LG lieferte mit seinen "Friends" das beste Beispiel für die Zubehör-Pläne vieler Smartphone-Hersteller ab: Mit optionalen Geräten, die lediglich mit eigenen Smartphones kompatibel sind, sollen die Kunden an die Marke gebunden werden
LG lieferte mit seinen "Friends" das beste Beispiel für die Zubehör-Pläne vieler Smartphone-Hersteller ab: Mit optionalen Geräten, die lediglich mit eigenen Smartphones kompatibel sind, sollen die Kunden an die Marke gebunden werden
© LG

Wenn Zubehör wichtiger wird als das Smartphone selbst

Wenn Zubehör wichtiger wird als das Smartphone selbst

Der Mobile World Congress ist wohl unbestritten die wichtigste Messe der Mobilfunk-Branche. Jahr für Jahr versammeln sich mehr als 90.000 Fachbesucher aus aller Welt in Barcelona, um über neue Produkte, Trends und Technologien zu diskutieren. In den vergangenen Jahren war die Devise klar: Wer mithalten will muss größer, schneller und lauter als die Konkurrenz sein. Mal waren Megapixel, dann Prozessorkerne, ein anderes Mal wieder die Bildschirmgröße das Maß aller Dinge.

Der Mobile World Congress findet in Barcelona statt

Doch die Jagd nach neuen Superlativen könnte nun zu Ende sein. 2016 ist trotz der unerwartetgroßen Samsung-Show mit Zuckerberg-Gastauftrittein Wandel spürbar. Das Smartphone, der zentrale Knotenpunkt der modernen Kommunikation, rückt zunehmend in den Hintergrund. Jenes Gerät, das vor neun Jahren noch als Revolution gefeiert wurde, ist mittlerweile zum Alltagsgegenstand geworden. Das sensationelle Wachstumder vergangenen Jahre gerät ins Stocken, das Interesse am Smartphone schwindet.

Eine Branche mit Plan

Wer nun glaubt, dass sich dadurch Verzweiflung bei den Herstellern breitmacht, irrt. Tatsächlich haben überraschend viele Hersteller offenbar den selben Plan, um sich für die Zukunft abzusichern. Zubehör, das lediglich mit den Geräten der Hersteller kompatibel ist, soll die Marktstellung der Hersteller festigen. Samsung nennt es die Galaxy Experience, LG spricht vom Playground und auch Huawei, Sony und andere Hersteller versuchen mittlerweile, ihr eigenes kleines Ökosystem aufzubauen.

Dabei werden vermeintliche Nischenprodukte plötzlich zur stärksten Waffe der Hersteller. Individualismus statt Konformität: Wer seine Kunden halten will, muss ihnen mehr als nur verschiedene Farben zur Auswahl bieten. Das wohl beste Beispiel hierfür lieferte LG mit dem neuen Flaggschiff G5 ab. Die modulare Bauweise ermöglicht es, den Akku mitsamt einem Teil des Aluminium-Gehäuses abzunehmen und durch andere optional erhältliche Elemente zu ersetzen. So wird aus dem Smartphone beispielsweise eine kleine Spiegelreflexkamera oder ein Hi-Fi-Audio-Player. Auch Samsung versucht nun, mit der Wechselhülle mit Weitwinkellinse sowie der aufsetzbaren Tastatur mehr Abwechslung für seine Smartphones zu bieten.

Viel Risiko beim Zubehör

Ein Trend, der auch bei anderen Herstellern zu beobachten ist. Nahezu jeder Smartphone-Hersteller widmet seinem Zubehör ähnlich viel Platz wie seinen Smartphones, meist scharen sich auch ebenso viele Besucher um das Zubehör wie um die Smartphones selbst. Doch nicht nur klassisches Zubehör für Smartphones ist mittlerweile immer häufiger auf dem Mobile World Congress zu finden. Insbesondere Geräte, die nur mit Smartphones eines bestimmten Herstellers kompatibel sind, sind keine Seltenheit mehr. Ein Risiko – sowohl für den Hersteller als auch den Kunden. Doch um sich von der Masse abzuheben, ist jedes Mittel Recht.

