Zehn Jahre Firefox: Opfer des eigenen Erfolgs

Zehn Jahre Firefox: Opfer des eigenen Erfolgs

Als der aus dem Netscape-Umfeld hervorgegangene Mozilla Firefox am 9. November 2004 offiziell in Version 1.0 veröffentlicht wurde, ahnte wohl niemand, dass das Ende der totalen Dominanz von Microsofts Internet Explorer damit eingeläutet war. Rückblickend betrachtet herrschte damals Stillstand im Web.

Microsoft ruhte sich auf fast 100 Prozent Marktanteil mit dem Internet Explorer aus, Plattformen wie Facebook waren gerade einmal einer Handvoll Studierenden bekannt und die Entwicklung von Apples iPhone und Googles Android war noch nicht einmal offiziell bekannt.

Nummer eins in Österreich

In den folgenden Monaten und Jahren schaffte es die Mozilla-Stiftung auf dem Rücken einer wachsenden Open-Source-Community sowie mit Hilfe von Google, das eine finanzielle Kooperation und Entwickler beisteuerte, Microsoft stetig Marktanteile abzuknöpfen und die Entwicklung von Webtechnologien, aber auch die Diskussion rund um Datenschutz und Werbe-Tracking voranzutreiben.

In Österreich löste Firefox den Internet Explorer bereits Anfang 2009 als beliebtesten Desktopbrowser ab und kann diese Position derzeit laut StatCounter mit knapp 34 Prozent Marktanteil knapp vor Google Chrome behaupten. Microsoft liegt laut dieser Berechnung mit 24 Prozent abgeschlagen auf dem dritten Platz.

Source: StatCounter Global Stats - Browser Market Share

„In Wahrheit war bereits um 2000 bereits spürbar, dass der Explorer bei der Stabilität, bei der korrekten Umsetzung von Standards, bei Update- und Release-Zyklen sowie der Offenheit für andere System Probleme bekommen wird“, erinnert sich Clemens Cap, Professor an der Universität Rostock, im futurezone-Gespräch. „Mozilla hat die Probleme gut für sich genutzt und hatte in Folge mit Firefox einen unglaublichen Erfolg. Die Kooperation mit Google hat zudem viel Geld in die Kasse gespült“, sagt Cap, der allerdings auch die Schattenseite des Erfolgs anspricht.

Opfer des Erfolgs

Mozilla als Institution hat dieses Wachstum leider nicht besonders gut verkraftet. Man hat weniger auf die Benutzergemeinde gehört, die Fehlerbehebung, aber auch die Implementierung neuer Standards – etwa im Bereich HTML5 – wurde träger. Dazu kamen teilweise auch technische Probleme, etwa bei den Javascript Engines, die mit der dramatischen Technologie-Entwicklung einige Zeit nicht so gut mithalten konnte wie Google mit Chrome“, erläutert Cap. Chrome habe diesbezüglich aber auch den Vorteil gehabt, mit neu designter Browserarchitektur später in den Ring einzusteigen und somit leichter revolutionäre Javascript-Konzepte zu implementieren.

Die Veröffentlichung des eigenen Google-Browsers Chrome im Herbst 2008 markiert zweifelsohne einen Wendepunkt in der Erfolgsgeschichte von Firefox. Dass Google die ohnehin überschaubaren Entwicklerressourcen von der Firefox-Entwicklung abzog, dürfte für Mozilla leichter verkraftbar gewesen sein als der Umstand, dass Google sich nun mit voller Kraft und allen verfügbaren Ressourcen auf den Browsermarkt stürzte und den eigenen Browser in Microsoft-Manier bei jeder Gelegenheit wie etwa der Google-Suche seinen Usern ans Herz legte.

Source: StatCounter Global Stats - Browser Market Share

Dazu kam, dass Mozilla – sei es durch Ressourcenmangel oder durch Fehlentscheidungen im Management – den mobilen Browsermarkt verschlief. Mit einer eigenen Browserversion für Android und dem mobilen Betriebssystem Firefox OS will Mozilla auch dem mobilen Zeitalter seinen Stempel aufdrücken. Beim Update-Zyklus hat man – nicht zur ungeteilten Freude aller User – wie Google mit Chrome auf kurze Zeitperioden umgestellt.

