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Windows Phone

Nokia Lumia 1320 im Test: Phablet im Warnwesten-Look

Smartphones sehen einander heutzutage erschreckend ähnlich, selbst mit Übung ist es schwierig, einzelne Modelle auseinanderzuhalten. Diese kreative Fadesse wird derzeit von Samsung, Apple und HTC auf die Spitze getrieben, da sie in den letzten Jahren an ihren Flaggschiff-Modellen nur minimale Design-Änderungen vornahmen. Auch der finnische Smartphone-Hersteller Nokia (der bald in den Besitz von Microsoft übergeht) konnte in den letzten Jahren nicht unbedingt mit Originalität punkten. Doch eines waren Lumia-Smartphones schon immer: Bunt.

So präsentiert sich auch das Lumia 1320, Nokias günstiger Ableger des ersten Windows Phone-Phablets Lumia 1520. Sei es im im knalligen Gelb oder Warnwesten-Rot, das Phablet fällt auf der Straße auf. Für Puristen bietet Nokia das Smartphone auch in Schwarz und Weiß an. Die futurezone hat das Riesen-Windows Phone mit sechs Zoll großem Bildschirm getestet und überprüft, ob mehr als nur die Farbe außergewöhnlich ist.

Das Nokia Lumia 1320 ist das bislang größte und schwerste Lumia-Smartphone. Das Lumia 920 hat zwar aufgrund seines Gewichts und Form den Spitznamen “der Ziegel” verpasst bekommen, mit 185 Gramm kann es aber mit den stolzen 220 Gramm des Lumia 1320 nicht mithalten. Im Gegensatz zum Lumia 920 wirkt es aber alles andere als “übergewichtig”, wohl auch, weil sich das Gewicht über die große Fläche gleichmäßig verteilt. Auch wenn der Bildschirm von dem Lumia 1320 und 1520 mit sechs Zoll gleich groß ist, ragt es in Breite, Höhe und Dicke etwas über den großen Bruder hinaus.

Wuchtig

Das Lumia 1320 ist 164,2 Millimeter lang (1520; 162,8 mm), 85,9 Millimeter breit (85,4 mm) sowie 9,8 Millimeter dick (8,7 mm). Damit ist es nicht das schlankste Phablet auf dem Markt, Nokia hat sich aber bemüht die Maße so klein wie möglich zu halten. Eine grobe Platzverschwendung (wie zum Beispiel die unnötige Leiste ohne Soft-Keys beim neuen HTC One) findet sich auf dem Lumia 1320 nicht.

Das Smartphone lässt sich angenehm mit einer Hand halten, von “in die Handfläche schmiegen” kann ob der Maße aber keine Rede sein. Kaum ein anderes Phablet verlangte im futurezone-Test so sehr nach zweihändiger Bedienung wie das Lumia 1320. Hat man sich aber einmal überwunden, lässt es sich so sehr gut verwenden. Vor allem das Tippen ist ungewohnt schnell, ähnlich wie bei alten Android-Smartphones mit Tastatur. Einhändige Bedienung ist aber weitestgehend unmöglich, nicht einmal Verrenkungskünstler schaffen das. Die Fläche ist einfach zu groß, als dass man jede Stelle auf dem Display mit dem Daumen erreichen könnte.

Schwergewicht

Beim Telefonieren macht sich das hohe Gewicht des Smartphones nach einer Weile bemerkbar. Unangenehm sind vor allem die breiten Maße, die beim einhändigen Telefonieren einen etwas gestreckten Klammergriff erfordern. Hier empfiehlt sich für längere Telefonate ein Bluetooth-Headset oder Kopfhörer mit Freisprech-Funktion. Nokia bietet unter anderem passende On-Ear-Kopfhörer mit Freisprech-Funktion in den selben knalligen Farben für knapp 20 Euro an. Die Leistung der “Coloud”-Kopfhörer (eine Mischung aus den Begriffen Color und Loud) dürfte zwar nicht der von High-End-Modellen entsprechen, dafür fällt aber die Farbe definitiv auf.

