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Streaming in Österreich

Netflix im Test: Endlich intelligent fernsehen

Kaum ein Start eines US-Dienstes wurde dermaßen sehnlich erwartet, wie jener der Streaming-Flatrate Netflix. Jetzt kommt der Dienst, der einst ein DVD-Verleih war, auch nach Österreich. Ab heute ist Netflix ab 7,99 Euro pro Monat verfügbar.

Dafür bekommt der Kunde Zugriff auf eine große Bibliothek an deutsch- und englischsprachigen Filmen und TV-Serien, die beliebig oft und auf verschiedenen Geräten angesehen werden können. Kann der Dienst zum Österreich-Start mit dem Hype mithalten? Die futurezone hat den Dienst und das österreichische Angebot getestet.

Netflix ist nicht der erste Streaming-Anbieter mit einem Flatrate-Angebot, Skys Snap sowie der deutsche Anbieter Maxdome bieten ihre Dienste bereits seit längerer Zeit in Österreich an. Wer diese Anbieter kennt und bereits genutzt hat, wird sich bei Netflix rasch zurecht finden. Die Web-Oberfläche des Dienstes ist übersichtlich und sehr simpel gehalten. Die obere Hälfte wird meist von aktuellen Highlights eingenommen. Über den Highlights ist eine Leiste mit Bedienelementen.

Unter “Browse” finden sich die verfügbaren Film- und Serien-Kategorien, wie zum Beispiel Komödie, Drama oder Blockbuster. Auch eine Kids-Sektion ist verfügbar, zudem kann direkt nach Inhalten gesucht werden. Dabei ist man nicht auf den Titel beschränkt, auch Genre, Schauspieler, Regisseur oder Beschreibung können direkt durchsucht werden. Ist ein Titel nicht verfügbar, können zumindest “ähnliche Titel”, vergleichbar mit den Empfehlungen bei Amazon, angezeigt werden.
Scrollt man ein Stück nach unten, kommt eine scheinbar nicht enden wollende Flut an Listen daher. Diese lassen sich horizontal durchscrollen und sind thematisch geordnet. So stehen an der Spitze meist die “beliebtesten Titel” sowie die “besten Empfehlungen für den Nutzer”, darunter finden sich Empfehlungen aus den einzelnen Kategorien. Diese sind jedoch nicht für jeden Nutzer gleich, Netflix orientiert sich dabei am Sehverhalten des Benutzers. Wenn man Doctor Who und Sherlock schaut, schlägt Netflix mehrere Gewinner des britischen BAFTA Awards in einer Liste vor, beispielsweise die Serie Misfits oder den Film Fargo.
Klickt man auf das Titelbild, wird der Titel wiedergegeben. Dabei merkt sich Netflix auch die zuletzt gesehene Position und synchronisiert diese über alle Geräte. Das ist insbesondere bei Serien von Vorteil, denn oft vergisst man die zuletzt gesehene Folge. Zudem lädt es zum “Zwischendurch”-Schauen ein, denn so muss man sich nicht den kompletten Film oder Episode am Stück ansehen, sondern kann die Wiedergabe auch später fortsetzen. Hält man die Maus über das Titelbild, wird eine kurze Beschreibung mit den Hauptdarstellern sowie einer geschätzten Sterne-Bewertung angezeigt.

Die Bewertungen sind wichtig für Netflix, damit es bessere Empfehlungen für den Benutzer abgeben kann. Die Spanne reicht dabei von “Ich liebe es” (Fünf Sterne) bis “Ich hasse es” (Ein Stern), schriftliche Rezensionen sind auch möglich. Diese erinnern an Amazon-Bewertungen und können von den Benutzern als hilfreich oder unangemessen eingestuft werden. Zu einzelnen Episoden können jedoch keine Bewertungen abgegeben werden.

Nur Text in Vorschau

Die Oberfläche von Netflix stellt vor allem Filmplakate in den Vordergrund. Ein wenig fühlt man sich das Stöbern in einer Videothek erinnert, allerdings mit deutlich mehr Komfort. Listen lassen sich zum Beispiel nach Empfehlung, allgemeiner Bewertung, Erscheinungsdatum, Alterseinstufung oder dem Alphabet sortieren. Lediglich ein kurzer Trailer fehlt, das würde die Entscheidung hin und wieder deutlich erleichtern. So muss man sich auf die Beschreibung und die Kommentare verlassen. Ein Feature fehlt überraschenderweise in der von der futurezone getesteten Version: Eigene Listen erstellen. In der US-Ausgabe kann der Benutzer Titel abspeichern, um so interessante Filme oder Serien für später vorzumerken. Zahlreiche futurezone-Leser berichteten jedoch, dass das Feature bei ihnen verfügbar sei.

