Meinung

Frauen können keine Technik? Schluss mit biologistischem Unsinn!

Mädchen können mit Technik nicht so viel anfangen, Frauen sind in Naturwissenschaften einfach schlechter, es interessiert sie eben nicht. Vorurteile derlei Art halten sich, zumindest in gewissen Kreisen, weiterhin hartnäckig wie Schimmel in den Badezimmerfugen und werden in meinungsstarken Texten, die gerne gegen Feministinnen und “Genderwahn” in den Kampf geworfen werden, zur Schau gestellt. Zuletzt etwa wieder zu lesen in einer Kolumne von Peter Michael Lingens in der Wochenzeitung Falter. 

Da wirft der Autor neben einer Reihe anderer überholter Behauptungen ins Rennen, dass Frauen schlechter räumlich denken können und beruft sich auf “unbestrittene Untersuchungen”. Dabei weiß man mittlerweile, dass Geschlechter-Unterschiede in räumlichem Denken, wenn überhaupt vorhanden, dann vor allem eines sind: antrainiert und sozial geprägt. Es ist biologistischer, längst überholter Unsinn zu behaupten, dass das “halt so ist”. 

Räumliches Denken wird in 3 Arten geteilt (räumliche Wahrnehmung, räumliche Visualisierung und mentales Rotieren). Studien haben gezeigt, dass bei 2 davon eigentlich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen festzustellen sind und beim dritten Punkt, dem mentalen Rotieren, wo zunächst tatsächlich Differenzen ersichtlich wurden, Training ausschlaggebend ist, nicht Geschlecht. Dass Frauen schlechter räumlich denken könnten, ist also nicht “unbestritten” oder biologisch einzementiert, sondern Folge von Rollen- und Aufgabenverteilung. 

Sind Buben besser in Mathematik?

Ein anderes Klischee, das wie Kaugummi an unserer Gesellschaft klebt, ist die Annahme, Buben seien besser in Mathematik. Doch auch hier hat sich gezeigt, dass Leistungsunterschiede nichts mit Geschlecht, sondern mit Erziehung und stereotyper Förderung zu tun haben, ja sogar mit der Art und Weise wie Mathematik unterrichtet wird. Während in Ländern wie Österreich oder Deutschland Mädchen und junge Frauen im Schnitt tatsächlich schlechtere Mathematik- und naturwissenschaftliche Noten haben, gibt es diese Unterschiede in anderen Ländern wie Island, Neuseeland oder Singapur gar nicht bzw. schneiden Mädchen dort sogar besser ab. Anstatt den Mythos der weiblichen Unbegabtheit weiterzuerzählen, sollte vielmehr ein patriarchal geprägtes System hinterfragt werden, das darauf ausgerichtet ist, diese Ungleichheiten zu reproduzieren anstatt sie aufzubrechen. 

Es ist schon richtig, dass sich nach wie vor viele Mädchen entscheiden, in einen sogenannten “Frauenberuf” zu gehen, dass technische Berufe nach wie vor einen Frauenmangel aufweisen und auch dieser Umstand zum Gender-Pay-Gap mit beiträgt, Betonung auf “mit”. Hier wären noch andere Punkte anzuführen, etwa das Hinterfragen, weshalb manche “Frauenberufe” eigentlich so schlecht bezahlt sind.

Wir brauchen keine verstaubten Theorien

Diese Unterschiede in der Berufswahl allerdings dem Geschlecht und der Biologie zuzurechnen ist nichts anderes als überholt und zeugt auch von einer gewissen Bequemlichkeit. Nun ist es grundsätzlich natürlich jedem und jeder freigestellt, sich mit rückschrittlichen, kaum noch haltbaren Ansichten in eine Debatte zu werfen: Dem Aufbrechen von Geschlechterklischees und dem Schließen des Gender-Pay-Gap dienlich ist es nicht. 

Wer also ehrliches Interesse daran hat, dass wir uns als Gesellschaft nach vorne bewegen, Menschen jeden Geschlechts die gleichen Chancen und den gleichen Verdienst ermöglichen, sollte weniger verstaubte Thesen verbreiten und jenen die Bühne überlassen, die aufrichtig dafür kämpfen. Ansonsten könnte es sein, dass der Eindruck entsteht, dass hier gar nicht ehrlich argumentiert wird, sondern lieber alte Klischees reproduziert werden, damit ja alles so bleibt, wie es immer schon war. 

Achja, eines noch: Ich habe als kleines Mädchen, manche würden Äffchen sagen, übrigens sehr gerne mit Matchbox-Autos und mit Puppen gespielt. Mein Kindergarten- und später Volksschulfreund hatte ein Barbie-Haus, für uns war das schon in den 80er-Jahren normal. 

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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