ÖBB stellen sich der Kritik an ihrer Webseite und App
ÖBB stellen sich der Kritik an ihrer Webseite und App
© Gregor Gruber

Usability

Kritikwelle: ÖBB wollen App und Webseite verbessern

„Umständlich, unlogisch, unübersichtlich“. Das sind nur einige der Kritikpunkte, die frustrierte futurezone-Leser für die neue ÖBB-App sowie die ebenfalls überarbeitete Webseite inklusive Ticketshop übrig hatten. Entnervte Kunden berichten immer wieder in sozialen Netzwerken, wie sie stundenlang versuchten, ein Ticket zu lösen, um am Ende doch wieder den Ticketautomaten am Bahnhof aufzusuchen.

Wo geht's zur Vorteilscard?

Nicht wenige scheitern am Kauf oder der Verlängerung der Vorteilscard, weil diese auf der Startseite nicht mehr auffindbar ist. Auch dass viele Menüpunkte in einer Seitenleiste versteckt sind, die mit einem Klick auf das ÖBB-Logo in der linken Bildschirmecke erst manuell eingeblendet werden müssen, erschließt sich vielen überhaupt nicht. Dazu kamen eine Reihe von Systemfehlern, wie beim Reservierungs- und Bezahlsystem, von denen laut ÖBB die meisten mittlerweile aber behoben sein sollen.

Die meisten Kritikpunkte der futurezone-Leser, aber auch vieler anderer Bahnkunden beziehen sich auf die Homepage, die sich stark am Design und der Bedienung der Smartphone-App orientiert. Mit nur zweieinhalb von fünf Sternen sowohl im Google Play Store als auch im Apple App Store fällt aber auch das Urteil für die App nicht gerade schmeichelhaft aus. Im Interview mit der futurezone stellten sich die Verantwortlichen nun der Kritik.

Nicht alles optimal

„Manche Dinge sind noch nicht ganz optimal gelöst. Wir sind aber weiterhin davon überzeugt, dass wir den richtigen Ansatz gewählt haben“, sagt Matthissa Hahn, die für die Gesamtkoordination des Projekts bei den ÖBB verantwortlich ist. App, Online-Auftritt und in weiterer Folge auch Ticket-Automaten sollen mit dem gleichen Interface und Design ausgestattet werden. Eine neue entwickelte Suchmaschine gleicht Hunderttausende Ticketoptionen ab, um den günstigsten Preis für Kunden auszuspucken.

ÖBB stellen sich der Kritik an ihrer Webseite und App
Die möglichst ähnliche Gestaltung von App und Online-Auftritt mag in der Theorie nach einer guten Idee klingen, in der Praxis zeigt sich allerdings einmal mehr, dass ein touchbasiertes Smartphone und ein PC mit Tastatur und Maus zwei völlig unterschiedliche Dinge sind, die nicht nur wegen eingelernten Bedienmustern nach anderen Prinzipien funktionieren. Windows 8 lässt grüßen.

Ticketkauf in 5 Sekunden

„Ziel war es immer, dass man mit zwei Klicks in fünf Sekunden ein Ticket kaufen kann. Und das ist uns gelungen“, lässt sich Hahn von den negativen Reaktionen nicht entmutigen. Vor allem Vielfahrer, Pendler bzw. Kunden, die einmal ihre Daten und Bezahlinformationen hinterlegt haben, würden vom neuen System profitieren.

Manche Kunden habe man durch die radikale Umgestaltung der Webseite, aber auch durch neuartige Funktionen wohl ein wenig überfordert, gibt Hahn zu: „Die Navigation ist viel flexibler als früher, dafür wird der Kunde weniger durch die einzelnen Schritte geführt. Das hat einige Kunden sicher verunsichert.“

Feedback und Kritik nehme man natürlich ernst. Bedienelemente würden ständig evaluiert. Kommen die Verantwortlichen zum Schluss, dass sich gewisse Funktionen nicht bewähren, werden diese angepasst und überarbeitet. Alle drei bis vier Wochen werden App und Webseite aktualisiert.

Verschiedene ÖBB-Seiten verwirren

Einiges, was die Bedienung der Webseite derzeit noch verkompliziert, ist laut ÖBB jahrzehntelang gewachsenen Strukturen geschuldet, die erst nach und nach zusammengeführt werden können. Da das Ticketsystem im Backend noch nicht vollständig integriert ist, öffnet sich beim Klick auf „Ticket buchen“ auf der ÖBB-Start-Seite eine separate Ticket-Webseite.

Erst auf dieser kann man sich über die erneut einblendbare Seitenleiste einloggen und auch Produkte wie die Vorteilscard erwerben. Dass die Leiste völlig andere Menüpunkte aufweist wie die der Start-Seite trägt nicht unbedingt dazu bei, dass man sich leichter zurechtfindet.

Die ÖBB-Webseite wird weiterhin heftig kritisiert

Der Klick auf „Verbindung suchen“ auf der Startseite führt wiederum auf eine dritte Seite mit der alten Scotty-Fahrplanauskunft, die visuell nicht angepasst wurde. „Wir sind halt nicht Google oder Apple und verfügen folglich auch nicht über ein Entwicklerteam, das alles gleichzeitig angreifen kann. Da Scotty weiterhin sehr beliebt ist, wollten wir das den Kunden nicht wegnehmen. Zudem sind in Scotty einige Funktionalitäten wie der Zugradar integriert, die im neuen System noch nicht abgebildet sind“, erklärt Hahn.

