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Telemonitoring

Mit NFC gegen Diabetes und Herzschwäche

Wie die ärztliche Betreuung und der Alltag von Diabetes-Patienten über Telemonitoring erleichtert werden können, versucht das Austrian Institute of Technology (AIT) mit dem Pilotprojekt „Diabmemory“ zu beweisen. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Diabetiker-Tagebuch, in dem relevante Messwerte wie Blutzucker, Blutdruck, Gewicht, aber auch das eigene Wohlbefinden und etwaige Aktivitäten festgehalten werden. Die Übertragung der Daten von den Messgeräten an den von AIT gehosteten Server erfolgt mittels NFC und Smartphone-App. Der behandelnde Arzt (und nur dieser) hat Zugriff auf die Daten und ist angehalten, zumindest einmal pro Woche dem Patienten ein kurzes Feedback zukommen zu lassen.

Proof-of-Concept
Das 2010 mit der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) gestartete Projekt umfasst etwa 500 Personen, die mit einem entsprechenden Set, bestehend aus Blutzucker-, Blutdruck-Messgerät sowie NFC-fähigem Handy, ausgestattet wurden. Bei adipösen Patienten wird zusätzlich auch eine Waage ausgegeben, die mittels einer vom AIT entwickelten KIT-Box ebenfalls NFC-fähig gemacht werden kann. Neben der verschlüsselten Datenübertragung soll eine zusätzliche ID-Karte mit integriertem RFID-Tag für die notwendige Sicherheit sorgen.

Will man die App benutzen, muss man das Handy zuerst an die Karte halten. „Natürlich könnte man die Applikation auch mit einem PIN-Code sichern. Da gerade Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 mehrmals am Tag ihre Messwerte eintragen müssen, wollten wir hier einen Kompromiss finden, der zwar eine zusätzliche Sicherheitskomponente umfasst, aber in der täglichen Bedienung praktisch ist“, erklärt AIT-Projektleiter Peter Kastner im Gespräch mit der futurezone.

Typ 2 Diabetes
Der Verzicht auf komplizierte Anmeldeverfahren soll zudem der älteren Generation helfen, sich mit der Technologie anzufreunden. Denn im Fokus des Projekts stehen viele ältere Patienten, die am Typ 2 von Diabetes mellitus bzw. der oft als „Altersdiabetes“ genannten Form leiden. Diese ist viel stärker von der Lebensweise, wie Ernährung und Bewegung abhängig. Das elektronische Tagebuch versucht hier einzugreifen und zusammen mit dem behandelnden Arzt die Motivation für einen grundsätzlichen Lebenswandel hochzuhalten.

„Typ-2-Patienten gehen üblicherweise alle zwei bis drei Jahre auf Kur. Unter Beobachtung reißen sie sich dort zusammen, doch nach wenigen Wochen zuhause verfallen viele Leute wieder in ihre alten Gewohnheiten – die teilweise ja auch der Grund für ihre Erkrankung waren bzw. diese verschlimmern“, sagt Kastner. Erste Auswertungen des Projekts hätten gezeigt, dass Patienten das System auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum intensiv nutzten und ihren HbA1c-Wert (Langzeit-Blutzucker) senken konnten.

"Ärzte wollen therapieren, nicht dokumentieren"
Die etwa 100 teilnehmenden Ärzte stünden dem Projekt ebenfalls positiv gegenüber. Durch das Abkommen mit der Versicherungsanstalt wird ihre Betreuung vergütet. Ein Hindernis ist derzeit noch, dass aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl nur wenige Patienten auf jeden Arzt kommen und sich Routineabläufe in der Bedienung erst mit der Zeit einstellen. Dass sich gerade auch niedergelassene Ärzte gegen derartige Tools sträuben, wie es ihnen in der Debatte um die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) immer wieder nachgesagt wird, kann Kastner nicht bestätigen.

„Viele Ärzte sind sauer, weil sie immer häufiger nur mit dokumentieren beschäftigt sind. Bei unserem System geht es darum, Ärzte und Patienten bei der aktiven Therapieführung zu unterstützen, die Dokumentation tritt in den Hintergrund“, so Kastner. Das Ausrollen von ELGA und entsprechender Services wie der E-Medikation sieht der AIT-Verantwortliche nicht als Konkurrenz zu den eigenen Projekten. „Im Gegenteil – wenn ein derartiges System etabliert ist, könnte etwa ein Krankenhaus bei einer Akutbehandlung auch auf die Telemonitoring-Ergebnisse zugreifen und von diesen Informationen profitieren“, sagt Kastner.

Behandlung von Herzinsuffizienz
Dasselbe Prinzip wie beim elektronischen Diabetes-Tagebuch erproben die Entwickler auch beim Thema Herzinsuffizienz (Herzschwäche). An insgesamt vier Standorten, in Linz, Innsbruck, Graz und Beira (Portugal), kommt das Telemonitoring-System von AIT bereits zum Einsatz. Im Fokus steht hier die Messung von Blutdruck und Körpergewicht. Zusätzlich soll das System Patienten bei der Einnahme der korrekten Medikation unterstützen, die bei der Behandlung von Herzinsuffizienz eine große Rolle spielt.

Der Altersdurchschnitt der behandelnden Patienten von 75 Jahren stelle natürlich eine Herausforderung hinsichtlich Bedienung und Benutzeroberfläche dar. Die meisten Patienten würden mit dem System nach einer kurzen Einschulungsphase aber gut zurecht kommen. „Dadurch, dass die Geräte im Normalfall täglich genutzt werden und auch die Abläufe immer gleich sind, lernen auch ältere Menschen sehr schnell, mit der Technologie umzugehen“, erklärt Kastner.

E-Health-Kongress
Die neuesten Entwicklungen im Bereich E-Health und digitaler Medizin werden diesen Donnerstag und Freitag (23. – 24. Mai) auf dem eHealth Summit Austria im Schloss Schönbrunn in Wien diskutiert.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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