Während der Wiedergabe sind die Möglichkeiten für den Benutzer eingeschränkt. Man kann pausieren, die Lautstärke regeln und die Tonspur sowie Untertitel wählen. Für zahlreiche Titel ist bereits eine deutsche Tonspur verfügbar, der Rest ist zumindest auch auf Deutsch untertitelt.

Fans der Original-Versionen werden nicht enttäuscht, für das komplette Netflix-Angebot (mit Ausnahme deutscher Produktionen) sind englische Tonspuren verfügbar. Die Audio-Qualität ist gut, variiert jedoch von Titel zu Titel. So sind einige Filme beispielsweise in Dolby Digital 5.1 verfügbar, andere wiederum in Dolby Pro Logic oder gar nur Stereo.

Nicht im Browser hochauflösend

Die Qualität kann nicht kontrolliert werden, Netflix passt diese an die verfügbare Übertragungsgeschwindigkeit an. Dabei variiert die Qualität des Videosignals zwischen 235 und 3000 kbps, auf einigen Geräten wird auch das sogenannte Super HD unterstützt. Dieses gibt Videos in 1080p mit 6 Mbps wieder, allerdings ist das noch auf wenige Geräte beschränkt. So werden beispielsweise Apple TV, Wii U, Sonys PS3 und PS4, die offizielle Windows 8-App sowie zahlreiche Smart TVs unterstützt. 4K ist ebenfalls in Planung und wird vorerst nur auf einigen 4K-Smart-TVs und 4K-Zuspielern verfügbar sein.

Im Browser muss man sich mit maximal 3000 kbps zufrieden geben, die Qualität ist aber dennoch ansprechend und kommt BluRay-Qualität nahe. In der höchsten Qualität kommt es zu keinerlei Artefaktbildung, auch das Buffern bei wechselnder Geschwindigkeit funktioniert gut. So ist es bei einer konstanten Internetverbindung nahezu unmöglich, dass die Wiedergabe abbricht, lediglich die Qualität wird stufenweise gesenkt. Ähnlich funktioniert es auch auf Smartphones, Smart TVs oder Set-Top-Boxen. Super HD macht insbesondere auf großen Flat-TVs Sinn, im direkten Vergleich zwischen der BluRay und dem Netflix-Stream der BBC-Serie Sherlock war nahezu kein Unterschied erkennbar. Das Bild des Netflix-Streams machte jedoch aus nächster Nähe einen etwas verwaschenen Eindruck, aus der Distanz machte sich das aber nicht bemerkbar.

Der Netflix-Algorithmus ist clever und basiert auf den bislang gesehenen Inhalten sowie Bewertungen. Auf Basis dieser Daten gibt Netflix laufend Empfehlungen ab und reiht Listen passend auf den Nutzer um. Ohne diese Empfehlungen wäre Netflix wohl nicht einmal halb so erfolgreich, laut dem Unternehmen werden 75 bis 80 Prozent der Streams auf der Basis von Empfehlungen wiedergegeben, nicht nach einer gezielten Suche.

Da manche Netflix-Accounts von mehreren Personen genutzt werden, ermöglicht Netflix mittlerweile das Anlegen von Profilen. So werden die Empfehlungen nicht verfälscht, wenn eine andere Person den Netflix-Account verwendet. Eltern können zudem Profile für ihre Kinder anlegen und so Filme mit einer hohen Alterseinstufung ausblenden.
Im Gegensatz zu anderen Algorithmen, beispielsweise Facebooks mysteriösen Edge Rank, gibt Netflix jedoch dem Nutzer die Kontrolle über den Mechanismus. Unter “Taste Profile” können bereits Titel bewertet und alte Bewertungen geändert werden. Zudem kann man gewisse Film-Kategorien - nicht nur die Klassiker wie Drama oder Komödie, auch “Sundance Film Festival Gewinner” oder “Basierend auf einem Videospiel” - gewichten. So wird bestimmt, wie häufig man gerne einen Film aus dieser Kategorie sehen möchte.

