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Interview

Bures: "Unsere Technologien sind gefragt"

futurezone: Österreich war beim schnellen Mobilfunk UMTS eines der innovativsten Länder der Welt, ein Vorzeigeland des Mobilfunks. Beim aktuellen Mobilfunkstandard LTE haben wir diese Position eingebüßt. Wir haben als Technologieland Österreich an Bedeutung verloren.
Doris Bures: Ich teile Ihre Auffassung, dass wir im Bereich von Breitband etwas tun müssen. Aber man kann jetzt nicht das ganze Technologieland Österreich in Frage stellen. Wir waren bei Informations und Kommunikation vorne, es gab kaum eine höhere Dichte etwa bei Mobilfunkteilnehmern. Aber das hat ja bei den Betreibern auch zu Problemen geführt, wenn man sich deren Preispolitik anschaut. Aber aufgrund von Fusionen haben wir uns dazu entschieden, die frei gewordenen Frequenzen der Digitalen Dividende (durch die Digitalisierung des Rundfunks frei gewordenen Frequenzen, Anm.) jetzt nicht zu vergeben.

Die Orange-Drei-Fusion wurde heuer bekannt, über die frei gewordenen Frequenzen wird seit drei Jahren diskutiert.
Es ist derzeit ökonomisch nicht sinnvoll, daher hat sich das ein wenig verschoben. Wir haben uns als Ziel gesetzt, eine Breitbandstrategie zu präsentieren, in der der Zugang zu Breitband bis 2020 ermöglicht wird, das werden wir erreichen.

In Deutschland wurde die Digitale Dividende vor zweieinhalb Jahren vergeben, bei uns - so hat die RTR gestern bekannt gegeben - wird das frühestens 2013 der Fall sein. Um Jahre zu spät.
Wenn eine unabhängige Regulierungsbehörde sagt, dass es aus wettbewerbsrechtlichen Gründen jetzt keinen Sinn macht, die Frequenzen zu versteigern, wird es von mir keine Weisung geben. Für den Einzelnen müssen wir den Zugang zur Wissensgesellschaft ermöglichen und daher gibt es die Breitbandstrategie. Die Regulierungsbehörde muss sagen, zu welcher Zeit was machbar ist und wann es den größten volkswirtschaftlichen Nutzen bringt. Und an das halte ich mich.

Eine Regulierungsbehörde muss nicht immer recht haben, wie man sieht.
Nein, aber es ist eine unabhängige Behörde wie der Rechnungshof.

Österreich präsentiert sich auf Ihrer gegenwärtigen Indienreise als Technologieland. Auf welche Technologien können wir stolz sein?
Auf jene Technologien, die Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen geben. Wenn heute auf der ganzen Welt über das Problem des Klimawandels diskutiert wird, so können wir die Antworten liefern und haben die Nase vorn. Wir haben Technologieführerschaft bei Umweltenergien, bei Energieeffizienz, bei Mobilitätstechnologien.

Welche Bereiche sind das konkret?
Im Bereich der Mobilität sind das Eisenbahn-Technologien, das ist E-Mobilität, die größte E-Flotte, die es gibt; da liefern wir Spitzenlösungen. Oder bei Fahrzeugtechnologien - von Hybridmotoren, alternativen Antriebssystemen bis hin zu Leichtbauweisen oder Batteriesystemen. Da haben wir die Technologieführerschaft inne.

Sie freuen sich hier in Indien über die guten Gespräche und einige verzeichnete Verträge und Absichtserklärungen, wie will das BMVIT gemeinsam mit der Wirtschaftskammer österreichische Unternehmen fördern, damit sie weltweit ein Geschäft machen? Was kommt nach Indien?
Nach Indien ist nicht ganz richtig, weil es ja schon etwas wie vor Indien gegeben hat. Ich war in Japan, in China, in Russland - es geht um die großen Märkte, die wir erobern wollen. Unsere Technologien sind gefragt, und das ist die gemeinsame Leistung einer heimischen Wirtschaft und einer richtigen Forschungsförderung. Beispiel Urbanisierung, das ist nicht nur ein indisches, sondern ein globales Problem - auch in Österreich lebt jeder Zweite in der Stadt, 2040 werden in Europa 80 Prozent der Bevölkerung in Städten leben. Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht man neue Technologien, bei denen Österreich ganz vorne ist.

