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2-in-1

Microsoft Surface Pro 4 im Test: Der Windows-10-Faktor

Die Zeit des Ausprobierens ist vorbei: Dieses Jahr muss sich Microsofts Surface Pro erstmals starker Konkurrenz stellen. Sei es HP, Lenovo oder Dell, jeder namhafte Hersteller scheint mittlerweile einen “Surface-Konkurrenten” im Angebot zu haben. Selbst Apple, Microsofts schärfster Konkurrent, versucht mit dem iPad Pro das Konzept des Surface Pro zu kopieren.

Doch wer liefert den besten Tablet-Laptop-Hybriden ab? Reicht Microsofts Startvorsprung von zwei Jahren aus, um die Konkurrenz weiterhin in Schach zu halten? Die futurezone hat die bereits vierte Generation des Surface Pro getestet.

Größer, aber dennoch nicht gewachsen: Das Surface Pro 4 vollbringt ein seltenes Kunststück. Obwohl die Abmessungen des Tablets in Länge und Breite auf den Zehntelmillimeter genau gleichgeblieben sind, ist der Bildschirm dennoch um 0,3 Zoll angewachsen. Dazu wurden die Ränder spürbar verkleinert. Zudem hat Microsoft das nutzlose Windows-Logo, hinter dem sich ein Softkey verbarg, endlich entfernt. Der Bildschirm nimmt nun 76,57 Prozent der Front ein – ein Hauch mehr als beim iPad Pro (76,47 Prozent).

Die Ränder sind jedoch breit genug, um das Surface Pro 4 auch angenehm als Tablet zu verwenden. Zumindest für eine Weile, denn das Surface Pro 4 bringt immerhin 786 Gramm (zehn Gramm weniger als zuvor) auf die Waage. Leichter Notebook-Ersatz, schweres Tablet – zumindest, wenn man den Vergleich mit den beliebten 10-Zoll-Tablets anstellt. Die Verarbeitung ist makellos, der Übergang von Magnesium-Gehäuse (VaporMg) zur Glas-Front kommt ohne große Spaltmaße aus. Die Verarbeitung und das Design des Surface Pro 4 werden seinem Preis gerecht.

Alles optional

Der frei verstellbare Ständer auf der Rückseite ist unverändert gut, der Widerstand fällt nun aber etwas geringer aus. Das beeinträchtigt die Stabilität der Konstruktion aber keineswegs. Wer gerne auf dem Schoß tippt, bekommt so nun einfacher Gelegenheit, den Winkel anzupassen. Apropos Tippen am Schoß: Die Software-Tastatur ist zwar gut gelungen, Microsoft bietet aber weiterhin sein Type Cover an. Leider ist es weiterhin nicht im Lieferumfang enthalten, sondern muss teuer nachgekauft werden (UVP 149,99 Euro). Das ist schade, denn ohne dieses Zubehör ist das Surface Pro 4 kein wahrer Laptop-Ersatz. Kleiner Trost: Wer bereits ein Type Cover vom Vorgänger besitzt, kann es mit dem Surface Pro 4 weiterverwenden.

Seine Arbeit verrichtet das neue Type Cover jedoch exzellent. Der Druckpunkt der Tasten ist angenehm weich und mit jenen des MacBook Air vergleichbar. Auch das nun deutlich breitere Touchpad kann mit den MacBook-Touchpads mithalten. Abgesehen von der physischen Tastatur dient es lediglich als Schutz für den Bildschirm. Einen zusätzlichen Akku oder Anschlüsse sucht man vergeblich. Bei den Anschlüssen des Grundgeräts stößt man ebenfalls rasch an Grenzen: ein USB-3.0-Port, ein MiniDisplay-Port, ein microSD-Kartenleser sowie eine Kopfhörerbuchse müssen ausreichen. Alternativ bietet Microsoft eine optional erhältliche Dockingstation (UVP 229,99 Euro) an, die das Surface Pro um Anschlüsse erweitert und es rasch in einen Desktop-Ersatz verwandelt.

Größer, aber dennoch schärfer - auch dieses Kunststück ist Microsoft gelungen. Der 12,3-Zoll-Bildschirm löst nun mit 2736 mal 1824 Pixeln auf (statt 2160 mal 1440 Pixel). Eines vorweg: Wer einmal mit diesem Bildschirm gearbeitet hat, will nicht mehr zurück. Zugegeben, es gibt mittlerweile einige Laptops, die ähnlich hochauflösende Bildschirme bieten können, doch Microsoft hat wirklich darauf geachtet, dass jeder Aspekt stimmt: Das Bild ist gestochen scharf (267 ppi); Farbdarstellung, Blickwinkelabhängigkeit und Helligkeit sind herausragend; zudem ist das ungewöhnliche Bildverhältnis von 3:2 ideal für Multitasking unter Windows 10.

