© Thomas Prenner

Erfindung

Fliegenfarm für zu Hause liefert Protein-Snacks

Dass Insekten eine nahrhafte Nahrungsquelle für Menschen darstellen könnte, ist nicht wirklich neu. Bereits 2013 hat etwa die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) einen Bericht veröffentlicht, in dem Insekten als ideales Nahrungsmittel der Zukunft dargestellt werden. Demnach seien sie einerseits gesund und nahrhaft und ließen sich andererseits umweltfreundlich und mit geringem ökologischen Fußabdruck züchten.

Genau das hat die gebürtige Burgenländerin Katharina Unger zum Anlass genommen, sich genauer mit der Thematik auseinanderzusetzen, wie sie im Gespräch mit der futurezone erklärt: “Mein Ziel war es, etwas zu machen, mit dem sich ein Individuum ernähren kann und es ihm ermöglicht, seine Ernährung zu kontrollieren.” Mit diesem Gedanken entwickelte die heute 24-Jährige gemeinsam mit ihrer Projektpartnerin Julia Kaisinger die Insektenzuchtanlage Farm 432.

Verschiedene Einsatzgebiete

Laut Unger steigt derzeit das Interesse an Insekten als Nahrungsmittel deutlich an, auch in Österreich. “Vor dem Projekt hatte ich auch noch nie Insekten probiert”, so Unger. “Mittlerweile haben wir jedoch schon einiges damit gekocht.” In den USA habe man etwa ein Müsli mit den Larven entwickelt und Menschen kosten lassen. “Die Reaktion war, dass sich die Leute mehr Larven in dem Müsli gewünscht haben”, so Unger.

Interesse gibt es derzeit von vielen verschiedenen Seiten, wie Unger erzählt. “Ich bin wirklich baff, wie viele Leute sich dafür interessieren”, so die 24-Jährige. Die möglichen Einsatzgebiete sind dabei breit gefächert. So melden sich laut Unger etwa viele Fitnessbegeisterte, die in den Insekten eine günstige Proteinquelle sehen. Aber auch Technikbegeisterte seien daran interessiert, eigene Fliegen zu züchten.

Besitzer von Tieren wie Hühner oder Reptilien sehen Farm 432 auch eine Möglichkeit, selbst das Futter zu züchten. Da fremdgezüchtete Larven in der Regel relativ teuer zu kaufen sind, dürfte sich die Investition schon bald bezahlt machen.

Diplomarbeit

Das Projekt war gleichzeitig auch Ungers Diplomarbeit an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, wo sie Industrial Design im Studio Fiona Raby (iD2) studierte. Das Konzept fand auch international bereits großen Anklang, Unger präsentierte die Farm 432 etwa schon an Universtitäten und Forschungseinrichtungen sowie Firmen in den USA, Asien und Afrika, wo nun teilweise ebenfalls damit experimentiert wird. Außerdem würden derzeit Gespräche mit Investoren und anderen Interessierten geführt.

Nun will Unger das Gerät marktreif machen und denkt dabei auch an Crowdfunding, wie man es etwa von Kickstarter kennt: “In Zukunft möchte ich auf jeden Fall auch ein Crowdfunding-Projekt starten”, so Unger. Bis dahin soll das Gerät jedoch noch weiter optimiert werden. Wie viel das fertige Produkt einmal kosten werde, sei derzeit noch schwierig abzuschätzen. “Wir werden uns voraussichtlich im gehobenen Bereich einer Küchenmaschine bewegen”, so Unger. Konkret wolle man sich irgendwo zwischen 150 und 400 Euro einpendeln.

Mit der Farm 432 kann man auf kleinem Raum Fliegen bzw. deren Larven züchten. “Das System ist einfach, effizient und platzsparend”, so Unger. Das Projekt befindet sich derzeit noch in der Entwicklungsphase, ein Prototyp ist jedoch bereits fertig gebaut. Das Gerät besteht aus mehreren Modulen, in denen die Tiere ihre verschiedenen Entwicklungsphasen durchleben. Derzeit arbeitet Unger an einem neuen Prototypen, der auch mit einer Lichtquelle ausgestattet ist, falls dort, wo man die Farm aufstellen möchte, zu wenig natürliches Licht vorhanden ist.