Die Schlacht um Marktanteile scheint vorerst jedoch wieder einmal verloren. Statcounter zufolge ist der weltweite Marktanteil von Firefox am Desktop auf unter 20 Prozent gesunken, während Chrome auf über 50 Prozent davongezogen ist. Der Browserkrieg, der mit dem Sturz des aus Mosaic hervorgegangenen Netscape-Browsers in den 90er-Jahren zugunsten von Microsoft begann, dann mit dem Netscape-Nachfolger Firefox in die andere Richtung ausschlug, erlebt mit Google - wenn auch in abgeschwächter Form - also eine Neuaufnahme.

Google-Dominanz droht

Als Trost für Mozilla und die Firefox-Community bleibt, dass wichtige Ursprungsziele, wie die Etablierung von offenen Webstandards und die Browser-Wahlfreiheit erreicht sind. Angesichts des starken Wettbewerbs, den auch Apple mit Safari auf seinen Macs sowie iPhone und iPad befeuert, ist in absehbarer Zeit auch nicht damit zu rechnen, dass die Innovationskraft im Browser-Markt nachlassen wird. Auch Mozilla selbst verweist bei Diskussionen um den Marktanteil darauf, dass das Projekt weiterhin Non-profit sei und deshalb andere Ziele verfolge als andere Browserhersteller.

Firefox OS

Ungeachtet dessen lässt die immer stärker werdende Vormachtstellung von Googles Chrome am Desktop und auf Smartphones und Tablets gewisse Erinnerungen an die Microsoft-Dominanz wach werden. „Angesichts der Dominanz von Android kann sich das zu einem echten Problem-Monopolismus entwickeln“, gibt auch Cap zu bedenken. „Ich sehe aber auch positive Aspekte. Chrome erscheint mir – wenn auch nicht so offen wie Firefox – deutlich offener als der Explorer und ist bei Standards und neuen Technologien immer ganz weit vorne dabei. Das gibt wichtige Impulse für den Markt“, so Cap.

"Es gibt ein echtes Risiko, dass es das Internet, wie wir es kennen, in Zukunft nicht mehr geben wird. Die großen Konzerne wie Google, Apple und Microsoft wissen, dass sie noch mehr Profit machen können, wenn sie sich zwischen das offene Web und die User schalten", warnt auch Firefox-Chef Johnathan Nightingale im futurezone-Interview. "Die Gefahr ist, dass man über die schönen Smartphone- und Tablet-Geräte in ein Ökosystem gesperrt wird, in welchem von den Apps bis zur Bezahlung von Services alles von den Herstellern vorgegeben und kontrolliert wird", so Nightingale.

Apps statt Browser?

Welche Rolle der klassische Browser zukünftig beim Zugang zum Internet spielen wird, steht tatsächlich in den Sternen. Während moderne Webtechnologien wie HTML5 Apps auf mobilen Plattformen wie Android, iOS oder Windows Phone theoretisch obsolet machen würden, spricht einiges dafür, dass marktbeherrschende Konzerne wie Google, Apple und Microsoft die erlangte Kontrolle über ganze Gerätekategorien von Smartphones bis Smartwatches und Augmented-Reality-Brillen nicht so leicht aufgeben werden.

„Möglicherweise wird die Bedeutung des Browsers in Zukunft sinken. Vieles läuft heute über Apps in halboffenen Ökosystemen, weil die Hersteller diese so besser kontrollieren können. Der Browser, wie wir ihn heute kennen, ist aber ein sehr offenes Ökosystem – das ist bei so einem Vorhaben natürlich hinderlich“, erklärt Cap. „Als überzeugter Verfechter offener Systeme würde ich mir stärkere Aktivitäten der Open-Source-Gemeinde wünschen, damit das Internet als Medium für uns alle weiterhin offen bleibt.“

Entwickler-Browser

Als Geburtstagszuckerl für die Firefox-Entwicklergemeinde hat Mozilla angekündigt, am 10. November erstmals einen Browser zu veröffentlichen, der auf Entwickler zugeschnitten ist. Neben extensiven Debugging-Möglichkeiten sollen auch neue Werkzeuge wie WebIDE und Firefox Tools Adapter standardmäßig integriert sein, was das Testen und Entwickeln von Webauftritten und – Technologien vereinfachen sollen.

Das gesamte Interview mit Firefox-Chef Johnathan Nightingale zum zehnten Geburtstag von Firefox lesen Sie am Sonntag auf futurezone.at.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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