Lediglich der stark spiegelnde Bildschirm trübt den Gesamteindruck etwas. Der Effekt fällt spürbar stärker aus als bei MacBooks. Vor allem bei Tageslicht sieht der Benutzer meist eher eine Spiegelung von sich selbst statt den Bildschirminhalt. Um diesen Effekt zu minimieren, muss die Bildschirmhelligkeit erhöht werden.

Das Einsteiger-Modell Surface 3 kommt ohne Lüfter aus, das Surface Pro 4 wird allerdings weiterhin aktiv gekühlt. Das Gehäuse ist von schmalen Kühlschlitzen umgeben, hinter denen sich die Lüfter befinden. Diese sind im Alltag aber kaum wahrnehmbar. Um sie im Regelbetrieb zu hören, müsste man die Ohren direkt an die Kühlschlitze halten. Unter Last steigt die Lautstärke zwar an, das blasende Geräusch stört aber nicht beim Arbeiten. Das Magnesium-Gehäuse erwärmt sich zudem kaum.

Microsoft setzt beim Surface Pro 4 auf Mobil-Prozessoren der aktuellen Intel-Core-Generation “Skylake”. Wer auf der Suche nach einem Laptop-Ersatz ist, sollte allerdings vom Einsteiger-Modell des Surface Pro 4, das lediglich mit einem Intel Core m3 ausgestattet ist, absehen. Für simple Aufgaben, wie Office-Programme und Internet, ist der niedrig getaktete Mobil-Prozessor ausreichend, darüber hinaus geht ihm aber schnell die Puste aus. Einzige Vorteile: Diese Version des Surface Pro 4 kommt ohne aktive Lüftung aus und hat eine etwas längere Akkulaufzeit.

Vielfalt mit Fehlern

Die getestete Core-i5-Variante schlug sich wacker im Alltag, neben Adobes Creative Suite liefen auch grafisch einfache Spiele problemlos. So ließ sich das aktuelle “StarCraft 2: Legacy of the Void” bei mittleren Details (1920 mal 1080 Pixel) flüssig spielen. Aufgrund des ungewöhnlichen 3:2-Bildschirmverhältnisses müssen Gamer zwar meist Kompromisse hinnehmen (das Bild ist abgeschnitten oder verzerrt), grafisch weniger anspruchsvolle Titel können jederzeit gespielt werden. Wer etwas mehr Grafikleistung wünscht, muss zur i7-Variante des Surface Pro 4 greifen, da diese über den aktuellen Intel-Grafikchip Iris 540 verfügt. Die anderen Modelle müssen mit einem Intel HD 520 (Core i5) und HD 515 (Core m3) auskommen, die spürbar weniger Leistung liefern.

Widersprüchliche Ergebnisse lieferte das Surface Pro 4 im Akku-Test. Im Alltag waren meist acht bis zehn Stunden Laufzeit bei leichter Nutzung (Energiesparmodus, WLAN-Verbindung aktiv) möglich - ein sehr guter Wert, der wohl auch den neuen Intel-Prozessoren zu verdanken ist. Hin und wieder wurde der Akku aber im Standby-Modus regelrecht leergesaugt. Passend dazu gab es immer wieder Probleme beim Reaktivieren des Geräts. Der Bildschirm ließ sich nicht aktivieren, obwohl die Hintergrundbeleuchtung der Tastatur anzeigte, dass das Gerät aktiv war. Das Problem scheint Microsoft offenbar bekannt zu sein, der dazu passende Support-Artikel empfiehlt einen Hard Reset.

Mit Windows 10 legt das Surface Pro 4 endlich die Ketten von Windows 8 ab. Trotz leichter Software-Probleme entfaltet der Tablet-Laptop-Hybride dank dem neuen Betriebssystem so sein volles Potenzial. Der Fokus liegt wieder auf dem Desktop, nur im optionalen Tablet-Modus wird auf das von vielen verhasste Kachel-Layout zurückgegriffen. Das Betriebssystem wurde bereits von der futurezone ausführlich getestet (zum Test), Microsoft hat keine nennenswerten Anpassungen vorgenommen. Da das Surface Pro als “Referenzgerät” das Maß aller Dinge für 2-in-1-Geräte darstellt, sind auch alle Windows-10-Features wie “Windows Hello” (biometrisches Login) kompatibel.

