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Forschung

"Touchscreens sind nicht der Weisheit letzter Schluss"

Datenbrillen wie Google Glass, Wearables und eine beständige Flut an anderen mobilen Geräten stellen für die Entwickler von Benutzerschnittstellen neue Herausforderungen dar. Die Mensch-Maschine-Kommunikation lässt Tastatur und Maus hinter sich und sucht neue Methoden der Ein- und Ausgabe, die mit der rasanten Entwicklung der Computerhardware mithalten können. In diesem Spannungsfeld arbeitet die Forschungsgruppe MINT (Mobile Interactive Systems) an der Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien der FH Oberösterreich, die im September 2013 in Hagenberg gegründet wurde und eng mit dem Studiengang Mobile Computing verzahnt ist.

"Die Geräte werden immer kleiner und haben teilweise keine Displays mehr. Dadurch werden etwa Gesten- und Sprachsteuerung wichtiger. Auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas hat sich gezeigt, dass dieser Trend anhält. Die heutigen mobilen Interfaces mit Touchscreens sind noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Zusammen mit Partnern aus der Privatwirtschaft entwickeln wir einerseits anwendungsnahe, neue Interaktionsmöglichkeiten für Endbenutzer, stellen andererseits aber auch Werkzeuge für Entwickler zur Verfügung, um mobile Benutzerschnittstellen zu gestalten und auf ihre Bedienbarkeit hin zu überprüfen”, sagt Clemens Holzmann, Leiter von MINT und Professor am Studiengang Mobile Computing, gegenüber der futurezone.

Verschiedene Ansätze

Welche Form der Mensch-Maschine-Schnittstelle sich in Zukunft durchsetzen wird, ist auch für Experten nicht eindeutig zu beantworten. "Je nach Anwendung und Situation wird es verschiedene Möglichkeiten geben. Gesten und Sprache werden sicher wichtiger, aber auch intelligente Systeme, welche die Absichten des Nutzers erkennen und situationsabhängig darauf reagieren. Ein Beispiel für ein solches System ist Google Now, das unter Einbeziehung verschiedenster Datenquellen versucht, relevante Informationen bereitzustellen noch bevor der Benutzer danach sucht; das Eintippen von Suchbegriffen ist dann nicht mehr notwendig. Weitere Eingabemöglichkeiten ergeben sich mit Hilfe von Eye-Tracking oder durch die Analyse von Hirnströmen und Muskel-Signalen, auch wenn hier noch viel Forschungsarbeit nötig ist. Die richtige Mischung wird sich je nach Anwendungsfall herauskristallisieren", so Holzmann.

Ein Beispiel für eine neuartige Benutzerschnittstelle ist ein Projekt von MINT, das unter Verwendung der Anoto-Technik (speziell gemustertes Papier, das einem digitalen Stift die Bestimmung seiner Position ermöglicht, Anm. d. Red.) eine alternative Eingabemöglichkeit für häufig verwendete Funktionen von Smartphones bereitstellt. Aktionen aus dem Alltag - zum Beispiel das Schreiben von Kalendereinträgen oder das Versenden einer SMS - können auf Papier in einer Art Notizbuch durchgeführt werden, wobei ein Digitalstift für die Übertragung auf das Smartphone sorgt. Neben dem Versenden von geschriebenen Nachrichten kann auch durch bloßes Antippen eines Names im Papier-Notizbuch ein Anruf getätigt werden. Das Smartphone wird als "schlauer Begleiter" mitgeführt und kann an etwaige Termine oder Medikamenteneinnahmen erinnern. Insbesondere älteren Menschen soll durch die Verwendung alltbekannter Technologien (Stift und Papier), die das Smartphone in den Hintergrund rücken lassen, der Einstieg in die digitale Welt erleichtert werden.

Probleme finden

In der Forschungsgruppe werden aber nicht nur neue Interaktionsmöglichkeiten entwickelt, sondern auch Werkzeuge, die Entwicklern helfen, die Benutzerschnittstellen ihrer Apps zu optimieren. Ein aktuelles Projekt versucht etwa, Probleme in der Benutzeroberfläche oder der Menüführung von Apps aufzuspüren. Dabei sollen Nutzerinteraktionen nicht nur automatisch analysiert, sondern auch gleich Verbesserungsvorschläge für den Entwickler geliefert werden. Dies soll nicht nur für Smartphones, sondern in Zukunft auch für TV-Geräte oder Infotainmentsysteme in Autos funktionieren. "Viele Firmen stehen vor dem Problem, dass die Evaluierung von Benutzerschnittstellen einen beträchtlichen Ressourcenaufwand mit sich bringt, und so hohe Kosten verursacht. Das wollen wir ändern", so Holzmann.

Neben solchen Evaluierungswerkzeugen arbeitet MINT aber auch an Technologien, die es Entwicklern erlauben, Entwürfe von Benutzeroberflächen ihrer Apps auf einfache Art und Weise zu testen. "Wir haben beispielsweise ein System entwickelt, das Skizzen einer mobilen Anwendung digitalisiert, und diese automatisch zu einem UI-Prototypen zusammensetzt. Der Designer kann mit Hilfe eines digitalen Stifts die Benutzeroberfläche der App auf Papier skizzieren, und dabei auch interaktive Funktionen wie die Navigation auf eine neue Seite durch Drücken eines Buttons festlegen. Der Prototyp kann im Anschluss sofort auf dem Smartphone ausprobiert werden, was es Entwicklern erleichtert, frühzeitig Feedback vom Kunden einzuholen, noch bevor mit der Implementierung begonnen wird", sagt Holzmann.

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Markus Keßler

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