch kaum leistbar sind bzw. von einigen Mobilfunkern noch gar nicht angeboten werden - spätestens im kommenden Jahr wird der heimische Mobilfunkmarkt mit entsprechenden Angeboten aufwarten. Die gute Nachricht: Das iPhone 5S (wie auch das iPhone 5C) unterstützt im Gegensatz zum Vorgängermodell das bei uns hauptsächlich verwendete 2,6-GHz-Frequenzband. Das wurde der futurezone von heimischen Mobilfunk-Anbietern bestätigt.

Leute, die das Gerät noch vor dem kolportierten Österreich-Start im Dezember in anderen Ländern kaufen und für LTE gerüstet sein wollen, müssen jedoch darauf achten, dass sie ein Modell mit Frequenzband 7 erwerben. Die genaue Typennummer beim iPhone 5S lautet A1457. (beim iPhone 5C unterstützt das Modell A1507 LTE über 2,6 Ghz). Das in Österreich zur Versteigerung ausgeschriebene weitere LTE-Frequenzband von 800 Mhz sollte ohnehin mit allen Modellen funktionieren.

Apples Behauptung, dass es sich beim iPhone 5S um das beste iPhone aller Zeiten handelt, kann man angesichts der getätigten Verbesserungen schwer widersprechen. Als störend wurden im Test vor allem zwei Dinge befunden: Zum einen wird das Gehäuse wie schon beim iPhone 5 manchmal unangenehm heiß, gerade wenn das Telefon im Hintergrund werkelt, sprich, Apps synchronisiert, Dateien aus dem Internet lädt bzw. hohe Datenmengen verarbeitet.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die viel diskutierte Displaygröße und ist ein generelles Dilemma für Apple im Kampf um Marktanteile. Die Entscheidung Apples, beim Größenrausch der Konkurrenz zu Gunsten einer besseren Handlichkeit des Geräts nicht mitzuspielen, ist ehrenwert und findet sicherlich auch weiterhin Anhänger. Im Test des iPhone 5S, aber auch im täglichen Gebrauch der Vorgängermodelle über einen langen Zeitraum hinweg, ertappt man sich aber immer häufiger damit, dass ein bisschen mehr Displaybreite nicht schaden würde – vor allem beim Surfen im Web, aber auch bei der Bedienung des virtuellen Keyboards.

Wenn man die Evolution des iPhones von seiner Einführung bis zum jetzigen iPhone 5S Revue passieren lässt, muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass Apple mit dem jetzigen Formfaktor bis vier Zoll im Zenit, aber gleichzeitig auch in der Sackgasse angelangt ist. Viel dünner, leichter, ja hochwertiger kann man den Nachfolger des iPhone 5S eigentlich kaum mehr bauen. Auch die Display-Auflösung ist seit dem iPhone 4 in Wahrheit ausgereizt.

Anders als im Notebook-Bereich ist es gleichzeitig wenig vorstellbar, dass Apple im hart umkämpften Smartphone-Markt auch im kommenden Jahr ein praktisch baugleiches Modell auf den Markt bringt. Die minimale Vergrößerung der Displaylänge von 3,5 auf 4 Zoll mit dem iPhone 5 hat Apple zwei Jahre Schonfrist verschafft. Nun muss Apple einige grundlegende Entscheidungen treffen, wo die Reise nach dem iPhone 5S hingeht.

Die Einführung des bunten iPhone 5Cist als erstes Experiment in diese Richtung zu werten. Über kurz oder lang wird Apple aber nicht drum herum kommen, die Displaygröße und folglich auch das Design des iPhones komplett zu überdenken.

Wen die Display-Größe bei seinem iPhone bisher nicht gestört hat oder wer generell auf der Suche nach einem handlichen, hochwertig verarbeiteten Smartphone ist, kann beim iPhone 5S bedenkenlos zugreifen. Das Konzept des Ur-iPhones wurde mit der aktuellen Geräteversion und iOS 7 weiter perfektioniert, das Ende der Fahnenstange scheint bei diesem Formfaktor und mit den derzeit bekannten Materialien allerdings langsam erreicht.

Mit 699 Euro (16 GB), 799 Euro (32 GB) und 899 Euro (64 GB) im freien Verkauf ist das iPhone 5S vermutlich das teuerste Smartphone der Welt. Für bestehende iPhone-Besitzer lohnt sich ein Umstieg daher nur, wenn sie ein iPhone 4S oder älter besitzen, das auch einige der iOS-7-Funktionen nicht mehr unterstützt.

Inhaber des iPhone 5 können hingegen getrost zuwarten. Sie profitieren lediglich vom neuen Fingerprint-Sensor und leicht verbesserten Kamerafunktionen, wie der Zeitlupenfunktion. Der stärkere Prozessor sollte zumindest in den kommenden zwölf Monaten keinen wirklichen Unterschied in der täglichen Benutzung machen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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