Ein weiterer Grund für das Festhalten an der alten Fahrplanauskunft ist, dass die ÖBB sich verpflichtet haben, auch andere Verkehrsmittel und Anbieter wie die Westbahn anzuzeigen. Mit Scotty erfüllen die ÖBB diese Anforderung und können gleichzeitig beim neuen Ticket-Buchungssystem darauf verzichten, den Konkurrenten prominent aufscheinen zu lassen.

Vollständiger Anbieter

Dabei wollen die ÖBB zum „vollständigen Mobilitätsanbieter“ werden, wie ÖBB-Sprecher Michael Braun im futurezone-Interview bekräftigt. Während die regionalen Verkehrsverbünde bereits jetzt im System abgebildet sind, könnten künftig auch Fernbusse, Autoverleih sowie Carsharing, Uber und regionale Öffi-Betreiber für die letzte Verbindungsmeile nach Hause integriert werden. „Kunden wollen ihre Reise von der Haustür bis an den finalen Ankunftsort bequem über eine Seite abwickeln und buchen. Diese Plattform werden wir sein“, sagt Braun.

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Was die Kritik an App und Webseite betrifft, wolle man nichts schönreden. Andererseits müsse man aber auch die Kirche im Dorf lassen. „Jeder in Österreich hat eine Meinung zu uns, mehr noch als zum Fußball-Nationalteam. Bei 1,4 Millionen Bahnkunden täglich und über 20.000 Tickets, die pro Tag über die App und online gebucht werden, ist das auch nicht verwunderlich“, sagt Braun.

Die Buchungszahlen über die neue App und Webseite hätten mit plus 25 Prozent jedenfalls alle Erwartungen übertroffen. Über die App seien in den ersten drei Monaten nach Veröffentlichung gar 70 Prozent mehr Tickets verkauft worden.

Ticket am Handy herunterladen
Einige Leser bemängeln, dass für die Ticketanzeige eine Online-Verbindung notwendig ist. Laut den ÖBB muss das Ticket nach dem Beziehen einmal geöffnet werden – damit wird es auf das Gerät geladen und ist auch offline verfügbar. Wer also den QR-Code zum Ticket in der App sieht, hat dieses am Handy. Das Möglichkeit, Fahrkarten in Apples Ticket-App Wallet abzuspeichern, ist angedacht.

Vorteilscard und Wochenkarten
Wer eine Vorteilscard kaufen möchte, muss im Web von der ÖBB-Startseite auf „Ticket buchen“ und dann die Seitenleiste links einblenden. Ab Anfang August wird es zudem einen Menüpunkt geben, in dem sämtliche nicht fahrplanbasierte Tickets wie auch Wochen- und Monatskarten gebucht werden können.

Die ÖBB-Webseite wird weiterhin heftig kritisiert
Sparschiene-Tickets werden nur angezeigt, wenn man nicht mit Vorteilscard eingeloggt ist
Das ist laut ÖBB nicht richtig. Seit dem Relaunch werden jeweils die günstigsten Tickets angezeigt. Ist die Sparschiene nicht (mehr) verfügbar bzw. teurer als das Vorteilscard-Ticket, scheint sie folglich auch für Kunden nicht auf.

Grafische Sitzplatzreservierung Railjet
In der App ist die grafische Platzauswahl derzeit nicht möglich. Über die Webseite wird die Sitzplatzauswahl weiterhin angeboten, ist aber gut versteckt. Ist die Reservierung ausgewählt, klickt man auf „Reservierungsdetails“, dann „Zur Sitzplatzauswahl“ unter dem aufklappbaren Menü.

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Zahlungs- und Kreditkarten-Probleme
Durch einen Wechsel des Zahlungsanbieters mussten Kunden, welche ihre Kartendaten hinterlegt haben, zuletzt aus Sicherheitsgründen noch einmal ihre Daten eingeben. Die Umstellung verursachte zudem Zahlungsprobleme, diese sollten mittlerweile aber behoben sein.

Reservierung ohne Zugticket
Wer nur einen Sitzplatz reservieren möchte, kann dies weiterhin tun. Der Punkt findet sich ebenfalls versteckt unter den Angeboten für Tickets. Im Web klickt man auf „Weitere Angebote“, in der App auf „Mehr“. Laut den ÖBB habe man drei bis vier Varianten in Usability-Tests abgeprüft, die derzeitige habe am besten abgeschnitten.

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Design
Die Kritik, man habe Funktionalität einem pseudo-modernen Aussehen mit hübschen großen Bildern geopfert, lassen die ÖBB nicht gelten. Man sei ganz bewusst von den Kernfunktionalitäten ausgegangen und habe auf Basis dieser die visuelle Gestaltung konzipiert. Die Funktionalität und Usability sei von Anfang an im Mittelpunkt gestanden und mit über 100 Beta-Usern getestet worden. In Zukunft werden auch die ÖBB-Ticketautomaten an Bahnhöfen und in Zügen an das in App und im Web verwendete Design angepasst.

Hin- und Rückfahrt
In Zukunft soll man zur Hinfahrt auch die Rückfahrt buchen können. Das Konzept für die Umsetzung wird derzeit aber erst ausgearbeitet.

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Warenkorb
Wer Tickets im Warenkorb verändern wollte, musste bisher das Ticket löschen und von vorne beginnen. In Zukunft kann der Inhalt des Warenkorbs flexibel adaptiert werden.

Adresse statt Haltestelle
Beim Ticketkauf wird man künftig nicht mehr nur die Haltestelle auswählen können, sondern kann auch Adressen eingeben, um seine Reise zu planen.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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