Sinnloses Facebook

Ein vollständiges Deaktivieren des Empfehlungs-Algorithmus ist nicht möglich, man kann jedoch das Bewerten verweigern und regelmäßig seine Protokolle löschen. Gerüchten zufolge testet Netflix auch einen “Inkognito-Modus”, ähnlich wie beim Browser, bei dem die Wiedergabe nicht protokolliert wird. Relativ sinnlos ist derzeit noch die Facebook-Integration.

Wie bei Spotify kann die aktuelle Wiedergabe automatisch geteilt werden. Diese ist dann allerdings nicht auf Facebook zu sehen, sondern auf Netflix. Zudem kann man seinen Facebook-Freunden - unabhängig davon, ob sie auf Netflix sind - Titel empfehlen. Diese werden per Facebook-Nachricht verschickt. Die Verknüpfung mit Facebook ist optional und nicht zwingend erforderlich.

Es macht mittlerweile kaum mehr Sinn, die von Netflix unterstützten Geräte aufzuzählen, denn die Liste ist scheinbar endlos. Lediglich Linux-Nutzer müssen noch etwas basteln, denn die Browser-Version von Netflix setzt derzeit noch auf das Microsoft-Plugin Silverlight. Der HTML5-Player von Netflix lässt sich jedoch unter Chrome durch Wechseln des User Agents nutzen. Zuvor musste man auf das Plugin Pipelight zurückgreifen. Die Situation dürfte sich aber entspannen, wenn Netflix seinen Player für mehrere Plattformen auf HTML5 umstellen wird. Unter Safari 8 und Internet Explorer 11 ist der HTML5-Player bereits offiziell verfügbar und soll dort einen deutlichen Performance-Schub liefern.

Die Apps für Android, iOS und Windows Phone setzen auf ein relativ einheitliches Interface, das jenes der Browser-Oberfläche imitiert. Der Funktionsumfang ist ident, zusätzliche Funktionen sucht man jedoch auch vergeblich, beispielsweise Offline-Speichern von Filmen oder Serien für Flug- oder Zugreisen. Etwas kniffliger ist die Bedienung der Apps für Smart TVs und Set-Top-Boxen, da hier meist eine Tastatur fehlt. Zumindest auf dem Chromecast und dem Apple TV kann man jedoch auf das Smartphone oder Tablet als Tastatur zurückgreifen. Auch auf nahezu allen aktuellen Spielkonsolen ist Netflix mittlerweile als App vertreten und lässt sich angenehm bedienen. Die Xbox One und der Nintendo 3DS werden aber vorerst noch nicht in Österreich unterstützt.

Das Angebot ist im Vergleich zum US-Angebot derzeit noch mager, das hatte Netflix aber bereits im Vorfeld angekündigt. Zu den aktuellsten Titeln in der Blockbuster-Kategorie zählen beispielsweise 21 Jump Street (2012) oder die Marvel-Verfilmungen Captain America: The First Avenger (2011) und Thor (2011). In den USA wurden beispielsweise kürzlich die beiden Lars von Trier-Filme Nymphomaniac Teil 1 und 2 zeitgleich mit dem BluRay-Release angeboten, in Österreich ist lediglich der zwei Jahre alte von Trier-Film Melancholia verfügbar.

Tablet-App unter iOS
Genaue Zahlen lassen sich aus dem Angebot nicht ableiten, da viele Titel in mehreren Kategorien aufscheinen. In der Action-Kategorie waren beispielsweise 121 Filme zu finden, neben Blockbustern und Klassikern aber auch zahlreiche Trash-Titel, wie zum Beispiel Metal Tornado, Sharktokopus oder Mega Shark vs. Crocosaurus. Derartige Lückenbüßer bilden jedoch eine seltene Ausnahme. Österreichische Filme waren vorerst nicht zu finden, das deutsche Angebot ist solide und fokussiert sich vor allem auf Komödien und Dramen. Doch auch wenn die Zahl und die Aktualität der derzeit verfügbaren Filme im Vergleich zum US-Angebot enttäuscht, mit der Konkurrenz kann man es dennoch gut aufnehmen.

