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Wissenschaft

Sensoren: Forscher verfolgen Tiere auf Schritt und Tritt

Der Sender, der einem frischgeschlüpften Lachs eingepflanzt wird, wiegt gerade ein halbes Gramm. Er wird ihn, als wandelnder Datensammler, ein ganzes Lachsleben lang in sich tragen. Es lebe also die Miniaturisierung. Ob nun implantiert, aufs Fell geklebt, mit dem Halsband umgelegt, an der Rückenflosse eines Hais oder auf dem Panzer einer Schildkröte befestigt – Sender und Sensoren schrumpfen. Vor zehn Jahren wog ein GPS-Sender noch 250 Gramm, nun sind es gerade 20 Gramm. „Die wahre Revolution ist den Solarbatterien zu verdanken“, erklärt Roland Kays von der North Carolina State University in den USA.. Früher mussten etwa Störche alle paar Monate eingefangen und mit einem neuen Sender ausgestattet werden. „Das war jedes Mal ein unglaublicher Stress für die Vögel. Aber jetzt fliegen sie mit einem Sender drei bis vier Jahre lang.“

Sender als elektronische Barrieren

Der simpelste Grund für Sender ist, dass man weiß, wo Tiere sich aufhalten. So erfährt man, welches Revier etwa Bisons frequentieren, welche Flugrouten Wildgänse nehmen, ob tropische Fische tatsächlich in dem, für sie gedachten karibischen Meeresschutzgebiet bleiben oder immer wieder abwandern.

Vor der Küste Australiens wacht eine ganze Batterie von Sensoren über die Sicherheit der Schwimmer. Sollte sich ein, mit einem Sender ausgestatteter Weißer Hai nähern, wird die Strandaufsicht sofort alarmiert. Pech freilich, wenn der Hai nicht zu denjenigen gehört, denen man einen Tracker verpasste. In Kenia schützt so genanntes Geofencing Kleinbauern davor, dass Elefanten ihre Äcker zertrampeln. Dickhäuter, die sich besonders gern ihre Bäuche auf bewirtschafteten Feldern vollschlagen, tragen nun GPS-Halsbänder. Sobald ein Tier den Nutzflächen gefährlich nahekommt, erhält der Bauer ein SMS wie etwa: „Dschingis Khan ist in Süd-Laikipia“. Daraufhin trommelt er einen Trupp Helfer zusammen, um den Elefanten wieder in die Wildnis zurückzutreiben.

Sender und Sensoren dokumentieren Verhalten

Was die Fernbeobachtung von Tieren nun ins 21.Jahrhundert katapultierte, ist die Kombination von einem Tracker mit verschiedenen Sensoren. In Kenia statteten Forscher eine 26-köpfige Gruppe von Pavianen mit den neuesten GPS-Halsbändern aus. In nur einem Monat sammelten sie 20 Millionen Standorte. Der im Halsband integrierte Beschleunigungssensor lieferte außerdem noch 700 Millionen Daten über die Aktivitäten der Affen. Nach der Auswertung weiß man beispielsweise: Wohin spaziert ein Tier? Wer sitzt mit wem zusammen? Wer prügelt sich mit wem?

Allein mit dem Anlegen der elektronischen Datensammler ist aber freilich nicht getan. „Man muss schon ein bisschen Vorarbeit leisten und die Tiere eine Weile beobachten“, erklärt der Zoologe Roland Kays. „Wir müssen wissen, welche Werte des Beschleunigungssensors gehen mit welcher Aktivität eines Tieres einher. Also was zeigt der Sensor an, wenn ein Affe frisst und was, wenn beispielsweise ein Vogel fliegt?“ Hat man diese Basisdaten erhoben, kann man die Tiere getrost sich selbst überlassen. „Wir erfahren mehr über Tiere, ihr Verhalten und ihren Organismus, wenn sie nicht immer wieder durch menschliche Beobachter gestört werden.“

Ein Beschleunigungssensor gibt auch die Herzfrequenz an, woraus sich wiederum der Energieverbrauch berechnen lässt. So erfuhren Forscher, wie sehr ein kalifornischer Berglöwe sich anstrengen musste, als er einem Reh nachsetzte, es zur Strecke brachte und genüsslich verzehrte.

Unsere tierische Ozeanografen

Sensoren können außerdem Informationen über den Lebensraum der Tiere liefern. Von dieser Möglichkeit machen vor allem Ozeanforscher Gebrauch. Sara Iverson, die das Ocean Tracking Network an der Dalhousie University in Kanada leitet, nennt die, mit GPS-Sendern und Sensoren ausgestatteten Haie, Robben, Wale oder Seelöwen „unsere tierischen Ozeanografen“. Denn die Tiere liefern Daten aus ozeanischen Zonen, die Menschen nicht bzw. nicht immer zugänglich sind.

„Im Winter ist das Beringmeer für Menschen viel zu rau“, erklärt die Biologin. „Daher haben wie nördliche Seebären mit Sensoren ausgestattet“. Die kräftigen, bis zu 250 Kilogramm schweren Bullen tummeln sich dort selbst bei unwirtlichsten Bedingungen und tauchen in bis zu mehr als 100 Metern Tiefe. Die Sensoren messen welche Temperatur und welcher Salzgehalt in welcher Tiefe herrscht. „Sobald die Tiere wieder auftauchen werden die Daten via Satellit an uns übermittelt. Wir müssen sie also nicht – wie früher - wieder einfangen, um an die gespeicherten Daten heranzukommen.“ Auch der Beitrag von Beluga- und Narwale kann sich sehen lassen: Sie lieferten bisher 200.000 Temperatur- und Salinitätsprofile des arktischen Ozeans.

Diese Daten sind nicht nur wichtig, um zu wissen, wie es um den Lebensraum der nördlichen Seebären bestellt ist. „Diese Informationen sind der Stoff, aus dem Forscher Computermodelle über die Ozeane, über Klimawandel und das Wetter entwickeln.“

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Madeleine Amberger

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