Wolfgang Hribernik, AIT
Wolfgang Hribernik, AIT
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Unter Strom

“Stromnetze werden wir auch in 20 Jahren noch brauchen”

Elektrischer Strom ist gefragt. Durch die wachsende Zahl von Elektroautos und anderen Geräten soll der Bedarf in Zukunft sogar noch steigen. Das werden unsere Stromnetze kompensieren müssen. Das größte Problem für die Energieversorgung der Zukunft werden aber unbeständige, erneuerbare Stromerzeuger sein. “Gewisse Parameter des Stroms - etwa Leistung und Spannung - müssen innerhalb gewisser Grenzen gehalten werden, ohne dass die Kabel überlastet werden. Mit erneuerbaren Energiequellen ist das schwierig. Mit der zunehmenden Popularität von Wind- und Photovoltaikanlagen sehen wir erste Probleme schon seit rund fünf Jahren”, erklärt Hribernik.

Änderungen an den Netzen passieren aber nur langsam, da sie mit hohen Investitionen verbunden sind. “Die Netzbetreiber rechnen mit langen Skalen von 20 bis 40 Jahren. Die Frage, ob investiert werden soll, ist nicht trivial”, sagt Hribernik. Die Forscher am AIT versuchen deshalb schon heute herauszufinden, welche Anforderungen morgen an die Stromnetze gestellt werden, damit die Netzbetreiber eine möglichst akkurate Entscheidungsgrundlage haben. “Wir wollen wissen, wie sich die Kundenstruktur der Netzbetreiber - das umfasst in diesem Fall Erzeuger und Verbraucher - entwickelt. Dann können die Netzbetreiber volkswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen treffen”, so Hribernik.

Alle sollen profitieren

So kann etwa das Forcieren intelligenter Netze dazu führen, dass die Betreiber weniger investieren müssen. Angebot und Nachfrage können in einem smarten Netz, dessen Zustand stets in Echtzeit erfasst und reguliert werden kann, nämlich viel besser aufeinander abgestimmt werden. Durch das Vermeiden von Hochlast-Spitzen kann ein Netz so länger genutzt werden, bevor es an seine Leistungsgrenzen kommt und ein Ausbau notwendig wird. Wie die Netze intelligent gemacht werden, ist dabei noch offen. Wichtig ist nur, dass zusätzlich zum Energienetz eine IT-Infrastruktur entsteht, die eine Erfassung des Ist-Zustandes eines Netzes und seine Steuerung erlaubt.

“Bei unseren Modellen gehen wir immer vom heutigen Technikstand aus. Das ist schwieriger, als ein angemessenes Netz komplett neu zu entwerfen. Intelligente Netze werden wir in Zukunft aber auf jeden Fall brauchen”, sagt Hribernik. Die Smart Meter, die in Europa derzeit vielerorts eingeführt werden, sind ein Schritt in diese Richtung. “Die vorgeschriebene Minimalfunktionalität der Smart Meter ist nicht sehr umfangreich und erlaubt im Wesentlichen nur die Erfassung von Messdaten. Weitere Funktionalitäten zur Steuerung von Verbrauchern in Haushalten - wie um Beispiel Wärmepumpen - wären ein nächster Schritt, der eine bessere Verteilung der Last erlaubt könnte”, so Hribernik.

Sicherheit

Dazu müssen die Systeme aber in erster Linie sicher konstruiert werden. “Zuverlässigkeit und Sicherheit sind mit die wichtigsten Voraussetzungen. Ein Restrisiko für Angriffe bleibt zwar immer, wir können die Netze aber doch sehr sicher machen”, so der AIT-Experte. Die Kosten für die Umrüstung der Stromnetze sind ebenfalls ein wichtiges Thema für die Forscher. “In Österreich sollen in den kommenden zehn Jahren insgesamt acht Milliarden Euro ins Netz investiert werden. Unter Verwendung intelligenter Steuersysteme könnte diese Summe durchaus niedriger sein, wie in der "DG DemoNet"-Projektkette in Österreich exemplarisch gezeigt wurde”, so Hribernik.

Durch Anreizsysteme sollen sowohl Betreiber als auch Kunden von den künftigen Stromverteilungsmechanismen profitieren. Es wäre sogar denkbar, dass Strom verschenkt wird, wenn Kunden bereit sind, gewisse Stromverbraucher nur zu Zeiten einzuschalten, zu denen das Netz ausreichend Kapazität hat.

Kleinkraftwerke vor

Durch lokale Intelligenz ließe sich auch selbst erzeugter Strom, etwa aus Photovoltaikanlagen oder Kleinwasserkraftwerken, besser nutzen. Lokale Verbraucher würden dann so gesteuert, dass möglichst viel vom erzeugten Strom auch vor Ort genutzt wird. Heute gibt es smarte Netze lediglich in Form geographisch eng begrenzter Pilotprojekte. “Innerhalb von fünf bis zehn Jahren sollten wir in Österreich von Pilotprojekten zu einem smarten Netz kommen”, sagt Hribernik.

Der größte Treiber ist auch hierzulande die steigende Zahl erneuerbarer und dezentraler Stromquellen. “Von der Last her könnte das Übertragungsnetz schon heute eine Umstellung des gesamten Verkehrs auf Elektrofahrzeuge verkraften. Allerdings müssen auch Anforderungen wie z.B. das Schnellladen von Akkus berücksichtigt werden. Probleme kann es vor allem in den Verteilernetzen geben”, so Hribernik. Auf europäischer Ebene müssen zudem gemeinsame Standards und Abrechnungssysteme implementiert werden, damit Elektromobilität erfolgreich ausgerollt werden kann.

Speicher als Fortschritt

Durch das Einbinden von Stromspeichern in ein intelligentes Netz könnte bei der Lastverteilung zusätzliche Flexibilität geschaffen werden. In Österreich gibt es durch die Pumpspeicherkraftwerke bereits entsprechende Möglichkeiten. Die Einbindung weiterer, dezentraler Energiespeicher könnte das Netz aber noch stabiler machen. “Ich glaube, in 20 Jahren werden wir das sehen. Nicht in jedem Haushalt, das würde sich nicht rechnen, aber doch engmaschig”, so Hribernik. Das hängt aber stark von der Preisentwicklung von Stromspeichern in den kommenden Jahren ab.

Dass wir in absehbarer Zeit energieautarke Haushalte sehen werden, die gar keine Netzanbindung mehr brauchen, glaubt Hribernik nicht: “Energieautarkie ist erreichbar, aber Leistungsautarkie, also zu jeder Zeit energieautark zu sein, wird es auch in 20 oder 30 Jahren nicht geben, weil die Kosten für den Endkunden ein vielfaches höher wären. Wir brauchen die Netze und die Infrastruktur ist ja bereits vorhanden.”

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und AIT.

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Markus Keßler

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