Biohacking: Amal Gfraafstra implantiert einem Messebesucher einen Chip auf der CeBIT.
Biohacking: Amal Gfraafstra implantiert einem Messebesucher einen Chip auf der CeBIT.
© Barbara Wimmer

CeBIT

"Ein Chip unter der Haut ist das Tattoo der Neuzeit"

Amal Gfraafstra trägt seit mehr als zehn Jahren einen winzig kleinen Mini-Chip zwischen Daumen und Zeigefinger unter der Haut. Er hat mit Dangerous Things ein Start-up gegründet, das die Chips herstellt. Diese Verschmelzung aus Technik und Mensch nennt man Biohacking. Der Chip ist dabei nicht größer als ein Reiskorn. Er ist mit einer Funkerkennung und einem Speicherplatz ausgestattet. Mit Hilfe der Funktechnik NFC können Informationen, die auf dem Chip gespeichert sind, innerhalb einer kurzen Distanz von wenigen Zentimetern ausgelesen werden.

Gfraafstra trägt damit seine Visitenkarte permanent bei sich. Er muss lediglich seine Hand an ein NFC-fähiges Smartphone halten und schon kann er seine Kontaktdaten übertragen. Zu Hause sperrt er damit seine Wohnungstüre auf. „Das Konzept des Schlüssels ist tausende Jahre alt. Das ist überholt“, sagt er auf der Computermesse CeBIT in Hannover. Dort implantiert der Biohacker nun selbst Messebesuchern einen Computerchip unter die Haut.

Interesse am Thema ist groß

Der Andrang ist groß: Hunderte haben sich seit Montag diesen kleinen Chip einsetzen lassen. In den „Happy Hours“, die jeden Tag täglich zwei Mal stattfanden, kostet das Implantat 50 Euro. Die Gründe dafür sind von Messebesucher zu Messebesucher äußerst unterschiedlich und reichen von „Ich will ein Cyborg sein“, „Einfach zum Spaß, muss mir erst überlegen, was ich damit mache“ bis hin zu „Dann brauche ich mir meine Passwörter nicht mehr merken.“

Das sichere und verschlüsselte Speichern von Passwörtern ist damit nämlich laut Gfraafstra ebenso möglich wie die Steuerung einer Lichtanlage im vernetzten Heim oder die Zutrittskontrolle beim Fitnesscenter seiner Wahl. Und weh tut es – angeblich – auch nicht.

So funktioniert das Einsetzen

Der Chip muss nämlich mit einer Nadel unter die Haut injiziert werden. Davor wird die Stelle am Handrücken mit einer Salbe betäubt. Insgesamt dauert das Einsetzen wenige Sekunden. Danach gibt es ein Pflaster. „Es tut weniger weh als Blutabnehmen“, erzählt ein stolzer Chipträger der futurezone. Doch was auf jeden Fall bleibt ist eine kleine Narbe. Diese hat auch Patrick Kramer, Gründer von Digiwell, auf seinem Handrücken.

„Nach ein bis zwei Stunden ist die Wunde geschlossen, nach drei Tagen lässt der Druck nach und nach einem halben Jahr merkt man vom Chip nichts mehr“, erzählt Kramer, der die Chips von Gfraafstra Unternehmen offiziell in Europa vertreibt.

"Nicht nur Nerds"

Auf seiner Website digiwell.de kann man das Set mit dem Chip offiziell bestellen. „Danach geht man mit dem Implantat zu einem guten Piercer seiner Wahl“, so Kramer. Rund 50.000 Menschen tragen laut Kramer weltweit bereits Computerchips unter der Haut. „Das sind aber nicht nur Nerds“, wie er betont. Darunter seien etwa auch Rechtsanwälte oder Ärzte, die den Chip als Zugangskontrolle nutzen würden. Mit SAS hat auch bereits die erste Fluglinie das Einchecken im Flugzeug mittels implantierten Chip getestet.

Biohacker Gfraafstra hat auch schon die nächste Chip-Generation an sich selbst getestet. Sie soll im Sommer auf den Markt kommen und noch flexibler sein und über mehr Speicherplatz verfügen. Die aktuellen Chips umfassen 888 Byte. Die Nachfolge-Chips kann man dann künftig auch dazu verwenden, sein Auto zu öffnen und zu starten. In Zukunft werden sich auch kleine Einkäufe per implantierten NFC-Chip bezahlen lassen können. Auch als Ausweis-Ersatz könnte der Micro-Chip herhalten.

Derzeit wenige Funktionen

„Derzeit bieten die Chip-Implantate noch äußerst eingeschränkte Möglichkeiten“, sagt der Cyborg-Experte Alexander Krützfeldt. Der Autor des Buches „Wir sind Cyborgs“ sieht in den Chips derzeit lediglich ein Werkzeug mit ganz speziellem Nutzen und man sei damit noch lange kein Cyborg. „Es ist ein Tattoo der Neuzeit. Erst wenn der Chip so viele Einsatzmöglichkeiten wie ein Smartphone bekommt, wird er wirklich interessant.“ Krützfeldt glaubt nicht, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren schon so weit sein wird. Auch Kramer geht davon aus, dass diese Entwicklung von zehn bis zwanzig Jahre dauern könnte.

Auch auf der CeBIT zeigen sich nicht alle Messebesucher gänzlich vom Biohacking überzeugt. „Ich sehe darin aktuell noch keinen großen Mehrwert“, sagt etwa ein Informatik-Student, der sehr technologiebegeistert ist. Es wird also wohl noch ein Weilchen dauern, bis die Technik letztendlich wirklich unter die Haut der Massen gehen wird. Weiter zum Kommentar dazu geht es hier.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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