iPhone 6S
iPhone 6S
© Gregor Gruber

iPhone 6S im Test: Muskeltraining für die Finger

iPhone 6S im Test: Muskeltraining für die Finger

Wenn es um das Design geht, dürfte das S beim iPhone 6S für „schon mal dagewesen“ oder „so wie im Vorjahr“ stehen. Wie üblich setzt die S-Version auf dieselbe Optik wie das Vorjahresmodell. Im Fall des iPhone 6S ist das nichts Schlechtes: Das Aluminiumgehäuse gefällt immer noch und die runden Kanten schmiegen sich geradezu in die Handfläche.

Allerdings sind auch die Schönheitsfehler vom iPhone 6 ins iPhone 6S übernommen worden: Die Plastikstreifen für die Antennen und die hervorstehende Kameralinse, die wie eine Warze auf dem Babypopo-glatten Aluminiumgehäuse wirkt. Stichwort glatt: Auch das hat sich beim iPhone 6S nicht geändert. Dafür hat aber Apple laut eigenen Angaben stärkeres Aluminium und ein stabileres Frontglas verbaut. Sollte das 6S also mal aus der Hand rutschen, wird es den Sturz hoffentlich überstehen. Zudem hat Apple auch zusätzliche Dichtungen im Gehäuse angebracht. Zwar ist es nicht nach IP-Standards wasserfest, einige User berichten aber, dass das 6S Untertauchen bis zu einer Stunde übersteht.

Der Nachteil der verstärkten Materialen und der neuen Sensorenschicht im Display für 3D Touch: Das iPhone 6S ist 14 Gramm schwerer und 0,2 mm dicker. Nach einer Woche 6S fällt der Gewichtsunterschied aber nicht mehr auf.

Schnellere Touch ID

Was sofort auffällt, ist die schnellere und präzisere Touch ID. Die Erkennungsrate wurde abermals verbessert und das Entsperren ist flotter. In den meisten Fällen reicht es den Home-Button zu drücken, um das Gerät zu entsperren – der Finger muss nicht mehr am Home-Button verweilen.

Manche User müssen sich deshalb möglicherweise umgewöhnen. Hat man beim iPhone 6 schnell auf den Home-Button gedrückt, um die Uhrzeit anzeigen zu lassen, resultiert das beim iPhone 6S in ein Entsperren des Geräts. Da die Standby-Taste aber ohnehin auch gut zu erreichen ist, sollte die Umstellung nicht allzu dramatisch sein.

Force Touch am iPhone 6S

3D Touch

Während Touch ID schon seit dem iPhone 5S bekannt ist, ist 3D Touch ein gänzlich neues Feature – beim iPhone. Die Apple Watch und Touchpads der neuen MacBooks können ebenfalls erkennen, wie fest der User auf den Touchscreen drückt.

Apple selbst hat nicht gesagt, wie viele Druckstufen das iPhone 6S erkennt. Böse Zungen behaupten, dass es „3D Touch“ – und nicht wie bei der Apple Watch „Force Touch“ - heißt, weil es nur drei Stufen sind. Zumindest sind es in iOS 9 drei Berührungsstärken, die unterschieden werden.

Alle drei Stufen kommen bei der „Peek“-Funktion zum Einsatz. Tippt man eine Mail oder einen Link wie gewohnt an, wird der Inhalt geöffnet. Drückt man etwas fester darauf, wird ein Vorschaufenster geöffnet. Macht man das bei einer Adresse, zeigt die Vorschau den Ort in Apple Maps an. Drückt man jetzt noch fester aufs Display wird der Inhalt geöffnet.

In der Vorschau kann auch nach oben gewischt werden, woraufhin Schnellbefehle zur Auswahl stehen. Bei einer Mail sind etwa „Antworten“, „Weiterleiten“ und „Markieren“, bei einem Link „Kopieren“ oder „Zur Leseliste hinzufügen“. Streicht man bei Mails in der Vorschau nach links oder rechts, wird das Mail gelöscht oder als ungelesen markiert.

3D Touch Touchpad und Shortcuts

3D Touch: Die Tastatur wird zum Touchpad

Bei einigen Apps die 3D Touch unterstützen, gibt es „Quick Actions“. Tippt man etwa fest auf das Instagram-Icon im Home-Screen, wird der Hintergrund ausgeblendet und nur das Icon mit den Schnellbefehlen „Direkt“, „Suchen“, „Aktivitäten anzeigen“ und „Neuer Beitrag“ angezeigt. Bei der Nachrichten-App werden die kürzlich verwendeten Kontakte angezeigt, bei der Kamera-App etwa die Optionen „Selfie Aufnehmen“, „Video Aufnehmen“ und „Slo-Mo aufnehmen“.