Fokus auf Serien

In den USA punktet Netflix vor allem mit Serien, sowohl mit Eigenproduktionen als auch zugekauften Serien, die kurz nach der Ausstrahlung gezeigt werden. Für die letzte Staffel von Breaking Bad schloss Netflix beispielsweise einen Deal mit dem Kabelsender AMC ab, sodass die aktuelle Folge stets am Tag nach der Erstausstrahlung auf Netflix verfügbar war. Derartige Deals sind jedoch rar, meist muss man zumindest bis zum Staffel-Ende auf neue Folgen warten. Das Angebot hierzulande ist ordentlich, insgesamt 221 Serien sind verfügbar.

Dazu zählen auch die Eigenproduktionen „Orange is the new Black“, „Penny Dreadful“, „Hemlock Grove“, „The Killing“ oder das mitproduzierte „Fargo“. Auch „House of Cards“ ist zum Start im Angebot zu finden, obwohl Sky im Vorfeld betonte, die Exklusiv-Rechte für die Online-Ausstrahlung zu besitzen. Das dürfte jedoch, wie auch in Deutschland, nur kommende Staffeln betreffen. Weitere Highlights sind Breaking Bad, Walking Dead (bis Staffel 3), Modern Family, Big Bang Theory, New Girl und Arrested Development. Auch einige BBC-Titel, wie Sherlock, Doctor Who, Luther und Top Gear sind mit aktuellen Folgen vertreten. HBO-Serien sucht man auf Netflix vergeblich, hier hat sich Sky die Exklusiv-Rechte gesichert.

Das österreichische Angebot ist nahezu ident zu jenem in Deutschland, österreichische Serien gibt es derzeit nicht. So wird beispielsweise die mit zwei Grimme-Preisen ausgezeichnete Serie „Der Tatortreiniger“ angeboten, auch die Comedy-Serien „Stromberg“, „Pastewka“ und „Ladykracher sind enthalten. Der Fokus liegt derzeit auf Krimi- und Comedy-Serien. Das Angebot für Kinder ist ebenfalls gut, so sind beispielsweise die drei ersten Staffeln der Serie „My Little Pony“ in Deutsch und Englisch verfügbar.

Zum Start darf jeder Interessierte einen Probemonat in Anspruch nehmen, das jederzeit gekündigt werden kann. Dafür muss man jedoch Zahlungsdaten hinterlegen. Das Basispaket von Netflix kostet 7,99 Euro, der Benutzer ist dabei auf einen Stream gleichzeitig beschränkt. HD-Streams sind erst ab dem Paket um 8,99 Euro möglich. Hier können auch zwei Personen gleichzeitig streamen. Netflix bietet zudem ein Familien-Paket um 11,99 Euro monatlich an, das vier Streams gleichzeitig erlaubt und auch die 4K-Wiedergabe ermöglicht. Versteckte Kosten gibt es keine, der Zugang auf die Netflix-Bibliothek ist nach der Anmeldung ohne Einschränkungen möglich. Video-On-Demand-Angebote, wie auf anderen Plattformen, gibt es nicht.

Die Angst vieler hiesiger Streaming-Anbieter vor Netflix ist berechtigt. Der US-Dienst kann auf jahrelange Erfahrungen zurückgreifen und liefert ein nahezu fehlerloses Produkt ab. Überzeugend ist vor allem der plattformübergreifende Ansatz von Netflix. Sei es iPad, Fernseher oder Browser, überall ist die Oberfläche und die Qualität genauso hervorragend. Der Netflix-Algorithmus mag für viele in Anbetracht der Snowden-Enthüllungen abschreckend sein, der Konzern verfolgt aber einen erfrischend transparenten Ansatz und überlässt dem Benutzer weitestgehend die Kontrolle über die Filterung.

Ausbaufähig ist hingegen noch die Zahl der angebotenen TV-Serien und Filme. Hier gelobte Netflix bereits vor dem Start Besserung, dennoch wird es langfristig der entscheidende Faktor sein. Im Vergleich zur Konkurrenz schlägt man sich dennoch gut, die Messlatte lag aber hierzulande relativ tief. Hoffentlich schafft es der US-Konzern, den Wettbewerb mit dem Österreich-Start etwas zu beleben.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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