Forschung

Windparks können Hurrikans schwächen

Alle Jahre wieder fegen atlantische Wirbelstürme durch die Karibik und die US-Küste entlang. Alle Jahre wieder schwemmt es Autos weg, krachen Häuser in sich zusammen und sterben Menschen. Noch in tragischer Erinnerung ist Hurrikan Sandy, der 2012 weite Küstenregionen New Yorks und New Jerseys zerstörte. In etlichen Vierteln von Manhattan gab es tagelang keinen Strom. Viele Schäden – von Stranderosion bis zu Salzwasserkorrosion in der U-Bahn – sind nach wie vor nicht völlig behoben. Insgesamt verursachte der Wirbelsturm Sachschäden von rund 82 Milliarden Dollar. Mehr als 200 Menschen kamen um.

Mit 78.000 Windrädern gegen Sandy, Katrina & Isaac

Ein riesiger Offshore-Windpark hätte Sandys Wucht gebremst. Zumindest in der, von Mark Jacobson in der aktuellen Ausgabe der Fachschrift Nature Climate Change vorgestellten Computersimulation. Der Professor für Umweltingenieurwissenschaften an der kalifornischen Stanford University simulierte drei mächtige Hurrikans: Katrina, der 2005 New Orleans zerstörte, den erwähnten Sandy sowie Isaac, der - ebenfalls 2012 - die Golfküste der US-heimsuchte. Im Fall von Sandy hätte ein weitläufiger Windpark die Windgeschwindigkeit um erstaunliche 125 Stundenkilometer und die bei Hurrikans unweigerliche Sturmflut um 34 Prozent reduziert. „Insgesamt hatten die Hurrikans, wenn sie an Land gehen, in unserem Modell alle mehr als die Hälfte der Windgeschwindigkeit verloren. Und bei Katrina fiel die Sturmflut gar um 79 Prozent schwächer aus.“ Die Bremswirkung war außerdem dramatisch genug, dass auch die Windturbinen nie gefährdet waren und hätten abgeschaltet werden müssen.

Und wie funktioniert dieses Mirakel? - „Wenn sich ein Hurrikan der Küste nähert, treffen zunächst die äußeren, schwächeren Windbänder auf die Windturbinen. Diese verringern die Windgeschwindigkeit. Und das reduziert wiederum die Höhe der Wellen.“ Das hat eine weitere Kettenreaktion zur Folge, die den Luftdruck im Inneren der Hurrikan erhöht. Der Effekt: Der Sturm ist weniger kompakt organisiert, weniger mächtig.

Experten wollen mehr wissen

„Ein spannendes Experiment“, kommentiert der Klimaforscher und Hurrikanexperte Kevin Trenberth vom staatlichen National Center for Atmospheric Research. Doch er fragt sich: Passiert hier eine Wettermanipulation mit Folgen? Um sich zu formieren, brauchen Hurrikans warme Wassertemperaturen von über 26 Grad Celsius. „Ein Wirbelsturm hat einen wichtigen Effekt: Er kühlt das Meer ab. Wenn nun ein Hurrikan so geschwächt wird, dass diese Abkühlung nicht stattfindet, besteht dann eigentlich die Gefahr, dass sich schon bald darauf wieder ein Sturm bildet?“ Eine Frage, die auf der Basis von drei simulierten Stürmen sicher nicht zu beantworten ist.

„Die Windparks könnten die Rolle übernehmen, die früher, Ende des 19.Jahrhunderts die ausgedehnten Wälder entlang der US-Küste hatten“, merkt Mark Powell an. Auch hohe Bäume schwächen Wirbelstürme schon an den Rändern und stören die Struktur des Sturm. Der Meteorologen bei NOAA, der staatlichen Behörde für Ozeanografie und Meteorologie, glaubt, „es ist wichtig, sich große, ehrgeizige Modelle auszudenken. Auch wenn sie auf den ersten Blick utopisch anmuten.“

Windturbinen mit Mengenrabatt

„Eine Idee, die man weiterverfolgen sollte“, meint Stephen Rose, ein Windenergieexperte von der Carnegie Mellon University im US-Staat Pennsylvania Mark Jacobsons Experiment. „Aber die Umsetzung grenzt ans Unrealisierbare. Eine Windturbine allein kostet zwischen 10 und 20 Millionen Dollar. Aber vielleicht kriegt man sie billiger, wenn man gar so viele kauft.“

Die größten bisher existierenden Windparks bestehen aus jeweils „nur“ zwischen 200 bis 300 Windrädern. Der weltweit größte Offshore-Windpark, das 2013 eröffnete London Array in der Themsemündung, bringt es auf 175 Stück. Die Erweiterung um weitere 166 Windräder wird nicht stattfinden, weil der Bestand der ortsansässigen Vogelpopulation – genauer: von 6500 Sterntauchern – bedroht sein könnte.

„Teuer ist die Sache schon“, räumt Mark Jacobson ein. 32 Kilometer New Yorker Küste mit Windturbinen auszustatten kommt auf geschätzte 210 Milliarden Dollar. Dagegen nimmt sich der immer wieder diskutierte, massive Damm vor New York mit 29 Milliarden Dollar nahezu günstig aus. „Doch der Damm hat keine andere Funktion als vor einer Flut zu schützen“, gibt Jacobson zu bedenken. „Ein Windpark produziert Strom. Jahrein jahraus, und finanziert sich so letztlich selber. Und zusätzlich bietet er noch Schutz vor Wirbelstürmen.“ Auch ein kleiner Windpark könnte einen Hurrikan zumindest ein bisschen abschwächen, glaubt der Forscher. „Es sollten mehr als 2000 Windturbinen sein - und weniger als 80.000.“

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Madeleine Amberger

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