Apropos Farbe: Das knallige Rot “blendet” regelrecht, wodurch unter anderem das Nokia-Logo auf der Rückseite in der Neonfarbe ertrinkt. Das Cover kann allerdings auch getauscht werden, darunter verbergen sich microSD- und microSIM-Kartenslot. Der 3.400 mAh-Akku ist fix verbaut und kann nicht gewechselt werden. Das Layout der Tasten ist ident zu anderen Lumia-Smartphones. Auf der linken Seite sind von oben nach unten Lautstärkewippe, Power-Button sowie der Kamera-Button zu finden. Der Power-Button sitzt an der richtigen Stelle, denn so lässt sich das Smartphone angenehm mit einer Hand halten und einschalten.

Schneller Blick

Der Griff zur Power-Taste wurde durch ein Feature jedoch nahezu unnötig. Wie beim von LG-Smartphones bekannten “Knock On” lässt sich der Bildschirm des Lumia 1320 durch doppeltes Antippen aktivieren. Das funktioniert recht zuverlässig, bei einfachem Tippen wurde der “Blick”-Bildschirm aktiviert (sofern dieser auf “Nachsehen” eingestellt ist). Die “Blick”-Funktion zeigt Uhrzeit sowie Benachrichtigungen auf dem Bildschirm an und soll einen schnellen Überblick geben.

Ursprünglich war die Funktion Lumia-Modellen mit AMOLED-Bildschirm vorbehalten, da die Darstellung von Schwarz keine Energie benötigt und lediglich jene Teile beleuchtet werden müssen, die eine Farbe oder Weiß darstellen. Nokia hat aber offenbar einen Weg gefunden, die Helligkeit der LC-Bildschirme auf ein Minimum zu reduzieren. Ein erhöhter Energieverbrauch bei aktiviertem Blick-Feature ließ sich im Test nicht feststellen.

Der Blick-Modus war vor allem nachts recht angenehm, um rasch die Uhrzeit abzulesen. Da nun allerdings die Hintergrundbeleuchtung des gesamten Bildschirms aktiviert werden muss, leuchtet dieser auch in der niedrigsten Helligkeitsstufe recht stark und kann als störend empfunden werden.

Plastik-Unibody

Die Verarbeitung des Smartphones ist hochwertig. Man kann den Aufbau des Lumia 1320 im Grunde genommen als “Unibody”-Design bezeichnen, da es aus nur zwei Teilen besteht - dem Hardware-Block sowie der Kunststoff-Hülle. Der Kunststoff ist griffig und leicht aufgeraut. Auf der Oberfläche sammelte sich kaum Schmutz (oder er war aufgrund der hellen Farbe einfach nicht zu sehen). Auch von Kratzern und Schmierern blieb das Gehäuse des Smartphones trotz intensiver Alltagstests verschont. Der Bildschirm wird zudem von Corning Gorilla Glass 3 geschützt.

Seit 2011 setzt Microsoft bei seinen Lumia-Smartphones auf Microsofts mobiles Betriebssystem Windows Phone. In das Betriebssystem wurden lange Zeit große Erwartungen gesetzt, da es als erste ernstzunehmende Konkurrenz für Android und iOS galt. Diese Erwartungen konnten bislang noch nicht erfüllt werden. Nokia gibt als dominierender Hersteller von Windows Phones und baldige Microsoft-Tochter dennoch die Marschrichtung für das Betriebssystem vor. Das zeigt das reichhaltige App-Angebot von Nokia.

So wird mit Nokia MixRadio (früher als Nokia Music bekannt) ein sehr guter Streaming-Dienst mitgeliefert, der nahezu vergessen lässt, dass die Windows Phone-App von Spotify seit Juli 2013 kein Update mehr erhalten hat und immer noch vor Fehlern strotzt. In MixRadio können allerdings keine Titel ausgewählt, sondern lediglich sogenannte “Mixes”, basierend auf Lieblingskünstlern und Musikgeschmack, wiedergegeben werden - wie bei einem persönlichen Radio.

Kamera-Experten

Mit Nokia Beamer kann der Bildschirminhalt an jedes beliebige Gerät oder Browser übertragen werden. Bei den Kamera-Apps überschlägt sich Nokia derzeit geradezu. Sei es die Fotobearbeitung Creative Studio oder Cinemagraph, mit dem animierte Bilder erstellt werden können. Nokia Pocket Magnifier verwandelt die Kamera in eine digitale Lupe, mit Refocus kann der Fokus von Bildern, ähnlich wie bei der Lichtfeldkamera Lytro, nach der Aufnahme verändert werden.

