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AIT-Expertin im Interview

Smart City: "Es braucht radikale Konzepte"

Futurezone: Was braucht es, um eine City wirklich smart zu machen?
Brigitte Bach: Bei der Smart City geht es um die Reduktion von Treibhaus-Gasen und des Energieverbrauchs und es geht um die Steigerung des Anteils an Erneuerbaren Energien. Aber wie kann man beispielsweise eine Reduktion von Energie in einer Stadt, die vor allem am Tag viel Energie braucht, umsetzen?

Wie schafft man das wirklich?
Gebäude sollten so gebaut sein, dass sie keine Kühlung – sprich Klimaanlage - brauchen. Österreich ist im Bereich des Null-Energie-Hauses führend. Wir haben eine sehr hohe Passivhausdichte in Österreich. Auch die Entwicklung geht dahin, dass die Häuser nicht nur sehr wenig Energie verbrauchen, sondern auch Energie erzeugen und damit bei der Lastverschiebung helfen.

Das ist einer der Aspekte. Doch wie schafft man es, die Planung einer intelligenten Stadt unter einen Hut zu bringen?
Die gemeinschaftliche Planung aller Aspekte – vom Gebäudesektor über die elektrischen und thermischen Netze bis zum öffentlichen Verkehr - ist insofern schwierig, weil es die gemeinschaftlichen Strukturen in der Verwaltung derzeit nicht gibt. Es gibt immer getrennte Verantwortlichkeiten und die Verwaltung ist sektoral aufgesplittet, weil man früher nicht gemeinschaftlich „das große Ding" entwickeln musste.

Bräuchte es in Wien daher so etwas wie einen Smart-City-Stadtrat?
Zunächst braucht es eine neue Art von technisch-wissenschaftler Unterstützung diese vernetzten Planungsfragen anzugehen. Unsere Expertise liefert genau die benötigen Fakten als Entscheidungsgrundlage. In weiterer Folge braucht es auch neue Herangehensweisen in den Planungsprozessen. Zudem darf man den Bewohner der Stadt nicht vergessen. Wenn eine Stadt in Richtung Smart City gehen möchte, braucht es die Bewohner, die das mittragen und das verstehen. Die Aufklärung und Einbeziehung der Bevölkerung ist daher wichtig. Und wenn Sie Wien ansprechen, merken wir hier ein besonders großes Interesse daran, dass alles sehr professionell und mit internationalem Know-How gestaltet wird.

Was wünschen sich die Bewohner?
Eine fußläufige, grüne und ruhige Stadt. Man wünscht sich effiziente Häuser und den Einsatz von Erneuerbaren Energien. Smart City-Konzepte müssen vor allem auch die Lebensqualität heben und dafür sorgen, dass die Stadt funktioniert.

Gibt es in Wien smarte Planungs-Tools, um tiefgreifende Prozesse zu visualisieren?
Wir sind diejenigen Experten, die bei der Entwicklung dieser Tools helfen, bei denen man wirklich sieht, welche Entscheidung welche Konsequenz auslöst und zwar sowohl was die Morphologie der Stadt anlagt, als auch das Konzept der Energieversorgung, der Mobilitätskonzepte, aber auch die Kostenentwicklung. So gesehen sind diese Methoden in der Lage unterschiedliche Musterlösungen darzustellen.

Wenn man an 2050 denkt, muss man an Lösungen denken, die heute noch Science Fiction sind. Wie kann man so etwas planen?
Das ist das Spannende. Es gilt einen Prozess, eine Transition kompetent und professionell zu begleiten. Wir haben das System Stadt, über das wir diskutieren und wir haben die einzelnen Technologien. Selbstverständlich wird sich auf diesem Technologiesektor auch einiges tun. Wenn es besonders radikale Innovationen sind, die große Schritte ermöglichen, dann werden diese Technologie-Entwicklungen wieder etwas bewirken und verändern. Das ist nicht vorhersehbar für 40 Jahre. Was man tun kann, ist einen Prozess, eine Transition zu begleiten.

Wie könnten die neuen Planungsprozesse aussehen?
In unserem Energy-Department setzen wir auf einen integrierten Ansatz für urbane und regionale Energiesysteme. Und dies setzt ein breites wissenschaftliches Verständnis ebenso wie die dafür notwendige Systemkompetenz voraus. Ich muss Entscheidungen für 40 Jahre im Voraus treffen. Wenn ich heute neu baue, muss ich etwa überlegen, welchen Baustandard möchte man wählen, ist es z.B. ein Fernwärme- versorgtes oder ein rein Strom-versorgtes Gebiet. Dann stellt sich wiederum die Ressourcen-Frage.