Auffällig ist jedoch, dass sich immer mehr Universal-Apps im App Store finden. Das wohl ungewöhnlichste Beispiel ist die offizielle Kamera-App, die “baugleich” mit der Kamera-App auf Windows 10 Mobile ist. Sowohl vorne als auch auf der Rückseite wurden 5-Megapixel-Kameras verbaut, die für Videochats und Aufnahmen von Dokumenten gut geeignet sind. Mehr sollte man sich jedoch nicht erwarten. Ebenso gut gelungen sind die beiden Frontlautsprecher, die laut genug für die Filmwiedergabe sind.

Microsoft betont stets, dass das Surface Pro “das Tablet ist, das den Laptop ersetzen kann”. Ein platter Werbespruch, der zumindest bei den ersten zwei Generationen nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Doch seit dem Surface Pro 3 kann man das 2-in-1 als ernsthaften MacBook-Herausforderer ansehen. Tippen mit dem Type Cover ist sowohl auf ebenen Oberflächen als auch auf dem Schoß angenehm möglich. Doch beim Tippen auf dem Schoß drückt der Standfuß auf die Dauer unangenehm auf den Oberschenkel (oder, je nach Sitzposition, das Knie). In puncto Performance, Design und Ökosystem kann es aber mittlerweile locker mit Apples MacBooks mithalten.

Wer hier allerdings glaubt, ein Schnäppchen zu machen, wird enttäuscht. Wie bei den Vorgängern ist das Type Cover nur optional erhältlich, zumindest der Stift findet sich im Lieferumfang. Der Surface Pen wurde leicht überarbeitet und ist nun etwas schwerer und länger. Das zusätzliche Gewicht stammt vermutlich von den Magneten, mit denen der Stift nun an der Seite des Surface angebracht werden kann. Zudem erfasst der Stift nun 1024 statt 256 Druckstufen. Herkömmliche Nutzer werden den Unterschied beim Schreiben mit OneNote kaum bemerken, doch Profis werden den höheren Detailgrad zu schätzen wissen. Für diese Nutzer bietet Microsoft um knapp 20 Euro auch einen Satz austauschbarer Stiftspitzen an. Ebenfalls praktisch: Die Rückseite kann nun als “Radierer” verwendet werden.

Was wäre das für ein spannender Schlagabtausch mit Apple gewesen, wenn bereits das erste Surface auf Windows 10 gesetzt hätte? Eine Frage, auf die man wohl nie eine Antwort bekommen wird. Doch eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Das Surface Pro 4 ist das bislang beste Windows-Gerät. Die Verarbeitung ist hochwertig, die Leistung passt und der Formfaktor “2-in-1” ist mehr als nur ein Gimmick. Daher kann man eigentlich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für das Surface Pro 4 aussprechen - wäre da nicht der Preis. Rechnet man die Kosten für das Type Cover mit ein, kommt das Surface Pro 4 genauso teuer wie ein aktuelles MacBook Pro (das natürlich ohne Touch und Stifteingabe auskommen muss).

Die Konkurrenz schläft zudem nicht, auch andere Hersteller bieten mittlerweile attraktive 2-in-1-Geräte an, die mit dem Surface Pro mithalten können, meist zu günstigeren Preisen. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, wartet ab, bis die Surface-Konkurrenten von Lenovo (Ideapad Miix 700), HP (Spectre x2) und Dell (XPS 12) verfügbar sind. Besitzer des Vorgängers haben keinen Grund, auf das neue Modell umzusteigen, die Unterschiede sind zu gering.

Modell:
Microsoft Surface Pro 4
Maße und Gewicht:
292,1 x 201,4 x 8,45 mm; 786 g
CPU:
Intel Core i5-6300U (Dual-Core 2,4 GHz)
GPU:
Intel HD 520
RAM:
8 Gigabyte
Bildschirm:
12,3 Zoll PixelSense-Bildschirm (spiegelnd, 2736 x 1824 Bildpunkte, 3:2, 267 ppi)
Speicher:
256 GB SSD (davon 236 GB nutzbar)
Akku:
38,2 Wh
Sonstiges:
1 x Mini-DisplayPort, 1 x USB 3.0, WLAN (801.11 a/b/g/n/ac), Bluetooth 4.0, Frontkamera (5 Megapixel), Rückkamera (8 Megapixel), Speicherkartenleser (microSD)
Preis:
1449 Euro (getestete Variante, ab 999 Euro erhältlich)

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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