Wirft man einen Blick in den Windows Store - der mittlerweile mehr als 200.000 Apps zählt - bietet sich dort aber immer noch ein gemischtes Bild. Einerseits ist es Microsoft gelungen, zahlreiche beliebte Apps aus der Android- und iOS-Welt auf Windows Phone zu holen, zum Beispiel zuletzt Instagram, aber sehr viele Apps sind nach wie vor von fragwürdiger Qualität und schaffen es dennoch in die Top-Charts. Hier muss Microsoft nochmals nachbessern, um sicherzustellen, dass nur qualitativ hochwertige Apps an die Spitze gelangen.

Nokia Camera schlägt alles

Die Nokia Camera-App ist zudem um Längen besser als die Stock-Kamera-App von Windows Phone 8, sowohl in puncto Performance als auch Funktionsumfang. So sind Einstellungen wie Belichtungsdauer, ISO-Wert oder Unendlich-Fokus über die Quick-Settings schnell erreichbar. Zudem gibt es die Möglichkeit, eine Belichtungsreihe aufzunehmen und so bis zu fünf Bilder mit verschiedenen Belichtungseinstellungen zu erstellen. Über die intelligente Sequenz kann zudem ein Serienbildmodus genutzt werden, der nette Spielereien, wie einen Action-Modus, Bewegungsfokus oder das Tauschen von Gesichtern bietet.

All diese zusätzlichen Funktionen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Qualität der Kamera des Lumia 1320 nur unterer Durchschnitt ist. Die Bilder rauschen beispielsweise im Automatik-Modus sehr stark, auch bei guten Lichtverhältnissen. Wird der ISO-Wert manuell gesenkt, beispielsweise auf ISO 400 oder sogar ISO 100, ist es nahezu unmöglich, ein scharfes Bild zu schießen.

Eine gewisse Unschärfe war bei allen Aufnahmen zu erkennen, auch bei jenen, die unter ruhigen Bedingungen und guten Lichtverhältnissen gemacht wurden. Bilder können nur im 4:3-Verhältnis mit maximaler Auflösung (5 Megapixel) aufgenommen werden, im 16:9-Modus reduziert sich die Auflösung auf 4 Megapixel. Auch bei der Frontkamera wurde gespart. Diese löst lediglich mit 0,3 Megapixeln auf und taugt daher noch nicht einmal für die derzeit so beliebten Selfies.

Nokia setzt beim Lumia 1320 auf ein IPS LC-Display, das recht solide Ergebnisse liefert. Im Vergleich zum großen Bruder, dem Lumia 1520, macht sich vor allem die reduzierte Bildschirmauflösung bemerkbar. Statt einem Full HD-Panel (1920 mal 1080 Pixel, 367 ppi) kommt lediglich ein HD-Panel (1280 mal 720 Pixel, 244 ppi) zum Einsatz. Das lässt gerade bei der Darstellung kleiner Schrift sowie Icons hin und wieder Stufenbildung erkennen.

Vor allem die hohe Helligkeit konnte überzeugen, auch bei starker Sonneneinstrahlung war der Bildschirminhalt gut ablesbar. Das Lumia 1320 aktiviert in diesem Fall automatisch einen Modus, in dem der Kontrast stark erhöht und so alles etwas scharfkantiger, dadurch aber auch besser lesbar wird. Das Schwarz des Bildschirms kann zwar weiterhin nicht mit dem von AMOLED-Bildschirmen mithalten, sieht aber dennoch bei dunkler Windows Phone-Oberfläche gut aus.

Die Farben sind kräftig, im Vergleich mit AMOLED aber leicht blass. Der Bildschirm wies eine relativ hohe Blickwinkelabhängigkeit auf, auch wenn diese die Verwendung im Alltag nicht beeinträchtigen dürfte. Wird der Bildschirm zur Seite gekippt, nimmt die Helligkeit recht rasch ab und die Farben werden dunkler. Beim Kippen nach vor oder zurück scheint der Bildschirm jedoch heller zu werden und die Farben bleichen aus. Beim schrägen Blick von links lässt sich zudem eine leicht gelbliche Verfärbung des Bildschirms erkennen, von rechts betrachtet überwiegt wiederum blau.

