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Compass Report

Start-ups: Wien als Standort international nicht existent

Der Compass Report, ein jährliches Ranking zum globalen Start-up-Ökosystem, zeichnet ein ernüchterndes Bild für die heimische Start-up-Szene: Denn Österreich bzw. Wien kommt darin gar nicht erst vor. Nach der Übernahme des Fitness-App-Anbieters Runtastic durch Adidas war der Jubel in der heimischen Szene groß, man gratulierte sich gegenseitig und freute sich über die breite mediale Präsenz eines österreichischen Start-ups. Soweit, so gut. Doch Einzelfälle wie dieser reichen noch lange nicht aus, um auf der internationalen Bühne wahrgenommen zu werden, wie auch Andreas Tschas, Mitbegründer und CEO des Pioneers Festival, im Interview mit der futurezone attestiert. Die Szene überschätze sich, es fehle noch einiges, um international wettbewerbsfähig zu sein. Vor allem komme noch immer zu wenig Umdenken seitens der Politik. Damit meint Tschas, dass das Thema bzw. seine Notwendigkeit noch nicht ganz bei den Spitzenpolitikern angekommen sei. “Es muss zur Chefsache werden.”

“Es hat sich natürlich einiges getan in Wien in den vergangenen Jahren. Auch durch Staatssekretär Harald Mahrer und sein 40-Punkte-Programm für Start-ups, das im Frühling präsentiert wurde, oder Institutionen wie dem Verein Austrian Start-ups ist in der Szene viel passiert”, sagt Tschas. "Im Grunde geht es aber um ein Verständnis über die Notwendigkeit eines aktiven Start-up-Ökosystems. Andere Länder rollen für Start-ups den roten Teppich aus.” Sie hätten erkannt, dass Start-ups kein “Bespaßungsprogramm” sind. “Hierzulande hat man das noch nicht wirklich begriffen. Wir machen uns Gedanken über Jobs und Arbeitslose in ein bis zwei Jahren - das ist wichtig - aber wir müssen uns auch Gedanken über Jobs in zehn bis 15 Jahren machen”, sagt Tschas. "Wir müssen endlich verstehen, dass ein Start-up-Ökosystem auf vielen Pfeilern aufbaut."

Der Compass Report gibt dazu auch Aufschlüsse und zeigt in seinem "Ecosystem Canvas" - entwickelt vom ehemaligen Wiener Assistenzprofessor an der WU Wien und Entrepreneur Thomas Funke - was nötig wäre.

Schlechte Rahmenbedingungen

Der Pioneers-Veranstalter kritisiert die schlechten Rahmenbedingungen für Start-ups in Österreich. “Als Jungunternehmer wird man hierzulande geschröpft.” Für viele käme es aufgrund der hohen Steuern und der mühsamen Kapitalbeschaffung erst gar nicht infrage, in Österreich zu gründen. “Aber auch wenn es um Themen wie Beteiligungsmodelle geht, hat man es in Österreich extrem schwer. In den USA ist es gang und gebe, dass man Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt. Bei uns ist das extrem komplex”, sagt Tschas. "Solange es keine Vernüftigen Rahmenbedinungen gibt, wird es in Österreich einen Braindrain geben und Gründer werden Berlin, London, Singapur oder das Silicon Valley vorziehen", sagt Tschas. Zwar seien in dem Gründerland-Papier bereits gute Ansätze zu finden, doch was die Umsetzung betreffe, brauche es breitere Unterstützung auf Regierungsebene.

“Wir selbst vom Pioneers Festival würden das Potenzial, das vorhanden ist, gerne noch stärker nutzen - ein gemeinsames Konzept erarbeiten, wie man die Leute, die zum Event für drei Tage nach Wien kommen, auch am Standort ansiedelt”, sagt Tschas. Immerhin sei das Start-up-Festival mittlerweile auch international bekannt und fungiere als Werbetrommel für Wien. Die Pioneers-Veranstalter verweisen dabei auf eine Berechnungsmethode des Austrian Convention Bureau, wonach das Festival für die Wirtschaftsleistung der Stadt insgesamt 2,4 Millionen Euro zurückgespielt habe, der Werbewert der Veranstaltung liegt laut Meltwater bei 100 Millionen Euro.

Berlin versus Wien

Unter den Top 20 des Compass Report ist Europa mit fünf Städten vertreten, dazu zählt auch Berlin, das in dem Bericht als “Start-up-Entwicklungsstadt” bezeichnet wird. Das bedeutet, das dort noch ein starkes Wachstum verortet wird. Dominiert werden die Top-Ränge von Nordamerika (USA und Kanada), die USA haben sechs ihrer insgesamt sieben im Ranking vertretenen Städte unter den besten Acht.