Funktionsprinzip

Die ausgewachsenen Larven werden in einer kleinen Kammer oberhalb der Hauptkammer in Holzspänen platziert. Sind sie geschlüpft, zwängen sie sich durch kleine Öffnungen in die Hauptkammer. Dass diese Öffnungen eher klein bemessen sind, hat praktische Gründe. “Dadurch streifen die Fliegen etwaige Rückstände ihres Gespinsts ab”, so Unger. Dadurch wird vermieden, dass die wesentlich größere Hauptkammer dadurch verschmutzt wird.

In der Hauptkammer fliegen die fertig entwickelten Fliegen dann herum und pflanzen sich fort. In diesem Stadium benötigen die Fliegen keine Nahrung mehr, sondern lediglich eine minimale Menge an Wasser. Sind die Tiere dann bereit, ihre Eier zu legen, finden sie dafür passende kleine Öffnungen, wo die klebrigen Eier bis zum Schlüpfen der Larve verweilen. Schlüpft die Larve, fällt sie in eine nächste, kleinere Kammer, in der sie heranwachsen. Dort ernähren sich die Tiere von Bio-Abfällen pflanzlicher sowie tierischer Natur. “Sie können so ziemlich alles fressen”, so Unger. Aufpassen müsse man lediglich bei stark cellulosehaltigen Pflanzen wie etwa Gras, das zur Ernährung der Insekten nicht ideal sei.

Nach 432 Stunden bzw. 18 Tagen sind die Larven ausgewachsen und zum Verzehr bereit. Damit die Züchtung weitergeht, sollten jedoch rund zehn Prozent der Larven dann wieder in die erste Kammer zurückgegeben werden, damit sie schlüpfen und sich fortpflanzen können. Im Rahmen der Tests war es laut Unger mit der Farm 432 möglich, rund 500 Gramm Larven in einer Woche zu züchten. Theoretisch sei jedoch noch mehr möglich.

Soldatenfliegen

Dass sich Unger in ihrem Projekt für die Soldatenfliegen entschieden hat, hat unter anderem den Grund, dass die ausgewachsenen Tiere sehr pflegeleicht sind. “Sie interessieren sich nicht mehr für das Fressen”, so Unger. Dadurch, dass sie nicht fressen, erzeugen sie auch weniger Abfälle, als etwa gewöhnliche Stubenfliegen. Entkommt ein oder mehrere Tiere werden sie aus diesem Grund im Eigenheim auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Plage. Außerdem sind die Larven enorm gute Proteinlieferanten. In 432 Stunden entstehen aus einem Gramm Eier 2,4 Kilogramm Proteine. Eine Larve besteht demnach zu 42 Prozent aus Proteinen.

Ausgewachsene Larven kann man töten, indem man sie einfriert. Anschließend können diese in verschiedenen Gerichten weiterverwendet werden. Tiefgekühlt halten sich die Larven theoretisch Jahre.

Livin

Unger selbst hat seit Abschluss ihres Studiums das Unternehmen Livin gegründet, das auch für die Entwicklung und zukünftige Vermarktung der Farm 432 verantwortlich ist. Die Firma will sich in Zukunft jedoch nicht nur auf die Insektenzucht beschränken. “Unser Ziel ist es, gut designte Objekte zu kreieren, die uns auf neue Weise die Natur zugänglich machen”, beschreibt Unger das Konzept hinter Livin. Welche anderen Produkte in Zukunft noch folgen werden, bleibt also abzuwarten. Sollte das Konzept der Insektenzucht jedoch aufgehen und sich auch in entsprechender Nachfrage niederschlagen, will Unger jedoch nicht ausschließen, noch weitere Modelle für andere Arten zu entwickeln.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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