Der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger (70) wurde durch seine Experimente der Quantenteleporation bekannt, die ihm den Spitznamen "Mr. Beam" einbrachten - er bekam für seine Arbeit unter anderem die Isaac-Newton-Medaille
Der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger (70) wurde durch seine Experimente der Quantenteleporation bekannt, die ihm den Spitznamen "Mr. Beam" einbrachten - er bekam für seine Arbeit unter anderem die Isaac-Newton-Medaille
© Jacqueline Godany

Mit Satelliten zum Quanteninternet

Mit Satelliten zum Quanteninternet

Im Experiment QUESS (Quantum Experiments at Space Scale) werden chinesische Physiker in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften versuchen, Quantenkommunikation zwischen mehreren Satelliten und Bodenstationen zu demonstrieren (der KURIER berichtete). Das funktioniert mit verschränkten Lichtteilchen. Die Experimente sollen in Kürze mit dem Start des ersten Satelliten durch die chinesischen Partner beginnen und Fortschritte bei der Quantenkryptographie und bei der Entwicklung von Technologien für ein künftiges Quanteninternet erlauben. Die futurezone hat mit Anton Zeilinger, dem Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, über QUESS, die Zusammenarbeit mit China und Österreichs führende Rolle in der Quantenphysik gesprochen.

futurezone: Was ist das Ziel der geplanten weiteren Experimente?Anton Zeilinger: Dauerhaft wollen wir demonstrieren, dass die Quantenkommunikation zwischen Satelliten und Bodenstationen funktioniert. Die Technik könnte ein Grundpfeiler eines künftigen Quanteninternets werden.

Was ist das Quanteninternet? Das normale Internet besteht aus Computern, zwischen denen Information als Bits mit Glasfasern oder Satelliten übertragen wird. Das Quanteninternet funktioniert genauso, nur dass statt Bits sogenannte Qbits ausgetauscht werden, die viel mehr Information tragen können. Deshalb kann ein Quantencomputer auch weitaus mehr als ein herkömmlicher Rechner.

Das Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope in Wien

Was passiert im Experiment? Verschränkte Photonenpaare werden am Satellit generiert und zur Hälfte an Bodenstationen in Wien, Graz oder Teneriffa gesendet, je nach Wetter und Position des Satelliten. Ein Photon wird also am Satelliten gemessen und eines an der Bodenstation. In einem ersten Schritt werden wir feststellen, ob die Verschränkung noch vorhanden ist.

Sagt die Theorie nicht eindeutig, dass das so sein sollte? Es gibt Vermutungen, die bis auf Erwin Schrödinger zurückgehen, nach denen die Verschränkung mit der Distanz abnehmen könnte. Der von uns aufgestellte bisherige Weltrekord steht bei 144 Kilometern und hat keine Anzeichen darauf geliefert.

Das würde die gängige Theorie über den Haufen werfen? Wenn die Verschränkung abnimmt, wäre das eine Sensation. Das wird aber wohl nicht passieren. Für uns wäre es ein Problem, weil wir nachweisen müssten, dass es sich nicht um einen Messfehler handelt.

Was würde ein solches überraschendes Ergebnis konkret bedeuten? Es ist noch nicht geklärt, wie Gravitation und Quantentheorie zusammenpassen. Ein solches Ergebnis wäre ein Hinweis für die Theoretiker, in welcher Richtung sie suchen sollen.

Wie funktioniert die Quanten-Kryptographie? Aus den Messresultaten am Satelliten und in den Bodenstationen können wir einen Code generieren, der zur Verschlüsselung verwendet werden kann. Da die Polarisation durch die Verschränkung immer symmetrisch ist, ergibt sich an beiden Messpunkten eine identische Zufallsfolge aus Nullen und Einsen.

Die Kommunikation selbst funktioniert durch die Änderung des Zustands an einem der verschränkten Partner? Verschränkung und Manipulation der Photonen sind in unserem Experiment zunächst nur ein Schritt. Die Information wird direkt bei der Verschränkung übertragen. Diese Übertragung von Zustandsinformation auf ein anderes Teilchen nennen wir Teleportation. Sie wird die Basis künftiger Quantencomputer und auch des Quanteninternets sein.

Verletzt diese überlichtschnelle Kommunikation nicht ein Naturgesetz? Eine Manipulation an einem verschränkten Teilchen A führt zu einer Änderung des Zustands im Partnerteilchen B und zwar ohne Zeitverlust. B kann diese Information aber nicht nutzen. Zum Auslesen ist zusätzlich ein klassisches, lichtschnelles Signal notwendig. Es reist also keine nutzbare Information schneller als das Licht.

Was heißt das für Quantencomputer? Ein Quantencomputer kann das umgehen, weil er - um es mit Schrödinger zu sagen - nie in die Schachtel schauen muss, um Berechnungen anzustellen. Lediglich am Ende, beim Abrufen des Ergebnisses, ist ein klassisches Signal nötig.

Wie viel Information kann pro Photonenpaar übermittelt werden? Das ist Gegenstand der Forschung. Theoretisch gibt es keine Grenze, praktisch allerdings schon. Wir haben mit einem Photonenpaar schon acht Bit übertragen.

Um Quantencomputer gibt es einen ziemlichen Hype. Sehen sie echte Fortschritte auf dem Gebiet? Große Firmen wie Google, Microsoft und Intel investieren mittlerweile echtes Geld in die Erforschung von Quantencomputer, im Bereich von hunderten Millionen Euro. Auch China treibt die Entwicklung mit viel Aufwand voran. Da passiert derzeit viel.

Was bringen die zusätzlichen Satelliten, die im Rahmen von QUESS geplant sind? Durch weitere Satelliten können wir höhere Datenraten erreichen und die Teleportation weltweit erproben. Mit zwei bis drei Satelliten können wir praktisch jeden beliebigen Punkt auf der Erde erreichen. Startdaten gibt es für die weiteren Satelliten noch nicht.

Wann wird der erste Satellit abheben? Ende Juli wird der erste Satellit ins All geschossen.

Die Satelliten sind wohl der teuerste Teil des Projekts. Für China ist dies offenbar ein sehr wichtiges Projekt.

Gibt es bei der Zusammenarbeit Schwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher Forschungskulturen? Ein Physiker ist ein Physiker.

Was unterscheidet die Herangehensweise der Länder? Die Art der Entscheidungsfindung ist anders. Bei uns muss alles durch Gremien, in China wird kurz entschieden, die sind nicht zimperlich.

Die hochsensiblen Messapparate müssen bis zum Start der Quantenkommunikation mit dem Orbit vorbereitet und kalibriert werden

Die Zusammenarbeit kam zustande, weil einer ihrer ehemaligen Schüler für die chinesische Akademie der Wissenschaften arbeitet.Zwischen Schülern und Lehrern gibt es in China ein besonderes Verhältnis. Das geht auf den Konfuzianismus zurück und ergibt eine besondere Offenheit. Die Zusammenarbeit ist hervorragend.

Österreich ist im Bereich der Quantenforschung international spitze. Sie sind in der Praxis tätig. Können heimische Theoretiker da mithalten? Österreich ist auch theoretisch Spitze, etwa durch Peter Zoller in Innsbruck.

Wie erklären sie sich diese Führungsposition? In Österreich gibt es eine lange Tradition in diesem Bereich, mit Schrödinger, Pauli, Mach und Boltzmann. Das wirkt bis heute nach.

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Markus Keßler

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