Berlin hatte zu Beginn den Vorteil der günstigen Mieten”, so Tschas. “Es hatte dann schon sehr früh eine aktive Start-up-Community, mitterweile gibt es sehr viel Know-how am Standort, das ist immens wichtig. Etablierte Unternehmen siedeln ihre Innovation Labs in Berlin an und Investoren sind nach Berlin gekommen.

Aus Sicht von Tschas ist es bisher nicht gelungen, die guten Entwicklungen, die es über die Jahre hierzulande gab, auch international zu transportieren. “Wir hier glauben zwar immer, es tut sich so viel. Aber man braucht einen Realitätscheck und muss begreifen, dass man sich in einem internationalen Wettbewerb befindet.”

Runtastic als Zugpferd?

Dass Runtastic nach seinem Verkauf an Adidas nun insgesamt zu einer Verbesserung der internationalen Wahrnehmung Österreichs beitragen kann, zieht Tschas eher in Zweifel. “Zunächst einmal großen Respekt vor Runtastic, es ist großartig, was ihnen da gelungen ist und dieser Exit ist für den Standort auf jeden Fall wichtig”, meint Tschas, “insofern, dass Runtastic extrem viel Erfahrung gesammelt und internationale Kontakte hat und die Gründer das Geld dazu verwenden werden, in weitere Start-ups zu investieren”. Allerdings bringe dieses Erfolgsbeispiel in punkto Imagewirkung auf internationaler Ebene vermutlich wenig, so Tschas. “Ich stelle infrage, wie viele Menschen wahrgenommen haben, dass Runtastic überhaupt aus Österreich kommt.”

Generell sei es eine sehr große Herausforderung für heimische Start-ups, dem Runtastic-Beispiel zu folgen. “Das Positive für sie war, dass sie sehr schnell die Internationalisierung angestrebt haben - zwar von Linz aus, aber heute ist es eben auch möglich, von Österreich aus eine globale Firma zu starten”, sagt Tschas. Natürlich gebe es noch andere erfolgsversprechende Start-ups im Land. “Wichtig ist, dass es Know-how in der Szene gibt.” Das Silicon Valley zeige das. Da sei nicht nur das große Geld vorhanden, sondern es würden eben auch diese wichtigen, riesigen Netzwerke bestehen.

Förderungen allein nicht genug

Der Pioneers-CEO gesteht - wie viele andere in der Szene - zu, dass es in Österreich eine lobenswerte Förderlandschaft gibt. “Die funktioniert vor allem für Frühphasen-Start-ups, hat aber auch ihre Tücken", meint Tschas. Viele Strukturen stünden eigentlich den Programmen und dem, was sie fördern wollen im Weg. "So müssen Start-ups zum Beispiel konkrete Milestones über zwei Jahre einhalten oder rutschen durch das Förderraster, wenn sie bereits Umsätze erwirtschaften." Jedenfalls sei die Politik gefragt, noch mehr Kapital zu mobilisieren, so Tschas. Er verweist etwa auf das Stiftungsrecht. “Da liegt so viel Geld brach, das dazu verwendet werden könnte, junge und dynamische Firmen zu finanzieren.”

“Von einer lebhaften Investorenszene sind wir hierzulande weit weg", sagt der Pioneers-Veranstalter. Speedinvest sei mit seinem Fond ein “Leuchtturm” in der heimischen Start-up-Welt. “Sie sind in dieser Region eigentlich der größte Fond und in Österreich die einzigen, die Seed und Series A-Investments stemmen können." Daneben finden sich nur wenige Business Angels, die meist zu viel Eigenkapital von den Firmen verlangen würden.

Den Start-ups selbst rät Tschas vor allem die Internationalisierung in den Fokus zu nehmen und sich mit Erfahrenen Gründern auszutauschen. Man müsse rasch global denken und nicht innerhalb der österreichischen Grenzen.

Vision gefragt

Für die Zukunft wünscht sich der Pioneers-Gründer eine Vision für den Standort. “Wie schaut es bei uns in fünf Jahren aus?” Pioneers selbst startet mit einer Neuauflage seiner Pioneers Challenge, die sieben Bereiche von Life Sciences bis Robotics umfasst. Im Zuge dieses Wettbewerbs sollen aus den unterschiedlichen Schwerpunktbereichen global die besten Start-ups identifiziert werden. Gleichzeitig wolle man gemeinsam mit der Regierung ein Konzept ausarbeiten, wie man diese Start-ups nach Österreich bringen kann. “Wir wollen den Start-up-Magneten anwerfen und in Wien einen Start-up-Campus etablieren, auf dem sich Gründern, Mentoren, Investoren und etablierte Firmen treffen”, sagt Tschas.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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