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Smart City

Stadtviertel der Zukunft: So versucht es Graz

Eggenberg in Graz war einmal eine Vorstadt mit einer Menge Industrie. Diesen Ruf loszukriegen ist nicht leicht. Auch junge Menschen sage heutzutage noch: „Nach Eggenberg ziehen? Ist nicht gerade meine Traumgegend.“ Graz hat mit der ehemaligen Vorstadt, die sich in der Nähe des Bahnhofs befindet, aber viel vor: Bis 2018 soll hier ein neues, smartes Viertel entstehen: die „Smart City Graz Mitte“.

Bereits jetzt leben 6000 mehr Menschen in Graz als noch vor einem Jahr und Graz wächst weiter. Das neue Stadtviertel soll mit rund 1400 Wohneinheiten Platz für rund 4000 Menschen schaffen. Auch 1600 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Das erfährt die futurezone bei einem Lokalaugenschein direkt vor dem geplanten Herzstück des Viertels: dem künftigen Science-Tower.

Grätzel-Zellen

Noch weiß man nicht, wie der Science Tower von außen genau aussehen wird, auch wenn der Spatenstich bereits im Mai 2015 erfolgt ist. Das liegt daran, dass der 60 Meter hohe Turm sich seine Energie aus der eigenen Fassade holen wird – und es damit unklar ist, wie diese am Ende tatsächlich optisch aussehen wird. Der Turm wird auf jeden Fall eine Glasfassade bekommen und sogenannte Grätzel-Photovoltaik-Zellen verbaut haben.

Rechts vom künftigen Tower steht derzeit ein hoher Kran. Bisher fertig ist ein rundes Grundgerüst, das andeutet, wie spektakulär dieser Turm in Zukunft wirklich werden könnte. Die Ideen klingen auf jeden Fall gut: Es sollen darin nur Firmen angesiedelt sein, die sich mit grünen Technologien befassen. Auf der Dachterrasse soll Gemüse und Obst angebaut werden, das von den Firmen und Bewohnern dann selbst verspeist werden kann.

Intelligente Kühlung

Neben High-Tech soll aber auch Low-Tech zum Einsatz kommen: Es wird ein Tag-Nacht-Kühlungssystem angedacht. Im Sommer, wenn es draußen sehr warm ist, öffnen sich in der Nacht die Fenster ab einer bestimmten Temperatur automatisch. Diese Kälte wird gespeichert und tagsüber automatisch abgegeben, erklären Energieexperten vor Ort. Im Keller wird zudem eine neuartige Batterietechnologie verbaut, die zum Speichern dieser Energie verwendet werden kann.

Statt dem Fernwärmenetz soll im smarten Viertel in Graz ein lokales, autarkes Energienetz aufgebaut werden. Das war dem lokalen Energieversorger anfangs nicht recht – bis man ihn in die Planung miteinbezogen hat und er jetzt an dem autarken Netz mitverdient bzw. beteiligt ist. „Das sind kleine Hürden“, wie es heißt.

Bürgerbeteiligung

Viel Rummel gab es auch um den Verbau einer kleinen, grünen Wiese zwischen Science Tower und der Helmut-List-Halle. Die wird derzeit vor allem von Hundebesitzern genutzt und soll ebenfalls verbaut werden. Die Proteste darüber wurden in einem eigenen Container, der zwecks Bürgerbeteiligung aufgestellt wurde, gesammelt – und es wurde gemeinsam eine Lösung gefunden. Im künftig geplanten Park ein paar Meter weiter wird es jetzt eine eigene Hundezone geben.

Gebaut werden soll in dem ehemaligen Industrieviertel zudem nur oberirdisch, weil "man weiß nie, was sich im Boden befindet". Die Messungen in der Erde waren aber alle harmlos, es gab daher "grünes Licht" für das Projekt.

Keine Emissionen

Das Ziel des Viertels: "Zero Emission". Dies kann natürlich nicht alleine durch Energiespeicher und Photovoltaik erreicht werden. Es bedeutet auch: Weniger Autos in der Stadt. Bei den Gebäuden, die jetzt geplant werden, ist daher nur noch für jede zweite bis dritte Wohnung ein eigener Stellplatz vorgesehen. Bis das Projekt fertig ist, soll auch die Straßenbahn vorbeifahren. „Im Idealfall wird man hier leben und arbeiten“, heißt es.

Der ohnehin schon hohe Fahrradanteil von 15 bis 17 Prozent soll noch weiter ausgebaut werden. Statt PKW-Parkplätzen soll es viele Fahrradabstellplätze und eigene Fahrradstationen und -servicestellen geben.

Förderung

So sieht das Smart City-Projekt „Graz Mitte“ also aus. Es ist das erste Leitprojekt in der Steiermark des Klima- und Energiefonds. Dieser fördert das Projekt mit insgesamt 4,2 Millionen Euro nationalen Mitteln. Gelobt werden vom Klima- und Energiefonds die „innovativen Entwicklungen aus dem Technologiebereichen Gebäude, Energienetze und Mobilität“ sowie der integrative Planungsprozess, bei dem auch Bürger zu Wort kommen.

Die Stadt Graz, die in diesem Fall nicht Grundeigentümer ist, sondern nur als „Entwicklungsplaner“ fungiert, lobt die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt und Privatwirtschaft. Tatsächlich sind einige sehr interessante Deals im Zuge des Projekts abgeschlossen worden. Diese betreffen etwa den öffentlichen Park.

Der Park wird von Privaten errichtet, aber nach Fertigstellung an die Stadt zwecks Instandhaltung übergeben. Ein Deal, der für Außenstehende durchaus ungewöhnlich wirkt, aber unter dem Begriff "Private-Public-Partnership" mittlerweile von vielen Städten praktiziert wird.

Zukunftsplan

Womöglich ist das der Weg, den man als Stadt künftig gehen wird müssen? Neben den smarten Technologien müssen auch die Stadtplanung und Politik über ihren sonstigen Tellerrand hinausblicken und zusammenarbeiten - und auch manchmal auf ihre Bürger hören, denn ohne deren Zustimmung geht nichts. Bei der Entwicklung eines smarten Stadtviertel ist daher vor allem ein integrativer Planungsprozess wichtig. Es bleibt zu hoffen, dass Graz dies bei dem Projekt wirklich gelingt.

Disclaimer: Die Reisekosten nach Graz wurden vom Klima- und Energiefonds übernommen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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