Die Frage der Gebäude ist auch zu klären, denn Europa ist ja bereits gebaut.
Genau. Wie kann ich existierende Gebäude energieeffizient machen, zu Passivhäusern umwandeln, oder zu Häusern machen, die Energie produzieren? Kann ich diese Häuser auch nutzen, um Lasten zu verschieben? Was heißt das für den elektrischen Bereich, wenn man alle Dächer, bei denen es erlaubt wäre, mit Photovoltaik auszustatten?

Solche Rechnungen werden gemacht?
Wir beginnen damit. Nun wollen wir mit Pilotprojekten und Demonstrationsversuchen zeigen, was eigentlich geht und wie die neugedachte Stadt ausschauen würde. Diesen Weg müssen Städte, Forschung, Industrie und Bürger gemeinsam gehen.

Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen weniger als 20 Prozent von 1990 betragen. Ist das realistisch?
Realistisch ist es nur, wenn dies radikale Innovationen zur Folge hat. Die Europäische Kommission schlägt in einer Low Carbon Economy Roadmap für ganz Europa und über alle Sektoren hinweg auf Basis von 1990 eine Reduktion der Treibhausgase um minus 85 Prozent vor.

Das sind keine kleinen Schritte mehr - also dort ein bisschen Technologie und da ein Schrauberl anziehen - da geht es um ein völlig neues Konzept, wie Städte und Regionen im Kontext der Energieversorgung funktionieren sollen. Es geht um das Zusammenfügen von neuen Systemen zu neuen funktionierenden Gesamtsystemen.

Wien ist, Mercer-Studie hin oder her, auch eine der EU-Vorzeige-Städte.
Es gibt ein großes EU-Projekt namens Transform, bei dem es fünf europäische Vorzeigestädte gibt: Hamburg, Genua, Kopenhagen, Amsterdam und Wien. In diesem Projekt geht es darum, von der planerischen Seite Methoden und Tools zu entwickeln, um der Stadtplanung überhaupt die vernetzte Infrastrukturplanung zu ermöglichen. Gleichzeitig geht es auch um Living Labs, also Echtzeitlabore in Aspern und Liesing.

Auch im Bereich E-Mobility gibt es sogenannte Living Labs, wie z.B. am Wiener Westbahnhof.
Für die Smart City gibt es nicht direkt ein Labor. Eine Stadt, die zur Smart City umgewandelt wird, ist ja selbst das Labor. – ein „Living Lab". Wenn man neue Maßnahmen setzt, dann entstehen andere Strukturen und die haben auch Auswirkungen bis auf das Einzelgebäude des Konsumenten. Gemeinsam mit den Stakeholdern und BürgerInnen muss man evaluieren, was gut und weniger gut funktioniert.

Im aktuellen Infrastruktur-Ranking von Mercer fällt auf, dass viele europäische Städte vorne rangiert sind.
In vielen europäischen Städten haben wir bereits einen sehr hohen Standard, was z.B. Energieeffizienz im Gebäudebereich betrifft, aber auch Stadtplanung allgemein, erneuerbare Energieversorgung und Öffentliche Verkehrskonzepte.

Sie sind als eine der europäischen Experten international gefragt und vor allem im Bereich Smart City in Asien aktiv. Warum?
Bei uns sind große Infrastruktur-Entwicklungen erstens selten und zweitens langsam. In Indien und China gehen Entwicklungen schneller vonstatten gehen, daher forschen wir mit Kollegen vor Ort und beteiligen uns an Stadtentwicklungsprojekten. Wir können viel Know-How gewinnen und im Living Lab Wien nutzen.

Als AIT sind wir auf dem besten Wege, bei diesem Thema vorne dabei zu sein, führend zu sein. Auch die österreichische Wirtschaft – und wir sind in vielen smarten Bereichen Weltmarktführer - wird davon profitieren, weil sie ihr System-Know-How nicht nur in Europa, sondern weltweit verkaufen können.

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Zur Person:
Brigitte Bach studierte Astronomie und technische Physik. Sie simulierte die Entstehung von Sternen und wechselte dann in die Industrie: Zuerst war sie bei Arsenal Research, jetzt leitet sie das Energy Department des Austrian Institute of Technology (AIT).

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