Drückt man etwas fester auf der virtuellen Tastatur, verwandelt sich das Tastenfeld in ein Touchpad. So kann bequem und präzise der Cursor zu der Textstelle bewegt werden, an der man etwa einen Tippfehler ausbessern will. Drückt man im Touchpad-Modus etwas stärker, kann Text ausgewählt werden. Nach ein wenig Herumprobieren funktioniert das sehr gut und fühlt sich intuitiver und präziser an, als die übliche Art in iOS Text zu markieren.

Drückt man fest am linken Rand des Touchscreens und wischt in die Mitte des Bildschirms, öffnet sich der App Drawer, der die zuletzt verwendeten Apps in einer Cover-Flow-Ansicht zeigt. Wischt man mit einem festen Druck von links nach rechts, wird gleich zur zuletzt verwendeten App gewechselt. Beides funktioniert nicht nur im Home-Screen, sondern auch wenn gerade eine App geöffnet ist. Besonders das Wechseln zwischen den zwei gerade genutzten Apps ist so deutlich schneller und angenehmer, als ständig den Home-Button zweimal zu drücken und dann die vorherige App auszuwählen.

Zu fest, zu langsam

Jailbreak von iOS 9.1 per Webseite möglich

3D Touch wirkt noch nicht ganz fertig. Natürlich können nicht alle Apps aller Anbieter sofort 3D Touch unterstützen, aber zumindest seine eigenen Apps hätte Apple anpassen können. Wieso gibt es eine „Neue Notiz“-Quick-Action bei der Notiz-App, aber nur das böse Vibrieren bei Pages, das spürbar macht, dass es hier keine 3D-Touch-Funktion gibt?

Anfangs muss man sich auch ordentlich überwinden. Hat man früher das Smartphone-Display mit symbolischen Samthandschuhen angefasst, gilt es jetzt den Bildschirm energisch mit dem Finger zu malträtieren. Besonders um aus der Vorschau heraus den Inhalt zu öffnen, ist ein mittlerer Kraftaufwand nötig. Zwar gibt es in den Einstellungen die Option die „3D Touch-Empfindlichkeit“ auf „Leicht“, „Mittel“ und „Fest“ festzulegen. Allerdings ist der Unterschied kaum merkbar und selbst auf „Leicht“ muss man stärker auf die Vorschau drücken, um den Inhalt zu öffnen, als einem lieb ist.

Störend ist auch, dass die Quick Actions nicht sofort aufpoppen. Ein energischer, fester Tipper reicht nicht: Man muss mit dem Finger mit der erhöhten Stärke für kurze Zeit das App-Symbol gedrückt lassen. Es ist damit im Grunde eine Kombination aus „Hard Press“ und „Long Press“, anstatt einfach nur ein fester Druck. In den meisten Fällen ist das Entsperren des iPhone 6S per Fingerabdruck schneller als ein Hard Press, um die Quick Actions anzeigen zu lassen.

Mit der künstlich wirkenden Verzögerung will Apple wohl verhindern, dass User unbeabsichtigt zu fest zu drücken und die Quick Actions aufpoppen, anstatt, dass die App geöffnet wird. Bleibt zu hoffen, dass Apple ein iOS Update veröffentlicht, mit dem die künstliche Verzögerung in den Einstellungen reduziert werden kann.

iOS 9

Am iPhone 6S kommt das aktuelle iOS 9 zum Einsatz. Zu den guten Änderungen gehören etwa Shortcuts, die zuvor genutzten App zurückführen. Hat man in einer Mail einen Link angeklickt, wird links oben in Safari ein „Zurück zu Mail“-Shortcut angezeigt.

Wischt man im Home-Screen nach links, gelangt man zur neuen Spotlight-Suche. Unter der Such-Leiste sind vorgeschlagene (sprich häufig genutzte) Apps, gefolgt von News. Da die News-App noch nicht in Österreich verfügbar ist, können die News derzeit nicht deaktiviert bzw. konfiguriert werden.

Die Suche zeigt jetzt Ergebnisse für Mails, Karten, Websites, Kalender Apps und die Bing-Websuche an. Ganz perfekt ist die Suche noch nicht. Sagt man Siri, dass sie Fotos aus „Heiligenstadt“ anzeigen soll, funktioniert das. Gibt man in die Text-Suche „Heiligenstadt“ ein, wird die Foto-App nicht vorgeschlagen und auch nicht die passenden Fotos als Suchergebnis angezeigt.

Lauschende Siri

Spracheingabe mit Siri

Mit iOS 9 kann Siri zur Lauscherin werden, ähnlich wie man es von Google Now kennt. Mit „Hey Siri“ wird die Spracheingabe aktiviert, ohne, dass man das Handy zuvor entsperren oder überhaupt angreifen muss. Siri ist dabei aber nicht unbedingt wählerisch: Die Sprachassistentin reagierte auf die Zurufe mehrerer futurezone-Redakteure und nicht nur auf die Stimme der Person, die Siri eingerichtet hat. Daher ist es verständlich, dass Siri manche Apps nach einem „Hey Siri“ erst öffnet, wenn das iPhone 6S per Pin oder Fingerabdruck entsperrt wird. Ansonsten könnten etwa Fremde problemlos Zugriff auf die Mails des gesperrten Smartphones erhalten, indem sie Siri einfach nur lieb darum bitten.

