© Torbz - Fotolia

Interfaces

“Usability bei Elektronikgeräten ist grottig”

Wenn Menschen mit Maschinen kommunizieren müssen, kommt es unweigerlich zu Missverständnissen. Diese zu minimieren ist Aufgabe von Interface-Designern, die Schnittstellen so gestalten wollen, dass eine Bedienung weitgehend ohne Missverständnisse möglich wird. “Menschen sind soziale Wesen, die unterbewusst von Computern erwarten, sich ähnlich zu verhalten, wie sie. Diese Erwartungen werden aber oft nicht erfüllt, was Anwendern das Gefühl gibt, dumm zu sein. Ein gutes Interface soll Maschinen deshalb freundlich erscheinen lassen”, sagt Robert Pucher von der Fachhochschule Technikum Wien im futurezone-Interview.

Ein solches Interface zu entwickeln ist keine leichte Aufgabe. Ein gutes Menü ist stark abhängig von der Situation, in der es verwendet wird. “Der Nutzungskontext ist entscheidend. Was ein Nutzer versteht und was nicht, ist die wichtigste Frage. Das lässt sich meist leider nur durch Probieren herausfinden”, so Pucher. Trotzdem lassen sich gewisse Grundregeln festlegen. Systeme, die wir als “intuitiv” bezeichnen, sollten sich unserer Denkweise anpassen. “Die Multitouch-Screens waren hier ein Meilenstein, da sie das Denken in Aktionen und Bewegungen, etwa durch Gesten wie Wischen über das Display, unterstützen”, erklärt der Experte von der FH Technikum Wien. Zusätzlich spielen aber auch antrainierte Standards eine Rolle. Ein Auto wird ein Nutzer überall bedienen können, egal ob in Japan oder in den USA, weil sich ein einheitliches, gut geeignetes Interface durchgesetzt hat.

Viele Möglichkeiten, schlechte Bedienbarkeit

In vielen anderen Situationen gibt es dieses gewohnte Schema aber nicht. “Interfaces entwickeln sich meist, um eine spezifische Aufgabe zu lösen. In Zusammenarbeit mit dem Gewöhnungseffekt ergibt das ein geistiges Modell, das uns erlaubt, Aufgaben zu lösen. Das könnte auch für das Anschließen eines Beamers an einen Laptop geschehen, aber da das Interesse zu gering ist und viele Firmen beteiligt sind, ist das nicht der Fall”, so Pucher. Wie solche Interfaces aussehen könnten, ist nicht vohersehbar. “Ein EXIT-Schild ist auch nur ein geistiges Modell, das von den Menschen verinnerlicht wurde, so dass jeder weiß, was es bedeutet”, sagt Pucher,

Leicht merkbare Modelle wie die Bedienung von Touchscreen mit dem Finger sind hier im Vorteil. “Eine Computer-Maus ist schwierig zu bedienen, das merkt man, wenn man versucht, sie mit der anderen Hand zu bedienen. Manche Interfaces könnten durchaus einfacher sein, aber der Mensch hat sich an sie gewöhnt, etwa bei Ticketautomaten an Bahnhöfen, TV-Geräten oder Peripheriegeräten für Computer”, erklärt Pucher.

Zu umständlich darf die Bedienung aber nicht werden, sonst wird sie sofort abgelehnt, das haben die Tester an der FH Technikum Wien etwa bei einer Erweiterung für ein Fernsehgerät erlebt, die vom Hersteller aus Kostengründen mit einer Universalfernbedienung ausgeliefert wurde, die nicht beschriftete Tasten hatte. Das Gerät war nicht bedienbar. “Die Usability bei Elektronikgeräten ist grottig. Heute sind in vielen Geräten komplexe Computer drinnen, die eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten. Hier wäre einfache Bedienung unerlässlich”, so Pucher. Die Realität sieht allerdings ganz anders aus. Selbst das Einrichten der TV-Sender in der gewünschten Reihenfolge kann heute eine Herausforderung sein.

Usability im Fokus

Die Hersteller haben sich mit dieser Thematik lange kaum beschäftigt und versuchen ihre Geräte stattdessen über das Hinzufügen neuer Features attraktiv zu halten. “Die Firmen sind gefordert, weil sie immer neue Features anbieten und nicht sehen, dass sie das menschliche Gehirn dabei mit sinnlosem Müll überfordern. Die Unternehmen sollten sich grundsätzlich fragen, ob Dinge wie Internetsurfen am TV-Gerät überhaupt Sinn machen”, sagt Pucher. Dabei wäre gute Usability für viele Nutzer ein unschlagbares Kaufargument. “Usability-Management steckt noch in den Kinderschuhen, wir sind derzeit dort, wo Betriebssyteme vor 20 Jahren waren, als beinahe jede Installation von Abstürzen begleitet war. Es wäre wichtig, dass Usability ein integraler Bestandteil der Produktentwicklung wird”, sagt Pucher.

Eine Universal-Lösung sieht der Experte aber nicht. “Ein System, das Spracheingabe beherrscht, kann auch nur tun, was wir ihm erklären. Bei komplexen Aufgabenstellungen ist Sprache aber oft nicht präzise genug. Technik-Prognosen sind bekanntermaßen sehr schwierig. Sicher ist, dass man viele verrückte Ideen ausprobieren muss, um gute Systeme zu finden”, so Pucher. Der Anfang ist bereits gemacht, in jüngerer Vergangenheit beschäftigen sich viele Firmen mit Usability, weil sich daraus auch wirtschaftliche Vorteile ergeben.

“Flug- und Hotelbuchungsportale setzen alles daran, möglichst einfache Interfaces zu entwickeln, weil in diesen Bereichen nicht gewinnt, wer zuerst kommt, sondern wer das beste Interface hat. Die Technik muss sich immer dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt”, erklärt Pucher. Dass sich auch die Hersteller von Hardware an diese Regeln halten werden, ist für den Fachmann klar. “Der Druck der Konsumenten wird größer, zudem bilden unsere Fachhochschule und andere mittlerweile Experten aus, die entsprechende Prozesse managen”, sagt der Usability-Profi.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Technikum Wien entstanden.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Markus Keßler

mehr lesen
Markus Keßler

Kommentare