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CeBIT

"Augensteuerung revolutioniert Umgang mit PCs"

Am fehlenden Wow-Effekt kann es jedenfalls nicht liegen. Denn seit Tobii auf den Computermessen dieser Welt vorzeigt, wie einfach man eine Benutzeroberfläche mittels Augen steuern kann, erntet das Technologieunternehmen stets Anerkennung und begeisterte Blicke. Aus einem klobigen Showcase-Laptop von Lenovo, der im Jahr 2011

, entwickelte sich ein erstmals auf der CES 2012 gezeigtes
, das zwölf Monate später noch einmal deutlich
und mittlerweile fast in dünne Tablet- und Notebook-Rahmen passt.

Stupide PCs
Seit zehn Jahren in verschiedenen Lösungen für Menschen mit Behinderungen im Einsatz, will das Unternehmen mit der Technologie nun die Bedienung von und Interaktion mit Computern aller Art revolutionieren, wie Pezzarossa gegenüber der futurezone verdeutlicht. "Der PC hat seit 30 Jahren keine bahnbrechende Entwicklung mehr gemacht. Wir verwenden Keyboard und Maus - aber außer diesen Koordinaten weiß der Computer eigentlich überhaupt nichts von demjenigen, der ihm da gegenüber sitzt", sagt Pezzarossa.

Wie schon bei der Gestensteuerung könnte die Gaming-Industrie der Technologie zum Durchbruch verhelfen. "Stellen Sie sich vor, Sie spielen ein Rollenspiel, und Figuren reagieren, weil Sie sie ansehen oder sich ihnen zuwenden. Hier werden viel realistischere Interaktionsszenarien möglich, die viel stärker auf natürlichen Verhaltensweisen aufbauen", erklärt Pezzarossa. Aber auch das Zielen und Orientieren in Shootergames würde auf eine völlig neue Ebene gebracht. Andere Steuerungsfunktionen betreffen das schnelle Herein- und Herauszoomen in Karten oder die Auswahl von Akteuren- und Elementen-Gruppen, etwa bei Strategiespielen.

Intel als Investor
Mit dem Glauben an ein revolutionär neues Bedienungskonzept per Augensteuerung ist Tobii aber längst nicht mehr allein. So konnte die aktuell 400 Mitarbeiter umfassende Firma mit Sitz in Stockholm mittlerweile Intel als 21-Millionen-Dollar-Investor gewinnen. Neben Notebook-Hersteller Lenovo experimentierten die japanischen Unternehmen NTT DoCoMo und Fujitsu mit Tobiis Eye-Tracking-Lösung - in diesem Fall direkt in einem Tablet integriert. Zur CES 2013 ließ sich wiederum der chinesische Hersteller Haier nicht nehmen, einen externen Tobii-Tracker mit einem Fernseher zu koppeln. Wie Spiele wie Fruit Ninja oder Counter-Strike mittels Eye-Tracking aufgemotzt werden können, zeigte auf der CeBIT etwa die Software-Schmiede 4tiitoo.

Für einen kräftigen Schub bei dem Thema könnte zudem schon in Kürze Samsung mit seinem Galaxy S IV sorgen. Schon beim Vorgänger S III hatte Samsung mit der sogenannten SmartStay-Funktion eine rudimentäre Eye-Tracking-Lösung eingebaut, die das Display aus- und einschaltet, je nachdem, ob der User gerade auf das Display schaut oder nicht. Den neuesten

will Samsung das Feature im S IV ausbauen und unter anderem das Scrollen und Weiterblättern von Text durch bloße Augenbewegungen ermöglichen.

Auch Office-Anwendungen profitieren
Das Scrollen von Text ist auch eine der Standardfunktionen, die Tobii etwa bei deren Umsetzung für Windows 8 immer wieder vorzeigt. Denn Gaming ist längst nicht der einzige Bereich, wo die Tobii-Verantwortlichen große Chancen sehen. "Nichts ist intuitiver und auch effizienter als unsere visuelle Aufmerksamkeit - egal ob das jetzt Games oder aber Office-Anwendungen sind", sagt Pezzarossa. Neben auf der Hand liegenden Vorgängen, wie dem Fokussieren und Hineinzoomen von Google-Maps-Ausschnitten oder die Auswahl bestimmter Tabs oder Apps auf dem Screen, könnte auch die Eingabe bei CRM-Systemen entscheidend vereinfacht werden, indem das auszufüllende Feld einfach mit den Augen ausgewählt wird.

Weitere Anwendungsszenarien betreffen etwa den gesamten Healthcare-Bereich, wo freie Hände oftmals eine wichtige Rolle spielen, oder etwa im Auto. Konkret suchen Hersteller bereits nach Möglichkeiten, entsprechende Eye-Tracking-Technologien zu implementieren, etwa um Müdigkeitserscheinungen des Fahrers zu erkennen. "Die Algorithmen sind mittlerweile so gut, dass das System schon vier Minuten vorher erkennt, ob der Fahrer einschläft", sagt Pezzarossa im futurezone-Interview.

Entwickler-Kit um 750 Euro
Der Durchbruch der Technologie im Massenmarkt, den Tobii für 2014 erwartet, hängt naturgemäß von den großen Marktplayern ab. Geräte- und Display-Hersteller sind ebenso gefragt wie Software-Entwickler. "Die Zeichen stehen aber gut, in unterschiedlichsten Bereichen arbeiten unsere Partner bereits an einer Umsetzung." Als letzten Anstoß nimmt Tobii zudem noch einmal selbst das Heft in die Hand. Neben einem bereits erhältlichen Entwickler-Kit um 750 Euro, das neben der Peripherie auch die notwendigen Tools und Schnittstellen bereitstellt, soll die EyeTracking-Lösung in limitierter Auflage von 5000 Stück im Herbst auch für Consumer zu haben sein. Der Preis steht derzeit allerdings noch nicht fest.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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