Der Rolling Bot von LG ist Haustierunterhalter und Überwachungs-Roboter

Am besten gelang das LG, das eine Reihe von sogenannten „Friends“ vorstellte, unter anderemden Haushalts-Roboter „Rolling Bot“.Aber auch ein Drohnen-Controller, eine 360-Grad-Kamera, Bluetooth-Headsets und eine Virtual-Reality-Brille wurden gezeigt.Ein ähnlich reichhaltiges Angebotlieferte lediglich Sony, das sogar einige Produkte zeigte, die noch nicht einmal fertig sind. Auffällig ist jedoch, dass einige Hersteller auf Virtual Reality setzen – eine Technologie, die nicht erst seit dem Samsung-Event am Sonntag in der Mobilfunkbranche allgegenwärtig ist. An nahezu jedem Stand ist zumindest eine VR-Brille zu finden, sei es nun eine Gear VR, Oculus Rift oder HTC Vive. Künftig dürften es wohl ein paar mehr werden: Samsung verschenkt die Gear VR bei einer Vorbestellung von S7 oder S7 Edge gleich mit.

Hype um Smartwatches vorbei

Welche Rolle Smartwatches künftig spielen werden, ist unklar. Doch nur mehr ein Hersteller – Apple – beharrt darauf, dass seine Smartwatches nur mit eigenen Smartphones funktionieren. Selbst Samsung hatte ein Einsehen und will künftig seine Smartwatches auch mit iOS kompatibel machen. Damit könnte es zunehmend schwierig werden, Smartphone-Nutzer mittels Smartwatch an eine Marke oder Plattform zu binden. Der Boom um die smarten Uhren scheint aber vorerst vorbei zu sein, auf dem Mobile World Congress spielen sie nur mehr eine untergeordnete Rolle – obwohl sie fast von jedem Fachbesucher getragen werden.

Die Branche blickt wohl mit Spannung auch darauf, was Apple auf seinem März-Event vorstellen wird. Dabei wird weniger über das angebliche Format – das „iPhone 5se“, wie es laut Gerüchten heißen soll, dürfte lediglich einen 4-Zoll-Bildschirm haben – sondern vielmehr darüber diskutiert, ob es noch einen Kopfhörer-Anschluss besitzt. Das Gerücht, dass Apple auf einen Kopfhörer-Anschluss verzichten könnte, um das iPhone dünner zu bauen, gab es bereits des Öfteren. Dieses Mal dürfte es allerdings konkret werden. Und dabei werden auch Kopfhörer- und Smartphone-Hersteller hellhörig.

Negativ-Beispiel Apple

Ob die Hersteller Apples Beispiel folgen würden, ist unklar. Bereits 2014 stellte Oppo mit dem R5 ein dermaßen dünnes Smartphone vor, dass man auf den Kopfhörer-Anschluss verzichten musste. Wirft man einen Blick auf die neu vorgestellten Smartphones, scheint der Schlankheitswahn der vergangenen Jahre aber vorüber zu sein. Sowohl Samsungs als auch LGs neue Flaggschiff-Modelle haben zugelegt – auch um den Wunsch vieler Smartphone-Nutzer nach einem größeren Akku zu erfüllen. Und ob man Apples Beispiel immer folgen sollte, ist ebenfalls diskussionswürdig. Ende 2015 sorgte das ungewöhnlich hässliche „Battery Case“ für das iPhone für Spott und Häme.

Wer sich jedoch über den aktuellen Zubehör-Trend ärgern dürfte, istder in der Krise steckende Konzern HTC. Das taiwanische Unternehmen versuchte sich früh an neuen Märkten: Sei esnun die erfolglose Actioncam Re, der ungewöhnliche Bluetooth-Lautsprecher BoomBass, die schräge Mini+ Fernbedienung mit Telefon-Funktion oder aber das oft kopierte Dot View Cover. All das half trotz geschickter Verknüpfung mit den eigenen Smartphones überraschend wenig, der Marktanteil schrumpfte stetig, die Verluste stiegen. Auch der verfrühte Verkauf der Mehrheit an Kopfhörer-Hersteller Beats, das später für drei Milliarden US-Dollar an Apple verkauft wurde, kann nicht als Erfolg verbucht werden. Nun ist der Hersteller auf der Suche nach seiner Identität. Die Smartphone-Sparte ist nur mehr ein Schatten ihrer selbst, große Hoffnungen werden auf die Hardware-Partnerschaften mit Fitness-Unternehmen Under Armour und Valve (HTC Vive) gesetzt. Die Konkurrenz wird sich die Entwicklung des Smartphone-Pioniers wohl genau ansehen – und daraus lernen.

Weitere News, Hands-ons und Berichte zum Mobile World Congress 2016 gibt es hier.

Disclaimer: Redakteure der futurezone berichten vor Ort von dem Mobile World Congress in Barcelona. Die Reisekosten werden von der futurezone GmbH selbst sowie von Huawei, Samsung und T-Mobile übernommen.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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