Viel Akku, wenig Speicher

Großer Bildschirm bedeutet auch mehr Platz für den Akku. Hier hat Nokia glücklicherweise nicht gespart und das Smartphone mit einem 3.400 mAh-Akku ausgestattet. Lediglich das Oppo N1 kann mit einem etwas größeren Akku (3.610 mAh) aufwarten. Windows Phone ist ohnedies ein sehr genügsames Betriebssystem, im Zusammenspiel mit einem derartig riesigen Akku war es sehr schwierig, das Smartphone vollständig zu entleeren. Selbst nach zwei Tagen intensiver Nutzung war noch immer ein Drittel Restakku vorhanden, der Stromsparmodus hätte im Notfall aber die Standby-Dauer durch Deaktivieren von Hintergrunddaten weiter verlängert. Das Lumia 1320 ist tatsächlich eines der wenigen Smartphones, bei dem man mit einer Akkuladung ohne Schwierigkeiten zwei Tage lang arbeiten kann.

So viel Akku Nokia dem Lumia 1320 auch an Akku mitgegeben haben mag, der interne Speicher ist relativ knapp. Tatsächlich stehen dem Nutzer von acht versprochenen Gigabyte Speicher lediglich 7,28 Gigabyte zur Verfügung. Dort werden bereits rund 2,37 Gigabyte vom System belegt, wodurch letztendlich nur knapp fünf Gigabyte Speicher zur freien Verwendung verfügbar sind. Das mag für eine Person, die nur wenige Apps nutzt, ausreichen, wer auf dem Phablet Musik hören oder Filme schauen möchte, muss sich aber eine microSD-Karte kaufen. Der Speicher lässt sich um bis zu 64 Gigabyte erweitern.

Das Lumia 1320 ist eines von vielen guten Mittelklasse-Modellen Nokias, für das man allerdings auch wieder negative Aspekte in Kauf nehmen muss. Die Kamera ist für ein Modell dieser Preisklasse schwach. Das enttäuscht vor allem in Anbetracht dessen, dass Nokia wirklich gute Kameras in anderen Modellen verbaut hat. Zudem ist der interne Speicher mit acht Gigabyte sehr mager, ein Drittel davon ist bereits zu Beginn mit Systemdaten belegt. Abgesehen davon ist es ein sehr gutes Phablet und eine preisgünstige Alternative zum Lumia 1520, das nach wie vor für rund 550 Euro verkauft wird. Vor allem die Haptik sowie der große Akku konnten im Test überzeugen. Wer sich mit einem derart großen Bildschirm anfreunden kann oder sogar danach sucht und nicht mehr als 300 Euro ausgeben möchte, ist mit dem Lumia 1320 gut beraten.

Eine etwas kleinere Alternative stellt das Nokia Lumia 925 dar, das mittlerweile für rund 330 Euro im Handel angeboten wird. Das Smartphone verfügt über einen 4,5 Zoll großen AMOLED-Bildschirm sowie ein schlankes Alu-Gehäuse. Wem 6 Zoll noch zu klein sind, kann das Samsung Galaxy Mega 6.3 ins Auge fassen, das für rund 350 Euro verkauft wird.

Modell:
Nokia Lumia 1320
Display:
6 Zoll IPS LC-Bildschirm - 1280 x 720 Pixel (16:9, 244 ppi, geschützt von Gorilla Glass 3)
Prozessor:
1,7 GHz Dualcore (Qualcomm Snapdragon S4)
RAM:
1 Gigabyte
Speicher:
8 GB intern, microSD-Kartenslot
Betriebssystem:
Windows Phone 8 (Black Update)
Anschlüsse/Extras:
microUSB, Bluetooth 4.0, WLAN (b/g/n)
Akku:
3.400 mAh
Kamera:
5 Megapixel (LED-Blitz)
Videos:
Aufnahme in 1080p bei 30 fps möglich
Maße:
164,2 x 85,9 x 9,8 mm, 220 Gramm
Preis:
359 Euro (UVP, Straßenpreis 310 Euro)

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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