So könnte das Lenkrad der Zukunft aussehen
So könnte das Lenkrad der Zukunft aussehen
© Audio Mobil

Probefahrt im Prototypen: Konzepte für das Auto von morgen

Probefahrt im Prototypen: Konzepte für das Auto von morgen

Im Jahr 1983 war das Armaturenbrett mit seinen sieben Funktionen überschaubar: Tacho, Drehzahlmesser, Temperatur, Tankuhr, Blinker, Radio und Kassettenspieler. Nach und nach kamen neue Funktionen und Dienste hinzu: Regensensor, Sitzheizung, Navigation, Tempomat, Rückfahrkamera, USB-Schnittstelle und vieles mehr. Heutzutage sollen Fahrzeuglenker rund 38 Dienste und 23 Funktionen im Auge behalten. Online-Dienste wurden bei der Aufzählung noch gar nicht entsprechend berücksichtigt und mit der bevorstehenden Vernetzung der Fahrzeuge mit der Verkehrsinfrastruktur drängt in absehbarer Zeit eine ganze Reihe zusätzlicher Dienste auf das Armaturenbrett.

Als größte Herausforderung dabei gilt die Entwicklung effizienter Bedienkonzepte. "Damit die Lenker mit der Menge an Informationen nicht überfordert werden, müssen dafür frühzeitig neue Konzepte erstellt werden, die nicht auf tradierten Technologien aufbauen, sondern konsequent neue Lösungsansätze bieten", sagt Thomas Stottan, Gründer und CEO von Audio Mobil.

Dafür ist Audio Mobil genau der richtige Ansprechpartner. Denn das 1989 gegründete, oberösterreichische Unternehmen hatte etwa bei der Einführung der ersten Rückfahrkameras seine Finger mit Spiel und war bei der Fahrzeugintegration von DVB-T federführend beteiligt. Außerdem ist Audio Mobil Tier 1 Lieferant unter anderem für Volkswagen, BMW, Daimler und Porsche. "In der westlichen Hemisphäre ist kaum ein Auto unterwegs, das nicht eine von Audio Mobil entwickelte Komponente enthält" fasst Stottan den Unternehmenserfolg zusammen.

Status quo ist erschreckend

Der Frage, wie sehr die Eingabe eines Navigationszieles in modernen Fahrzeugen von Audi, BMW, Mercedes Benz, Ford, Opel und Volkswagen den Fahrer ablenkt, ist das Salzburger Christian Doppler Labor für Contextual Interfaces, ein enger strategischer Partner von Audio Mobil, nachgegangen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Die Aufgabe, ein neues Ziel in das Navi einzugeben dauert zwischen 80 und 175 Sekunden, wobei die Augen des Lenkers für durchschnittlich rund 60 Sekunden auf das Display und nicht auf die Straße gerichtet sind.

Als Richtwert gilt die Empfehlung der US-amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration. Demnach sollten für die Eingabe eines Navigationsziels die Augen nicht länger als 12 Sekunden auf das Display gerichtet sein.

Interaktives Lenkrad

Da die meisten modernen Autos mit Schalter, Knöpfen und Displays überfrachtet sind und die Tasten häufig über Cockpit und Mittelkonsole verstreut sind, entschied man sich bei Audio Mobil dazu, sämtliche Eingabemöglichkeiten an der Schnittstelle Lenkrad zu bündeln. Ob Tempo, Navigation, Radio, Telefon, Klima oder Blinker, Licht oder Scheibenwischer - alle damit verbundenen Handlungen geschehen direkt am interaktiven Lenkrad.

Ein weiterer Aspekt dabei war die Implementierung von mobilen Devices wie Smartphones, erklärt Stottan. Der Bedarf, die personalisierte Datenwelt in das Fahrzeug zu integrieren, sei unumstritten notwendig. Das so genannte iCS - Interactive Communication Steering Wheel – sei ein Lösungsansatz, das Smartphone in die Fahrzeugwelt einzubinden.

"Alle Informationen und die gesamte Bedienung konzentriert sich im unmittelbaren Sicht- und Griffbereich des Fahrers", erklärt Audio Mobil Chefdesigner Joseph Fellner. Damit wird gewährleistet, dass die Hände permanent am Steuer bleiben können und der Blick quasi nie auf die Mittelkonsole abschweifen muss, um Knöpfe oder Tasten zu suchen.

Funktionen des interaktiven Lenkrads

Das iCS, das gemeinsam von Takata und Audio Mobil entwickelt wurde, setzt sich aus vollintegriertem, touchfähigem Display und Tasten, die haptisches Feedback geben, zusammen. Trotz seiner interaktiven Elemente verfügt das Lenkrad über einen Airbag. Um den Fahrer nicht mit zu vielen Informationen abzulenken, wurde das futuristische Lenkrad in verschiedene Modi gegliedert, die per Tastendruck aufgerufen werden können.

Ein weiterer positiver Effekt dieser Lenkrad-Studie ist die geringere Anzahl an Einzelkomponenten. "Die Gewichtsreduktion liegt dadurch in etwa bei 15 Prozent, die Kostenersparnis bei rund 30 Prozent", sagt Stottan. In weiterer Folge lassen sich auch Treibstoffverbrauch, Energiebedarf und die Anzahl der Zusatzgeräte deutlich reduzieren.