Sie sprechen die so genannten „Smart Citys" an. Wien ist laut Mercer Studie die smarteste City der Welt. Zufall?
Wir haben ein Gesamtkonzept für großen Veränderungen, die weltweit stattfinden und wir haben Unternehmen, die auf diese Themenfelder gesetzt haben; und wir als Regierung haben bei der Forschungsförderung diese Themen forciert. Bei der gegenwärtigen Smart-City-Thematik ist es uns gelungen, diese Technologien zusammen zu führen. Auch dank AIT, dem Austrian Institute of Technology (früher Forschungszentrum Seibersdorf, Anm.), das Konzepte für chinesische und indische Millionenstädte entwickelt. Mit Wien haben wir ein Leuchtturm-Projekt, auf dem Flugfeld Aspern wird ein richtiges Modell-Projekt gebaut.

Dennoch gibt es in Österreich aber eine gewisse Sorge, dass im Forschungsland Österreich, die Forschungsquote mit 2,72 Prozent doch zu niedrig ist - obwohl wir zu den Top 5 gehören in Europa.
Erstens hat die Bundesregierung mit der Forschungsstrategie eine klare Zielsetzung formuliert: 3,76 Prozent bis 2020. Zweitens müssen private Firmen in Forschung und Entwicklung investieren. Über 20 Unternehmen in Österreich haben mit mir eine Deklaration unterzeichnet, dass sie trotz wirtschaftlich schwierigen Zeiten mehr in Forschung investieren werden. Seitens der Öffentlichen Hand sind wir uns einig, dass es so etwas wie Zukunftsthemen gibt und dass wir trotz Budgetkonsolidierung in Zukunftsthemen investieren müssen, wie etwa in den Bereich der angewandten wirtschaftsnahen Forschung.

Wie schlägt sich das im kommenden Budget nieder?
Auch in den laufenden Budgetverhandlungen bin ich zuversichtlich, dass es über alle Parteigrenzen hinweg gesehen wird, dass es gut investiertes Geld ist, angewandte Forschung zu fördern. Da geht es darum, dass Produkte entwickelt werden, die weltweit marktfähig werden und dadurch hochqualitative Beschäftigung in Österreich sichern.

In Österreich es ist derzeit so, dass 75 Prozent der Jobs IT-relevant sind, so gut wie jedes Technologie-Unternehmen in Österreich beklagt einen Fachkräftemangel.
Die Frage ist: Wie gelingt es Österreich, junge Leute nicht von den Universitäten zu vertreiben und Zugangsbeschränkungen zu machen, sondern ihnen die besten Ausbildungschancen in Zukunftsberufen zu geben. Wir müssen intensiv in die Ausbildung im Informations- und Kommunikationstechnologie-Bereich, im Umwelt- und Mobiltitätsbereich investieren. Wir müssen junge Menschen - Männer und Frauen, wir haben viel zu wenig Frauen in diesen Berufen - begeistern, technische und naturwissenschaftlich Ausbildungswege zu gehen.

Die Werbung für diese Ausbildung, wo soll sie beginnen?
Es ist tatsächlich so, dass wir vom Kindergarten über die Schule bis zu Universitäten die Chancen und Möglichkeiten von Forscherinnen und Forschern in Österreich propagieren müssen. Ich versuche das in meinem Bereich auch sehr breit anzulegen. Ich initiiere Forschungsecken in Kindergärten, Praktikumsplätze in Unternehmen, die Forschungsabteilungen haben, ich initiiere Schüleraustausch in diesem Bereich. Wir brauchen ein System, bei dem wir auf der einen Seite junge Menschen von Forschung und Technologie begeistern, auf der anderen Seite müssen sie auf den Universitäten die besten Ausbildungsmöglichkeiten vorfinden.

Sie haben den Frauenmangel angesprochen. Wie kann man Frauen motivieren?
Es ist wichtig, dass es Vorbilder gibt, aber damit allein ist nichts getan. Was man braucht, ist eine kritische Masse an Frauen. Das beginnt bei einem Drittel, das zu einer Veränderung führt. Es geht nicht darum, wie man Frauen motivieren kann, sie sind motiviert. Es geht darum, Vorurteile Frauen gegenüber abzubauen. Internationale Untersuchungen zeigen, dass es nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit und Gleichstellung, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist, auf Frauen zu setzen, weil die Diversität der Geschlechter zu unterschiedlichen Zugängen und daher zu mehr Erfolg führt. Zudem glaube ich, dass die Wirtschaft, die Politik und Wissenschaft bald zur Erkenntnis gelangen wird, dass man auf die Hälfte der Bevölkerung nicht verzichten kann.

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Indienreise
Mit einer Wirtschafts- und Technologie-Delegation ist Verkehrs- und Technologie-Ministerin Doris Bures für vier Tage nach New Delhi gereist, um dort Kooperations-abkommen mit indischen Ministerien abzuschließen und das Know-How österreichischer Firmen anzupreisen. Indien möchte in den kommenden Jahren die Modernisierung seiner veralteten und überlasteten Infrastrukutur mit Hochdruck vorantreiben.

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