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Systemkamera

Nikon 1 V1 im Test: Missglücktes Erstlingswerk

Seit diesem Jahr gehört auch Nikon zu den Anbietern von EVIL- bzw. Systemkameras. Das Erstlingswerk ist ein Doppelpack: die Nikon 1 J1 und V1. Die J1 ist das günstigere Modell, das ohne elektronischen Sucher auskommt. Die futurezone hat die V1 in Weiß im Kit mit dem 10-30mm und 30-110mm-Objektiv (etwa 1000 Euro) getestet. Mit einem 10mm-Fixbrennweite oder dem 10-30mm-Objektiv ist die V1 ab etwa 800 Euro erhältlich.

Formfaktor
Optisch macht die V1 in Glanzweiß mit grauen Elementen einen hübschen Eindruck. Das Gehäuse ist im Vergleich zu Olympus aktuellen PEN-Kameras und Sonys NEX-Modellen ziemlich groß ausgefallen und wirkt im Handling eher plump als elegant. Auch das Gewicht ist mit 383 Gramm ohne Objektiv relativ hoch ausgefallen. Zur Verteidigung der V1: Diese hat einen elektronischen Sucher eingebaut, auf den die NEX- und PEN-Kameras verzichten.

Wie bei den Olympus PEN-Kameras kann das Objektiv über einen Verriegelungsschieber eingefahren werden, was Platz beim Transport spart. Nettes Detail: Wird das Objektiv entriegelt und ausgefahren, schaltet sich die V1 automatisch ein. Die 1-Kit-Objektive haben keinen Fokusring. Im manuellen Fokusmodus wird über das Drehrad an der Rückseite der Kamera fokussiert.

Ein wenig zu leicht löst sich die Abdeckung des Blitzschuhs. Im Test machte sich die Abdeckung öfters in der Tasche oder dem Rucksack selbstständig. Trägt man die Kamera an der Trageschlaufe um den Hals, könnte man die Abdeckung verlieren, wenn man mit der V1 leicht irgendwo hängen bleibt.

Bedienung
Nikon hat bewusst die Bedienelemente reduziert. Allerdings ist das japanische Unternehmen bei der V1 über das Ziel hinaus geschossen. Um den Aufnahmemodus von P auf S, A oder M zu wechseln, muss man ins Menü, ebenso wie für den ISO-Wert. Das höchste der Gefühle ist ein eigener Auslöser zum Aufnehmen von Videos an der Oberseite, neben dem eigentlichen Auslöser.

Auch die Menüs sind nicht wirklich selbsterklärend. Ein Foto-Anfänger oder Gelegenheitsknipser, für den die reduzierte Bedienung offensichtlich ausgelegt ist, wird sich wohl nicht auskennen, wenn ihn die Kamera nach der Wahl des Automatik-Modus auffordert, durch das Drücken der „F“-Taste den Auslösemodus (Mechanisch, Elektronisch, Elektronisch Hoch) auszuwählen.

Der elektronische Sucher mit Augensensor (das Display geht zum Stromsparen aus, wenn man durch den Sucher sieht) zeigt das Motiv in einer unterschiedlichen Helligkeit als das Display – obwohl beide auf dieselbe Helligkeit eingestellt sind. Das ist zwar auch bei anderen Systemkameras der Fall, allerdings ist der Unterschied bei der V1 stärker als bei den Konkurrenzmodellen.

Ausstattung
Und wieder wurde reduziert soweit es geht. Es gibt keine Spezialeffekte, keine Panorama-Funktion, keine HDR-Aufnahmen. Zumindest Monochrom-Aufnahmen sind möglich, wenn man die entsprechende Einstellung in den „Picture-Control“-Konfigurationen findet.