Im Test hat „Hey Siri“ verlässlich funktioniert, auch bei Hintergrundlärm. Allerdings sollte man bedenken, dass „Hey Siri“ zwar erkannt wird, der Hintergrundlärm aber den folgenden Sprachbefehl womöglich sabotiert, wenn dieser etwas länger ist, wie: „Erinnere mich morgen um 20 Uhr daran die Kaffeemaschine zu putzen“.

Kamera

iPhone 6S

Das iPhone 6S hat eine 12-Megapixel-Hauptkamera und 5-Megapixel-Frontkamera. Im Vergleich zum iPhone 6 sehen die Fotos eine Spur schärfer und detaillierter aus. Auch Aufnahmen in der Nacht und bei wenig Licht sehen besser aus. Damit auch Selfies im Dunkeln gelingen, gibt es die Funktion „Retina Flash“. Dabei leuchtet das Display in maximaler Helligkeit kurz für das Foto auf. Dafür, dass es eigentlich nur ein Workaround ist, sind die Ergebnisse durchaus akzeptabel. Der optische Bildstabilisator hat es nicht ins normale iPhone 6S geschafft und ist weiterhin nur in der Plus-Variante zu finden.

Die neue Funktion „Live Photos“ nimmt zusätzlich zum Bild einen kurzen Videoclip auf. Scrollt man in der Foto-App durch die Aufnahmen, ist eine Sekunde des Fotos animiert. Das kann durchaus witzig aussehen, etwa wenn man eine Straßenkreuzung fotografiert, in die gerade ein Auto einfährt oder eine Person, die gerade für das Foto in die Luft gesprungen ist.

Insgesamt werden drei Sekunden aufgenommen. Will man das ganze Video sehen, drückt man fest (3D Touch) auf das Bild in der Foto-App. Die Hälfte vor und die andere Hälfte nach dem Zeitpunkt des Fotos. Deshalb sollte man das Smartphone nicht sofort in die Tasche stecken, wenn Live Photos aktiviert ist. Es sei denn man will diesen Moment verewigen. Live Photos macht hauptsächlich Sinn, wenn man bewegende Motive fotografiert. Es wäre wünschenswert, dass Live Photos, ähnlich wie HDR, eine Automatik-Funktion bekommt und erst aktiviert wird, wenn ein sich bewegendes Motiv fotografiert wird.

Das iPhone 6S kann jetzt auch Videos in 4K/UHD aufnehmen und in iMovie bearbeiten. Zuerst muss aber die Auflösung in den Einstellungen bei „Fotos & Kamera“ von FullHD auf 4K geändert werden – eine Schnelleinstellung in der Kamera-App gibt es nicht.

Leistung

iPhone 6S

Das iPhone 6S hat mit dem A9 einen schnelleren Prozessor und doppelt so viel RAM. Dadurch laden die Apps schneller und aufwändige Websites werden flotter dargestellt. Im direkten Vergleich ist das Display des iPhone 6S eine Spur heller, auch die Farbdarstellung schaut etwas realistischer aus. Eine LED-Benachrichtigungsleuchte gibt es immer noch nicht.

Bei der Akkuleistung hat sich nichts verbessert, aber immerhin auch nichts wesentlich verschlechtert. Bis zum Ende des Tages kommt man meistens durch. Aktiviert man den Energiesparmodus, kann man im Notfall noch gut eine Stunde Laufzeit herausholen, wenn er rechtzeitig aktiviert wird (Akkustand 10 bis 15 Prozent).

Fazit

iPhone 6S

3D Touch ist ein guter Ansatz, der hoffentlich mit den nächsten iOS-Updates Finetuning erhält. Alles andere sind hauptsächlich Detailverbesserungen, die zwar willkommen sind, aber nur schwer den Kauf eine iPhone 6S rechtfertigen können, wenn man bereits ein iPhone 6 besitzt.

Es sei denn man ärgert sich über die Geschwindigkeit und Präzision des Fingerprint-Sensors vom iPhone 6 und ist bereit mindestens 739 Euro auszugeben, um diesen Missstand zu beseitigen. Oder einfach nur weil es tatsächlich beeindruckend ist, wie schnell und zuverlässig das Entsperren des iPhone 6S per Fingerabdruck, im Vergleich zu allen anderen Smartphones, funktioniert.

Wer sein zwei Jahre altes iPhone 5S in den Ruhestand schicken will, kann beruhigt zum 6S greifen.

Technische Daten vom iPhone 6S auf der Website des Herstellers

Disclaimer: Das iPhone 6S (64 GB, Farbe: Gold) für diesen Test wurde von T-Mobile für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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