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Intel-Forschung

"Jedes Auto produziert 10 GB Daten pro Stunde"

futurezone: Sie besitzen einen Doktor in Anthropologie und gelten als Experte auf dem Feld der Ethnografie. Was tut jemand mit Ihrer Ausbildung bei Intel?
Tim Plowman:
Die Intel Labs verfolgen einen multidisziplinären Ansatz. Neben den Hardware- und Software-Technikern bestehen die Teams aus Psychologen, Designern, Künstliche-Intelligenz-Experten und eben auch Anthropologen. Wir sehen uns an, wie Menschen sich in bestimmten Situationen verhalten und können so Rückschlüsse ziehen, wie Technologie konzipiert sein muss, damit sie auch in der Praxis funktioniert.

Sie forschen im Bereich Transport und Beförderung. Welche konkreten Fragen stellen Sie sich?
Auf der individuellen Ebene geht es darum: Wie verwenden Leute ihr Auto? Wie oft und warum haben sie Unfälle? Was tun sie, während sie fahren? Schreiben sie SMS, telefonieren sie? Wie oft kauft sich wer ein neues Auto? Auf einer kollektiven Ebene geht es wiederum darum: Es gibt Millionen von Autos, die täglich auf den Straßen unterwegs sind. Wie kann man mittels Technologien bei diesem kollektiven Phänomen ansetzen, Stichwort Automatisierung, Flottenmanagement.

Haben Sie schon konkrete Antworten gefunden?
Das Auto ist ein spannendes Betätigungsfeld, eben weil es ein hochgradig kollektives, aber auch individuelles Phänomen ist. Trotz aller Technik und Automatik lenkt der Fahrer immer noch mit seinen eigenen zwei Händen, die Beziehung zum eigenen Fahrzeug ist eine sehr persönliche. Gleichzeitig wissen wir, dass 70 Prozent aller Autofahrten absolute Routine, somit vorhersehbar und bis zu einem Grad auch automatisierbar sind.

Wann werden Autos völlig autonom durch die Gegend steuern?
Die Diskussion über Ubiquitous Computing und das Internet der Dinge gibt es seit 20 Jahren. Mittlerweile ist es zwar so, dass fast überall irgendein smarter Chip integriert ist.  Das Problem ist aber, dass es großteils ein nicht kompatibles Durcheinander ist. Diese herausfordernde Hybrid-Welt werden wir auch beim Auto haben.

Die Menschheit wird ihre Autos also weiterhin manuell steuern?
Man wird sich damit abfinden müssen, dass es immer manuell gesteuerte Autos geben wird – auch wenn Google gerade anderer Meinung ist. Denn Leute werden das nicht aufgeben wollen. Dazu kommt, dass Autofahren kulturell völlig unterschiedlich ist, da muss man nur Kalifornien mit Indien vergleichen. Und nur weil es Verkehrsregeln gibt, heißt es ja noch lange nicht, dass diese befolgt werden. Das mit einem Algorithmus von autonom steuernden Autos abzufangen, ist extrem schwierig.

Wird diese kulturelle Heterogenität durch die Globalisierung nicht ohnehin aufgelöst – zumindest, was die Nutzung technischer Geräte betrifft?
Ich denke nicht und hoffe es auch nicht, denn das wäre eine schreckliche Vorstellung. Um beim Auto zu bleiben: In China sind 80 Prozent der Autokäufer Erstkäufer, die gerade erst den Führerschein gemacht haben. Das sind völlig andere Voraussetzungen als in einem gesättigten Markt wie etwa Deutschland oder Österreich. Bei uns hingegen sehen wir, dass für die Zwanzig-Jährigen der Besitz eines Autos keine Priorität mehr hat. Denen ist der Zugang zu Breitband-Internet viel wichtiger.

Computer waren noch vor einigen Jahren nur wenigen Menschen an fixen Standorten – Stichwort PC - vorbehalten. Wie haben nicht zuletzt Smartphones und Tablets den Zugang zu Technologie verändert?
Lange Zeit war es eine sehr einseitige Beziehung. Wir sagen dem Computer, was er zu tun hat. Neben der intuitiveren Bedienung geht es heute viel mehr um die Interaktion zwischen Mensch und Computer.

Welche Rolle spielt dabei das Interface?
Die Interfaces der Zukunft werden sicherlich Touch-Elemente und multifunktional aufgebaut sein. Im Auto etwa haben wir viele Anzeigen und Oberflächenelemente, die allesamt starr und unintelligent sind. In Zukunft müsste es so sein, dass sich die Anzeigen danach anpassen, was der Fahrer gerade tut bzw. was um das Auto herum passiert. Auch Spracherkennung und Augensteuerung gehören dazu: Das Auto muss erkennen, wohin sich die Aufmerksamkeit des Fahrers gerade richtet.

So spannende Szenarien das vernetzte Auto auch bietet – Datenschützer und Sicherheitsexperten dürften jetzt schon die Hände über dem Kopf schlagen. Wie stellt man sich bei Intel diesen Bedenken?
Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit sind für das Auto der Zukunft essenziell. Zum einen will man mit dem Auto natürlich keinen Unfall bauen und beim Fahren sicher sein. Zum anderen müssen natürlich auch sensible Daten geschützt werden. Jedes Auto produziert stündlich etwa zehn Gigabyte an Daten, wenn man alle Fahreigenschaften, das Bremsen, Lenken, Radio ein- und ausschalten etc. mitrechnet. Wie beim Webbrowsen sind die meisten Daten völlig wertlos und unbedenklich, einige wenige sind aber potenziell gefährlich und können missbraucht werden.

Wie können diese Daten geschützt werden?

Niemand will, dass ein PC gehackt wird, aber wenn es um ein Auto mit Leuten drinnen geht, will man das natürlich erst recht nicht. Um die Privatsphäre zu schützen, müssen Daten sich zukünftig verstärkt selber verwalten. Ein intelligentes System sollte dem User diese Arbeit abnehmen und entscheiden können: Was muss anonymisiert, was gelöscht und was sicher verwahrt werden.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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