Das, was Spezialeffekten noch am nächsten kommt, ist der „Bewegte Schnappschuss“ - von der futurezone-Redaktion liebevoll „Porno-Modus“ getauft. Dazu wird eine von vier Melodien (Schönheit, Wellen, Entspannung, Zärtlichkeit) gewählt und danach der Auslöser betätigt. Das Motiv wird in einer Zeitlupen-Aufnahme aufgenommen, mit schwarzer An- und Abblende. Dazu wird die vorher ausgewählte Softcore-Düdelei eingespielt. Das könnte ganz witzig sein, allerdings wird das Motiv nur eine Sekunde aufgenommen und die Musik läuft aber bis zu 5 Sekunden. Die Clips werden als MOV-Datei auf der SD-Speicherkarte als FullHD-Video abgelegt.

Sonderfunktion Zwei ist der „Smart Photo Selector“, der mit einmal Auslösen 20 Fotos aufnimmt, die besten fünf abspeichert und dem Nutzer das beste Bild vorschlägt. Die Vorschläge trifft die V1 laut Beschreibung aus einer Kombination von Gesichtsausdruck, Fokus und Bildausschnitt. Im Test schlug die V1 öfters unscharfe Fotos vor – sowohl von Personen, als auch Objekten.

Leistung
Fotos nimmt die V1 mit 10 Megapixel auf, Videos in FullHD mit 60 Halb- oder 30 Vollbildern pro Sekunde. Superzeitlupenaufnahmen sind mit bis zu 1200 Bildern pro Sekunde in reduzierter Auflösung (320×120 Pixel) möglich.

Ein Schmankerl ist die Serienaufnahme. Hier können mit fixem Fokus bis zu 60 Bilder pro Sekunde gemacht werden. Der Puffer ist aber schon nach maximal 34 Bildern voll. Und bis die 34 Fotos alle auf die Speicherkarte geschrieben sind, vergeht eine gefühlte Ewigkeit, in der die V1 quasi lahmgelegt ist. Nur mit viel Geduld kann man in dieser Zeit überhaupt das Menü verwenden. Einen eingebauten Blitz gibt es nur in der J1 – die V1 benötigt einen Ansteckblitz. Im Gegensatz zu den Olympus PEN-Kameras ist aber kein Notfall-Ansteckblitz im Lieferumfang enthalten.

Die Bildqualität ist für eine Nikon-Kamera enttäuschend. Der Sensor (Cropfaktor 2,7) ist kleiner als bei Panasonics und Olympus Micro-Four-Third-Format (die wiederum kleinere Sensoren als Sonys NEX-Modelle haben) und auch die 1-Objektive sind lichtschwach. Bei schwierigen Lichtverhältnissen sehen die Bilder dementsprechend unschön aus.

Der Autofokus verfehlt aber nicht nur bei Innen-, sondern auch bei Außenaufnahmen öfters das Motiv. Das Rauschverhalten ist auf ISO 3200 noch einigermaßen erträglich, solange man keine Gesichter fotografiert. Ab ISO 1600 werden die Farben deutlich verfälscht.

Fazit
Nachdem Nikon mit der P7100 vor Kurzem eine der besten kompakten Digitalkameras veröffentlicht hat und mit der AW100 einen soliden Einstieg in die Klasse der Outdoor-Digicams hingelegt hat, tanzt die Nikon 1 V1 aus der Reihe. Sie soll Ein- und Umsteiger ansprechen, verzichtet aber auf viele bequeme Funktionen und Effekte. Sie richtet sich aber auch nicht an erfahrene Nikon-Fotografen, die per Adapter ihre Nikkor-Objektive weiterverwenden könnten, da die Bildqualität nicht dem Nikon-Standard entspricht und die Bedienung umständlich ist.

Die Alternativen: Lieber auf die V1 verzichten und um das Geld eine Nikon D5100 im Set mit dem 18-105mm Objektiv (ab 722 Euro) holen. Die ist zwar nicht Weiß, macht aber deutlich bessere Fotos. Ist eine DSLR zu kompliziert und soll die Cam „klein und hübsch“ sein, ist die Olympus PEN Mini E-PM1 (ab 600 Euro mit 14-42mm und 40-150mm Objektiv) eine günstigere Alternative.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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