Ratten und Mäusen soll der Labortod erspart werden
Ratten und Mäusen soll der Labortod erspart werden
© IEMM/Münster/A9999 Iemm/Münster

Forschung

Gezüchtete Haut und Organ-Chips ersetzen Tierversuche

Wissenschaftler der Berliner Universitäten wollen dabei helfen, Tierversuche auf lange Sicht fast überflüssig zu machen. Große Erfolge gebe es bereits mit Modellen aus menschlichen Hautzellen, an denen Kosmetika und Chemikalien getestet werden könnten, sagt die Pharmakologin Monika Schäfer-Korting, Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin (FU).

Millionen Versuchstiere

2013 wurden nach den Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Deutschland fast drei Millionen Wirbeltiere für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. Fast 90 Prozent von ihnen waren Nagetiere, vor allem Mäuse und Ratten. Seit 2013 sind in der EU Tierversuche für Kosmetika verboten. Die Ergebnisse alternativer Methoden sind laut Forschern mittlerweile oft besser auf den menschlichen Organismus übertragbar als Tests am Tier.

An der Freien Universität Berlin etwa entwickeln Forscher aus menschlichen Hautzellen Methoden und Modelle, um die Aufnahme von Substanzen in die menschliche Haut und deren Verstoffwechselung zu testen. Früher musste Kaninchenhaut für solche Tests herhalten. Inzwischen sind an der FU auch Modelle für Hautkrankheiten in der Entwicklung, zum Beispiel für Ekzeme und hellen Hautkrebs.

Für Hautreaktionstests seien Tierversuche heute weitgehend überflüssig, bilanziert die Pharmakologin. „Im Moment geht es darum, auch Immunzellen in die Hautmodelle zu bekommen.“ Damit könnten dann nicht nur die Aufnahme einer Substanz beobachtet werden, sondern auch die Schäden, die durch Umwandlung in der Haut - dem größten Organ des Menschen - entstehen können. Für die Allergieforschung wäre das ein vielversprechender Ansatz.

Der Mensch auf einem Chip

Hoffnung auf Ersatz für Tierversuche machen Forschern auch Multiorgan-Chips, wie sie zum Beispiel an der TU Berlin entwickelt werden. Am Arbeitsbereich medizinische Biotechnologie geht es darum, verschiedene gezüchtete Organgewebe über eine Nährlösung miteinander zu verbinden, zum Beispiel Zellen von Leber und Haut. Ziel ist eine Art „Mikromensch“, der - gewachsen aus adulten Stammzellen - in ein Smartphone passen würde. Die perfekte „Testperson“.

Der Zwei-Gewebe-Chip werde bereits in 20 Forschungs- und Industrieprojekten genutzt, sagt Projektleiter Uwe Marx. Langfristiges Ziel ist es, die wichtigsten inneren Organe wie Herz, Leber und Niere im Mini-Format des Chipsystems zu kombinieren und über eine Nährflüssigkeit über längere Zeit wie einen Organismus am Leben zu erhalten. Blut wäre die beste Nährlösung. Doch Blut braucht auch ein Gefäßsystem aus Zellen im Mini-Format, an dem die Forscher zurzeit tüfteln.

Bisher seien die dünnen Verbindungsröhren im Chip noch Kanäle aus künstlichen Materialien, berichtet Marx. Eine weitere Hoffnung der Forscher: Solche Alternativen zu Tierversuchen könnten in Zukunft auch locken, weil sie wahrscheinlich preiswerter sind.

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