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Wien

Experten überzeugt: "Spintronik" wird sich durchsetzen

Während Halbleiterelektronik auf dem Transport elektrischer Ladung mittels Elektronen basiert, wird weltweit daran geforscht, auf diese zeit- und energieaufwendige Beförderung zu verzichten und stattdessen das magnetische Moment von Elektronen zu nutzen. Wiener Forscher zeigen sich nun im Fachjournal "Physics Reports" davon überzeugt, dass sich diese "Spintronik" durchsetzen wird.

Spin statt Ladung

In Mikroprozessoren von Computern und Handys werden Elektronen durch elektrische Spannung dazu gebracht, Transistoren elektrisch zu laden oder zu entladen, um Informationen im binären Code (Null und Eins) zu erzeugen bzw. zu speichern. Doch der Ladungstransport kostet Zeit und Energie, zudem entsteht durch die Bewegung der Elektronen Wärme. Die Experten sind sich sicher, dass die herkömmliche Halbleiterelektronik irgendwann an ihre Grenzen stoßen wird.

Als Zukunftstechnologie gilt die sogenannte "Spintronik". Dabei wird keine Ladung mehr transportiert, stattdessen nutzt man den Spin der Elektronen. Diese drehen sich quasi um ihre eigene Achse und erzeugen dabei ein magnetisches Moment. Dieses kann zwei Orientierungen einnehmen, wie ein Stabmagnet mit Nord- und Südpol. Diese beiden Zustände lassen sich wieder in den binären Code mit "0" und "1" übersetzen.

"Technologie der übernächsten Generation"

Siegfried Selberherr, Professor am Institut für Mikroelektronik der Technischen Universität (TU) Wien, hat 2010 einen hoch dotierten Förderpreis ("Advanced Grant") des Europäischen Forschungsrats (ERC) bekommen, um den Elektronenspin für die Verarbeitung und nichtflüchtige Speicherung von Information zu erforschen. Sein Team simuliert nanoelektronische Effekte am Computer und entwirft neue Halbleiterbauteile, die auch zum Patent angemeldet wurden.

In dem Übersichtsartikel fasst Selberherr nun den aktuellen Stand der Silizium-basierten "Spintronik" zusammen. Für ihn und seinen Kollegen Viktor Sverdlov sind die entscheidenden Fragen geklärt. Dass sich diese Technologie durchsetzen wird, steht für sie außer Frage. "In den kommenden Jahren wird man die Mikroelektronik noch auf herkömmliche Weise weiterentwickeln können, doch irgendwann sind physikalische Grenzen erreicht und man muss sich etwas Neues einfallen lassen", so Selberherr in einer Aussendung der TU. "Spintronik" sei keine kühne Zukunftsvision wie etwa der Quantencomputer, sondern "die Technologie der übernächsten Generation".

Effizienz gefragt

Im Prinzip seien alle grundsätzlich nötigen Mechanismen der "Spintronik" auch bei Zimmertemperatur und nicht nur unter Tieftemperatur-Laborbedingungen gelöst, sagte Selberherr gegenüber der APA. Die Spintronik könne alle logischen Verknüpfungen realisieren, die man derzeit in der herkömmlichen Elektronik verwendet. Große Fortschritte gebe es auch bei der Umwandlung von elektrischen in Spin-Signale, "Spintronik" und herkömmliche Elektronik können also selbst innerhalb eines einzelnen Chips kombiniert werden.

Die neue Technologie müsse aber "mit der sehr reifen ladungsbasierten Mikroelektronik konkurrieren, die Milliarden von einzelnen Elementen auf sagen wir einem Quadratzentimeter fehlerfrei zusammenarbeiten lässt". Die wesentliche Herausforderung sei, jeden einzelnen benötigten spintronischen Mechanismus, effizienter zu machen.

Schon jetzt gebe es aber etliche "Spintronik"-Produkte, "die kommerziell verfügbar sind und auch in modernen Systemen genutzt werden, etwa Speicher-Chips für Anwendungen, wo Alpha-Strahlung heikel ist, wie in Flugzeugen", so Selberherr. Vermutlich werde es noch zehn Jahre dauern, bis einer Mehrheit von Nutzern moderner technologischer Geräte der Begriff "Spintronik" geläufig ist.

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