Industrie 4.0 Pilotraum an der FH Technikum Wien
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FH Technikum

Industrie 4.0: “Weg von Schlagworten, hin zu Lösungen”

Das Schlagwort Industrie 4.0 wird derzeit häufig strapaziert. Was aber darunter zu verstehen ist, ist oft unklar. “Industrie 4.0 ist eine Kombination aus vielen einzelnen Technologiesprüngen, die die reale Produktion mit der virtuellen Welt verbinden. Dazu gehören bessere, miteinander vernetzte Sensoren. Ein weiterer Punkt sind leistungsfähigere Algorithmen zur Auswertung der erfassten Daten – StichwortBig Data“. Die Kombination dieser Aspekte im Dienste höherer Flexibilität und Effizienz kommt dem, was wir Industrie 4.0 nennen, schon recht nahe”, sagt Corinna Engelhardt-Nowitzki von der der FH Technikum Wien gegenüber der futurezone. Unerlässlich sind auch neue Geschäftsmodelle, die es erlauben, diese technologischen Möglichkeiten zur Modernisierung der Industrieproduktion wirtschaftlich zu nutzen.

Corinna Engelhardt
Die FH Technikum Wien, ein Netzwerkpartner des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), hat sich angesichts der Komplexität des Themas für einen praxisgerechten Zugang zum Thema entschieden. “Wir sollten weg von den Schlagworten, hin zu Lösungen. Deshalb verfolgen wir einen Ansatz, der den Bedingungen des österreichischen Marktes entspricht. Wir denken vor allem an kleine und mittlere Betriebe, sowohl finanziell, als auch was technische Voraussetzungen angeht”, sagt Engelhardt-Nowitzki. In der Digitalen Fabrik mit rund zehn Industrierobotern, kombiniert mit manuellen Arbeitsplätzen, können Firmen und Studierende seit einigen Monaten „intelligente“ Automatisierungslösungen auf dem Weg zu Industrie 4.0 unter realistischen Bedingungen erarbeiten.

Menschen bleiben wichtig

In der Digitalen Fabrik wird derzeit z.B. im Gebiet der Sensorik geforscht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Softwarearchitektur: Hier geht es um die Kompatibilität der Systeme, die in den Firmen schon im Einsatz sind, und um die Entwicklung einheitlicher Standards. “In Zukunft werden wir zwei weitere Themen angehen, nämlich IT-Sicherheit und kollaborative Robotik, also die direkte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine an der gleichen Werkbank. Das ist noch weitgehend ungelöst”, so die Industrie-4.0-Expertin.

Der Mensch bleibt laut Vision der Forscher auch künftig Teil der Produktionsprozesse, nämlich dort, wo eine Automatisierung nicht möglich ist, oder sich nicht rechnet. Roboter sind großteils noch nicht sicher genug, um unmittelbar mit Menschen zusammenzuarbeiten und könnten schwere Verletzungen verursachen. Das soll durch leistungsfähigere Algorithmen und „sensitive“ Roboter behoben werden, die zurückweichen, wenn eine Kollision droht. Ziel ist, dass der Mensch das tut, was er gut kann, und der Roboter das erledigt, was Maschinen besser können - etwa das Heben schwerer Lasten.

Kleine Schritte

“KMUs mit Mut und Kreativität werden in fünf Jahren schon einiges von dem im Einsatz haben, was wir entwickeln. Es geistern viele Utopien durch die Medien. Etwa das Produkt, das sich selbst durch die Produktion steuert. Das ist aber nicht immer sinnvoll. Selbst große Konzerne werden nicht flächendecken in die vollautomatisierte Fertigung investieren. Wir müssen mit kleinen Lösungen anfangen”, meint Engelhardt-Nowitzki, „und eher die Engpässe beseitigen, als die komplette Produktion umzustellen.“ Dazu müssen aber auch Normen entwickelt werden, an denen sich Unternehmen orientieren können. “Hier hinken wir hinter der Technik her. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, trotzdem gute Entscheidungen zu treffen.”, sagt Engelhardt-Nowitzki.

Um maßgeschneiderte Industrie-4.0-Systeme bauen zu können, müssen geeignete Fachkräfte ausgebildet werden. “Die Ausbildung in Europa ist zu wenig ganzheitlich. Wir haben Spezialisten für Einzelbereiche, aber die Systemgestaltung ist ein unbearbeitetes Feld. Dabei sind die Chancen riesig”, erklärt die Forscherin. Die FH Technikum Wien wird dies in ihre Lehrpläne integrieren. “Wir müssen hier etwas tun. Europa ist traditionell stark im Maschinenbau, aber Asien und die USA sind im Software- und Hardwarebereich sowie im Umgang mit großen Datenmengen vorne. Künftige Systeme brauchen beides. Wer zuerst lernt, Gesamtkonzepte zu entwerfen, wird die Nase vorn haben”, sagt Engelhardt-Nowitzki.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Technilkum Wien entstanden.

Corinna Engelhardt-Nowitzki leitet die Studiengänge Maschinenbau und Mechatronik/Robotik an der FH Technikum Wien. Sie ist maßgeblich am laufenden Aufbau des Industrie 4.0 Labors an der Fachhochschule beteiligt.

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