"Micius"-Start vom Weltraumbahnhof Jiuquan
"Micius"-Start vom Weltraumbahnhof Jiuquan
© APA/AFP/STR

Micius

China startete ersten Quantenkommunikationssatelliten

China hat in der Nacht auf Dienstag vom Weltraumbahnhof Jiuquan in der Wüste Gobi den ersten Quantenkommunikationssatelliten mit einer Rakete vom Typ „Langer Marsch 2D“ erfolgreich gestartet. Mit dem „Micius“ genannten Satelliten wollen chinesische und Wiener Forscher erstmals abhörsichere Quantenkommunikation zwischen Weltraum und Erde - konkret Bodenstationen in China und Österreich - testen.

Beim Start dabei waren der Präsident der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Anton Zeilinger, und der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl. Zeilinger zeigte sich erfreut und erleichtert über den gelungenen Start, „damit ist ein erster Schritt zu einer weltweiten Quantenkommunikation gesetzt“, erklärte der Quantenphysiker in einer ÖAW-Aussendung. Engl verwies auf die Kooperation in dem austro-chinesischen Projekt „Quantum Experiments at Space Scale“ (QUESS), die Grundlagenforschung auf internationalem Top-Niveau ermögliche. „Damit werden wir das Quanteninternet wesentlich vorantreiben und langfristig die Kommunikation weltweit auf ein neues Level heben“, so Engl.

500 Kilometer Höhe

Der um 1.40 Uhr Ortszeit gestartete, rund 620 Kilo schwere Satellit wird die Erde auf einer polaren Umlaufbahn in rund 500 Kilometer Höhe umkreisen. An Bord befinden sich spezielle Quellen für Lichtteilchen und Transmitter zu deren Übertragung. Benannt ist er nach dem chinesischen Philosophen Micius, der im 5. Jahrhundert vor Christus lebte und nach chinesischen Quellen entdeckt hat, dass sich Licht geradlinig ausbreitet.

Die Wissenschafter wollen sich quantenphysikalische Phänomene zunutze machen, um kryptographische Schlüssel vom Satelliten zu Bodenstationen auf der Erde zu übertragen und damit ein Modell für vollständig abhörsichere Datenverbindungen über bisher unerreichte Distanzen zu schaffen. Der chinesische Projektleiter Pan Jian-Wei, der bei Zeilinger an der Uni Wien promoviert hat, beschrieb die Methode in einem Beitrag im chinesischen Staatsfernsehen CCTV als „revolutionär“: „Quanten-kodierte Information ist völlig sicher, selbst die besten Computer können das nicht knacken.“

„Spukhafte Fernwirkung“

Im Mittelpunkt der Experimente steht das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung, von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Dabei bleiben zwei Teilchen, etwa Photonen, über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer man mit einem Teilchen tut, beeinflusst scheinbar augenblicklich auch den Zustand des anderen Teilchens. Das kann man sich zunutze machen, um Informationen über - theoretisch - beliebige Distanzen zu übertragen.

Zeilinger und sein Team von der Uni Wien und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW haben die Distanzen der Verschränkung in den vergangenen Jahren immer weiter ausgedehnt - bis zur Rekorddistanz von 144 Kilometer. Längere Strecken sind auf der Erde aufgrund der Störungen der Atmosphäre nicht möglich, weshalb die Forscher ihre Experimente nun ins Weltall verlagerten.

Gelingt die Experimente mit „Micius“, hätten die Physiker den Nachweis erbracht, dass die „spukhafte Fernwirkung“ auch über 1.000 Kilometer - jeweils 500 Kilometer von den zwei Bodenstationen zum Satelliten - aufrecht bleibt. Auch für ein künftiges Quanteninternet würde damit gezeigt, dass es möglich ist, über Satelliten als Relaisstationen Sicherheitsschlüssel beliebig weit auszutauschen.

Empfangsstationen in Österreich

Die österreichischen Wissenschafter stellen für das Experiment in Europa Empfangsstationen zur Verfügung. Das sind die „Satellite Laser Ranging Station“ in Graz-Lustbühel vom Institut für Weltraumforschung der ÖAW und das „Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope“ am Dach des IQOQI in Wien-Alsergrund.

Dazu kommt eine optische Bodenstation der Europäischen Weltraumorganisation ESA auf Teneriffa. Zudem soll eine mobile Bodenstation angeschafft werden. In China sind laut „Chinese Journal of Space Science“ sechs Bodenstationen geplant.

Dort ist das Projekt auch Teil eines Quanteninformationsnetzwerks, das derzeit über 2.000 Kilometer von Peking bis Shanghai läuft. China plant zudem in weiterer Folge ein Quanten-Satellitensystem, um bis 2030 damit rund um den Planeten kommunizieren zu können.

Die Einrichtung des Satelliten und der Instrumente wird voraussichtlich mehrere Monate dauern. Thomas Scheidl vom IQOQI geht davon aus, dass noch in diesem Jahr erste Übermittlungen an österreichische Bodenstationen erfolgen werden.

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