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Soundcloud: "Wir sind das YouTube für Musik"

“Wir sind das YouTube für Musik. Wir machen das Gleiche wie YouTube, aber eben für Sound.” Der Schwede Eric Wahlforss, der mit seinem Kumpel Alex Ljung die Musik-Plattform Soundcloud gegründet hat, macht das, was alle jungen Web-Dienste tun, um sich zu beschreiben - man vergleicht sich mit einer bekannten Größe im Internet. Und das zurecht: Fast 30 Millionen Nutzer kann Soundcloud mit Sitz in Berlin vorweisen. Anders als bei den Streaming-Diensten Spotify oder Deezer sorgen nicht die Plattenfirmen für die Musik, sondern die Nutzer selbst.

Vom unbekannten DJ bis zu Lady Gaga laden Künstler Audio-Material in die Sound-Cloud hoch, und zwar vorrangig zu einem Zweck: Sie suchen den direkten Draht zu ihren Fans. Wahlforss: “Bei Spotify gibt es zwar Unmengen an Songs zu hören, aber es gibt eben nicht die direkte Interaktionsmöglichkeit mit den Musikern.”

Reden über Sound
So, wie bei YouTube die Nutzer abertausende Kommentare unter die Videos schreiben, gibt es auch bei Soundcloud rege Aktivität. Hörer der Sounddaten - von herkömmlichen Songs über Radiosendungen oder Musik-Blogs bis zu experimentellen Sound-Collagen ist alles erlaubt - können diese kommentieren. Gefällt Strophe, Gitarrensolo oder Refrain besonders, kann man an der Stelle des Songs (visualisiert als Welle auf der Webseite) seinen Kommentar hinterlassen. Die meisten loggen sich dazu per Facebook-Account ein.

Außerdem kann man den Künstlern nach dem Twitter-Prinzip folgen, was den besonderen Charme von Soundcloud ausmacht: Anstatt wie bei Spotify Neues über die integrierten HTML5-Apps oder im Neuheiten-Bereich zu suchen, werden bei Soundcloud Musiker abonniert - veröffentlicht er etwas Neues, landet es automatisch beim User.

Eine jüngst veröffentlichte Version von Soundcloud bringt zusätzliche Funktionen in den Dienst, die das Verbreiten der Inhalte steigern soll. Mit "Reposts" kann man Sounds anderer Nutzer seinen eigenen Followern empfehlen (offenbar in Anlehnung an die Reblog-Funktion von Tumblr), mit "Sets" kann man seine favorisierten Titel in Kollektionen sammeln (Pinterest lässt grüßen).

Stars springen auf
Auch der bekannte US-Rapper Snoop Dogg hat das Potenzial von Soundcloud erkannt: So veröffentlichte er Soundclips oder halb fertige Tracks und ließ die Soundcloud-Community daraus in einem Remix-Contest neue Songs basteln - tausende machten mit.

“Wir konzentrieren uns vor allem auf jene, die selber Sounds machen. Als reiner Konsument gibt es wenig Gründe, sich einen Account bei uns anzulegen”, sagt Wahlforss (seine Sound-Collagen sind unter http://soundcloud.com/forss zu hören). Wie viel der Millionen Nutzer selbst Sounds hochladen, will Wahlforss nicht verraten. Nur soviel: “Im Vergleich zu YouTube haben wir viel mehr aktive Nutzer, die selber Inhalte veröffentlichen als solche, die die Sachen einfach nur anhören.”

Apps & Widgets
Der Vergleich zu YouTube passt aber noch aus einem anderen Grund: Soundcloud hat seine Fühler bereits auf andere Webseiten (z.B. CNN) ausgestreckt. So, wie man YouTube-Videos oder Facebooks Like-Button überall im Netz findet, wird vermehrt auch Soundcloud mittels so genannten Widgets in Webseiten integriert - die Audiodatei kann so überall abgespielt werden, ohne dass man dazu die Soundcloud-Webseite besuchen müsste. “Wir haben das einzige Sound-Widget, das sich im Internet als Standard etabliert hat”, meint Wahlforss.

Wichtig ist für die junge Firma natürlich auch die mobile Welt. Neben den eigenen Apps der Firma (für iPhone, iPad, Android) gibt es  fast 200 Smartphone-Apps, die Soundcloud-Funktionen integriert haben. Zwar wisse man noch nicht, wie man diese noch etwas holprigen Integrationen perfektionieren könne, doch das Potenzial sei enorm. “Wenn du an das Handy denkst, dann ist dort Sound größer als Video. An einem Tag kann man viel mehr Musik hören als Videos schauen. Außerdem kann man Sounddaten mit Smartphones sehr einfach produzieren und veröffentlichen”, sagt Wahlforss.

Mit dem prinzipiell kostenlosen Web-Dienst lässt sich auch Geld verdienen. Premium-Accounts (zwischen 29 und 500 Euro/Jahr) bieten Künstlern je nach Paket zusätzlichen Speicherplatz und exklusive Zusatz-Funktionen. “Wenn man ein engagierter Nutzer ist, dann macht es schon Sinn, sich einen Premium-Account zu leisten. Ein paar Millionen unserer User sind da bereits dabei”, sagt Wahlforss.

Musik als europäische Stärke?
Neben Soundcloud konnten sich auch Spotify aus Schweden, Deezer aus Frankreich oder Simfy aus Deutschland im Bereich der Online-Musik etablieren - und erwecken damit den Eindruck, dass Musik möglicherweise eine Stärke der Europäer im US-dominierten Internet-Business ist. “In den USA gab es schon vor vielen Jahren Musik-Dienste wie imeem oder MySpace, aber die Zeit war damals noch nicht so reif. Viele dieser Firmen sind wieder verschwunden. In Europa kommt jetzt eine neue Welle an Musik-Diensten, und das zu einer Zeit, in der der Markt offener für diese Ideen sind”, meint Wahlforss. Außerdem sei sein Heimatland Schweden ein besonderer Katalysator für Musik-Dienste. “In Schweden ist Musikpiraterie dank einer sehr guten Internet-Infrastruktur extrem verbreitet. Dienste wie Spotify sind eine Art Gegenreaktion auf diese Entwicklung.”

Am heutigen Standort Berlin gilt Soundcloud als Vorzeige-Start-up und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die deutsche Hauptstadt als europäisches Zentrum der Internet-Szene wahrgenommen wird. Dabei hätte sich die Geschichte auch ganz anders entwickeln können. Vor dem offiziellen Start hätten Ljung und er ihre Idee für Soundcloud in Wien potenziellen Investoren vorgestellt. “Soundcloud wäre fast nach Wien gekommen”, sagt Wahlforss. “Dann aber haben sich bessere Kontakte in Berlin ergeben, wo wir die Firma dann letztendlich gegründet haben.”

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Jakob Steinschaden

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