Bedienwelten und private Zonen

Neben der neuen Bedieneinheit für den Fahrer wurde das Forschungsfahrzeug von Audio Mobil insgesamt in drei verschiedene Bedienwelten unterteilt: Fahrer, Beifahrer und die Rückbank. Für die Kommunikation untereinander, die von einem zentralen Steuergerät verwaltet wird, werden diese drei Bereiche wiederum in vier unabhängige User-Plätze aufgeteilt: Fahrer, Beifahrer, Passagier hinten links, Passagier hinten rechts.

Diese Anordnung und Unterteilung ermöglicht die platzunabhängige Wiedergabe von Audio- und Videoquellen. "Das System ist ein neuartiges Konzept, welches sich dadurch auszeichnet, dass im Fahrzeug simultan vier verschiedene voneinander weitestgehend unabhängige Audio Zonen geschaffen werden" sagt Fellner. Die Insassen können somit in ihrer eigenen, privaten Zone unterschiedliche Quellen nutzen, ohne dass andere Passagiere davon maßgeblich beeinflusst werden.

Bedienwelten

Nearfield Audio

Ermöglicht wird dies durch Beamforming-Mikrofone und Nearfield-Audio-Lautsprecher, die in den vier Nackenstützen eingearbeitet sind. Wie Fellner erklärt, soll dadurch letztlich jeder ungestört telefonieren, Filme schauen oder seine eigene Musik hören können, die etwa vom eigenen Smartphone aus gestreamt wird. Das Audio-Signal kann dabei auf einem Platz, auf zwei gleichzeitig oder global im ganzen Fahrzeuginneren wiedergegeben werden. Auf diese Weise können beispielsweise Verkehrsmeldungen oder Navigationsansagen ausschließlich in der akustischen Zone des Fahrers eingespielt werden, während alle anderen Passagiere davon ungestört bleiben.

Obwohl das Fahrzeug in vier User-Plätze aufgeteilt ist, stellt das System eine direkte Kommunikation zwischen den Insassen sicher. So sollen Informationen wie Nachrichten, Hinweise oder Bilder intuitiv an einem anderen Platz geschickt werden können. Ein Beispiel: Der Beifahrer gibt auf seine Tablet ein Navigationsziel ein und sendet es an den Fahrer, der das neue Fahrziel nur noch bestätigen muss.

Probefahrt im Prototypen

Geheimhaltung hat bei Prototypen stets oberste Priorität. Medienvertreter und vor allem die Konkurrenz sollten sie keinesfalls zu Gesicht bekommen. Damit die Anlieferung von Prototypen vor der Öffentlichkeit verborgen bleibt, werden die Tore der Halle geschlossen, bevor die Fahrzeuge entladen werden. Auch die Teststrecke am Firmengelände ist durch hohe Mauern sichtgeschützt. Es wird alles daran gesetzt, dass nichts beziehungsweise nur eingeschränkte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. So konnte die futurezone als erster Medienvertreter überhaupt das Audio-Mobil-Forschungsfahrzeug Probe fahren.

Erstes Unbehagen gegenüber dem interaktiven Lenkrad löste sich nach den ersten Metern in Luft auf, da die Bedienung tatsächlich intuitiv und selbsterklärend ist. Ähnlich wie der Blick auf den Tacho bei herkömmlichen Fahrzeugen, genügt beim Forschungsfahrzeug ein kurzes Schielen nach unten, um sämtliche Einstellungen vornehmen zu können. In welchem Modus - Navigation, Medienwiedergabe oder herkömmliche Informationsanzeige - man sich aktuell befindet, wird am Lenkrad durch die unterschiedliche Farbgebung deutlich angezeigt. Gefühlsmäßig lenkt dieses Bedienkonzept deutlich weniger ab, als der Blick auf die Mittelkonsole.

Interaktives Lenkrad 

Die Frage, ob bei entsprechendem Einschlagwinkel das Display noch lesbar ist und die Tasten noch bedient werden können, wurde schnell beantwortet. Bei starken Kurven oder beim Einbiegen ist es ohnehin notwendig den Blick auf die Straße zu richten, daher ist zu diesen Zeitpunkten die Lesbarkeit des Displays unerheblich. Am ehesten könnte es beim Einparken unter Zuhilfenahme einer Rückfahrkamera zu Schwierigkeiten mit der Lesbarkeit kommen.

Die Nearfield-Audio-Lautsprecher in den "privaten Zonen" kommen überraschend gut zur Geltung. Der 3D-Effekt des bekannten "Virtual Barber Shop", der als Demonstration eingespielt wurde, ist ähnlich präzise, als würde man Kopfhörer verwenden.

Während der Beifahrer "Highway To Hell" von AC/DC hörte, wurde am Fahrersitz klassische Musik abgespielt. Trotz gehobener Lautstärke haben sich die beiden Audio-Zonen kaum überschnitten.

Markteinführung ungewiss

Ob und in welcher Form Konzepte wie das interaktive Lenkrad oder die Zonenaufteilung im Fahrzeuginneren tatsächlich umgesetzt werden, kann nicht exakt datiert werden, erklärt Stottan. Denn Zulassungs- und Genehmigungsverfahren beziehungsweise unerwartete technische Innovationen haben selbstverständlich maßgeblichen Einfluss auf Umsetzung.

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Florian Christof

FlorianChristof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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