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Bioprinting

Wenn "Haubenköche" Ohren und Knochen drucken

Seien es Pasta, Raketentriebwerke oder Medikamente, mittlerweile lässt sich fast alles mit einem 3D-Drucker herstellen. Doch Forschern der US-Universität Wake Forest reichte das nicht. Sie haben ein Verfahren entwickelt, welches das „Drucken“ von lebendem Gewebe erlaubt. Im Rahmen einer zehnjährigen Studie wurde das als ITOP (Integrated Tissue and Organ Printing System) bezeichnete Verfahren bereits erfolgreich erprobt. Neben Ohren und Knochen konnte auch Muskelgewebe hergestellt werden, das Ratten und Mäusen implantiert wurde. „Dieser neuartige Gewebe- und Organ-Drucker ist ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg, Ersatzgewebe für Patienten herstellen zu können“, erklärt Anthony Atala, der Leiter der Studie, in einer Aussendung.

Teure Zell-Tinte

Ein Fortschritt, aber Organe auf Bestellung bleiben weiterhin Zukunftsmusik. Eine Einschätzung, die auch heimische Experten teilen. Jürgen Stampfl forscht am Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien an neuen Materialien für Bioprinting. „Für eine Studie ist das interessant, der klinische Einsatz wäre aber noch sehr aufwendig.“ Das liegt vor allem an der verwendeten „Bio-Tinte“, die sich nur kostspielig produzieren lässt. Diese setzt sich aus dem biologisch abbaubaren Kunststoff Polycaprolacton (PLC) sowie einem Gel, das die Zellen beinhaltet, zusammen. Schicht für Schicht wird mithilfe des 3D-Druckers aus diesem Gemisch das gewünschte Körperteil aufgebaut.

Das Problem: Das erforderliche Zellmaterial lässt sich nur sehr schwer beschaffen. „In dieser Studie haben die Forscher Nabelschnurzellen verwendet. Das mag für ein kleines Ohr reichen, bei einem Oberschenkelknochen könnte es schon schwierig werden“, erklärt Dominik Rünzler, Leiter des Forschungsschwerpunktes Tissue Engineering an der FH Technikum Wien.

Theoretisch ist es zwar möglich, Zellmaterial durch Kultivieren künstlich zu erzeugen, dabei würden sie allerdings an bestimmten Eigenschaften verlieren. Dabei könnte jedoch ein anderes Verfahren aushelfen, das zum “Züchten” von lebendem Gewebe eingesetzt wird: ein Bioreaktor. Dabei könnten laut Rünzler die verlorenen Eigenschaften wieder “antrainiert” werden. Die “wiederbelebten” Zellen können dann mittels 3D-Druck in Organform gebracht werden. “Es wird aber nicht so funktionieren, dass man ein paar Zellen oben reinwirft und dann ein fertiger Mensch unten herauskommt”, so Rünzler gegenüber der futurezone.

Österreich vorne dabei

Ein anderes Problem – die Nährstoffversorgung des Gewebes – konnte aber gelöst werden. Die Forscher haben beim Drucken der Struktur „Mikrokanäle“ eingearbeitet, die erforderliche Nährstoffe und Sauerstoff verteilen. Die Versuche an Tiermodellen zeigen , dass diese Blutgefäße die „richtige Größe, Stärke und Funktion für den Einsatz bei Menschen“ haben. Eine Garantie, dass das 3D-gedruckte Ohr aber auch vom menschlichen Körper angenommen wird, ist das jedoch nicht.

Wann es die ersten klinischen Versuche geben wird, ist unklar. Ein Zulassungsverfahren würde laut Stampfl aber mehrere Hundert Millionen Euro kosten und Jahre dauern. So lange werde man auch in Österreich am Thema weiterforschen. In einigen Bereichen der Medizin, beispielsweise bei kleinen Knochendefekten würde man aber bereits auf ähnliche Verfahren setzen. Dabei sei der Vorteil gegenüber anderen Methoden aber eher gering, weswegen die Revolution bislang ausblieb. Organovo, eines der ersten Unternehmen, das sich auf Organ-Drucker spezialisiert hat, nutzt die Wartezeit auf die Zulassung der Technologie, um "Testgewebe" für Studien zu produzieren.

Wann die Technologie den Durchbruch schaffen werde oder man gar Organe per 3D-Drucker herstellen kann, wagt keiner der Experten zu prognostizieren. “Es wird gerne gesagt, dass dann in fünf oder zehn Jahren plötzlich dieses oder jenes möglich sein wird und dann hat man im angegebenen Zeitraum nur kleine Schritte dahin gemacht”, erklärt Rünzler. Auch wenn man nicht tiefstapeln wolle, müsse man dennoch mit realistischen Erwartungen arbeiten. "Und man kann derzeit einfach seriöserweise nicht sagen, wann das soweit sein wird."

Laut Rünzler muss sich Österreich im internationalen Vergleich nicht verstecken und konnte bereits wertvolle Grundlagenforschung beisteuern. Letztendlich seien es aber Pioniere wie Atala, die für Schlagzeilen sorgen. Der US-Forscher sorgte bereits 2014mit im Labor gezüchteten Penissen und Vaginenfür internationales Aufsehen. “Es gibt viele Köche und einen großen Topf. Einige Haubenköche, wie die Gruppe um Doktor Atala, zaubern dann etwas Besonderes daraus.”

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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